Review

Eine Graphic Novel umzusetzen ist noch schwieriger als einen Comic zu verfilmen, denn anders als beim Comic setzt die GN meistens nicht auf Action, sondern auf Emotionen und transportiert sie über die Bilder.
Dieses Gefühl der gezeichneten Bildern einzufangen und auf Film zu übertragen, ist weniger aufwändig, aber emotional um so schwieriger.
Daß Terry Zwigoff dies gelungen ist, ohne die sperrige Geschichte zu verfälschen, ist des Films größter Gewinn.

Es ist eine Geschichte über das Außenseitertum, die sich hier vor unseren Augen gemächlich ausbreitet, die Story zweier weiblicher Nerds, Enid und Rebecca. In dem Bewußtsein, auf gar keinen Fall wie die anderen sein zu wollen, wählen die ihre eigene Form der Existenz in unserer Gesellschaft und die soll heißen, neben der Spur.
Zwigoff erklärt schon mit einfachen Bildern, was andere Teenagerfilme erst durch die Verbildlichung der Klassengesellschaft hinbekommen, den gewissen Unterschied. Die scheinbar unpassende Kleidung der beiden, die Wahl ihrer Lebensumstände, ihre Unternehmungen und ihr Umgang mit Menschen zeichnen die Unterschiede aus, so daß der Film schon mit der Abnabelung der bisherigen Zustände (High School) starten kann.

Leben gegen den Strom, das heißt hier gelebtes Anderssein. Arbeit schon, aber da dort Gesetze des „normalen“ Amerikas gelten nur mit Sarkasmus und der führt bald schon zum Rausschmiß. Studium kommt nicht in Frage, da das jeder Begabte tun würde. Höhere Berufung über Heldentum.
Und heimlich, still und leise, wird Zwigoffs Film zu einer Studie des Scheiterns.
Da weder Enid noch Rebecca jemals ein richtiges Ziel entwickeln, stemmen sie sich nur mit monotoner Gleichgültigkeit und ätzendem Zynismus gegen der Rest der Gesellschaft – und gehen unter. Ihre Suche ist unbewußt eine Suche nach sich selbst.
Die Vehemenz, mit der Enid versucht, den abstrusen Plattenfreak Seymour mit einer Frau zu versehen, spiegelt nur ihre eigene Einsamkeit – die ihr in genau dem Moment bewußt wird, als sie endlich am Ziel angekommen ist. Daß sie in ihm die einzige verbliebene verwandte Seele in dieser Stadt gefunden hat, wird ihr zu spät klar.
Zu diesem Zeitpunkt haben sich die Freundinnen bereits verloren, Rebecca opfert sich aus simpler finanzieller Notlage und genereller Unzufriedenheit mit Enid der Gesellschaft und wird zunehmend bürgerlich, während Enid ihre Überzeugungen nicht aufgeben will, obwohl sie keine Ahnung hat, welche das nun sind.

Und weil sie das ihr Leben schon weit übersteuert hat und ihr Weltbild so ins Wanken gerät, kann sie schließlich auch nicht mehr ihre eigenen glücklichen Momente akzeptieren, weil sie sie für Verrat an sich selbst hält, ihre Nacht mit Seymour, ihre Erfolge in einem Kunstkurs, das letzte Angebot Rebeccas, sich mit ihr ein eigenes Leben aufzubauen.
Am Ende kapituliert sie und tritt eine neue Reise an, weil hinter ihr nur verbrannte Erde liegt. An der stillgelegten Bushaltestellte kommt plötzlich doch ein Bus und der verrückte alte Mann, der dort täglich gewartet hat, fährt ab.
Es geht also für jeden irgendwo weiter, irgendwohin.
Und so verschwindet Enid aus ihrem bekannten und dem für uns sichtbaren Bereich. Anderssein heißt auch anderswo sein. Dort kann man ihr nur Glück wünschen oder Einsicht.

„Ghost World“ ist weiß Gott nicht leichte Kost. Eine Reihe von Episoden zeigt nicht gerade sofort den Zweck der Szene auf, sondern alles fließt am Ende in eine stille und traurige Charakterstudie, die von Thora Birch meisterlich umgesetzt wird. Mit Mut zur Häßlichkeit und ohne wesentliche sympathische Züge schafft sie es, daß man die Figur doch irgendwie lieb gewinnt oder ihr zumindest ein bißchen Glück für ihren weiteren Weg wünscht.
Für den Zuschauer bedeutet das viel Arbeit und reichlich Brüche mit den üblichen Sehgewohnheiten – vielleicht muß man selbst ein wenig neben der Spur sein, um für diese Figuren Verständnis zu entwickeln.

A strange beauty! (8/10)

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