Review

Gesamtbesprechung

"Higurashi no naku koro ni" - was "Zu der Zeit, wenn die Zikaden zirpen" (oder auch "weinen") bedeutet - ist eine Animeserie, die Elemente von Humor, sei es einfacher Slapstick oder speziell auf japanische Verhältnisse anspielender Humor wie die Verkleidung von Figuren in bestimmte fetischspezifische Kleidung, worauf andere total durchdrehen - auch sehr lustig bildlich umgesetzt - und sie "mit nach Hause nehmen wollen" (letzteres eine öfters wiederkehrende Äußerung der Figur Rena Ryûgû), oder auch ein Arzt mit humoristisch dargestelltem Lolitakomplex, mit Jugendgeschichten, die in das vordergründig idyllische Dorf Hinamizawa eingebettet sind, und unerwarteten Szenen blanken Horrors verbindet. Das mysteriöse Hinamizawa kann, so stellt sich heraus, ebenso liebenswert wie mörderisch sein.

Gerade diese Kombination macht die Serie so reizvoll und unvergesslich für den Zuschauer. Das beschauliche Dorf, in dem der Schrecken in Gestalt der Schatten der Vergangenheit auf den nichtsahnenden Neuankömmling wartet, ist zwar alles andere als eine neue Idee, aber hier wird das Motiv so beängstigend, weil Stimmungen so schnell umkippen können und eine liebe Freundin uns respektive Hauptfigur Keiichi Maebara plötzlich mit Schlimmstes verheißendem Dämonenblick anschaut. Man nehme beispielsweise das erste Kapitel "Onikakushi-hen" (Verschleppt von Dämonen), vielleicht sogar das gelungenste aller Kapitel. Das Ende dieses Abschnitts schafft eine intensive Bedrohung, durch die der Zuschauer sich nahezu an der Kehle gepackt glaubt - so dicht zieht sich die Schlinge der klaustrophobischen Situation, die Keiichi erlebt, um ihn zusammen.

Alles scheint mit dem geplanten, aber verhinderten Bau eines Staudamms zu tun zu haben, in dessen Folge das Dorf überflutet worden wäre. Der Bau wurde jedoch unter anderem von der einflussreichen Familie Sonozaki verhindert, deren Töchter Mion und Shion zum Freundeskreis von Keiichi gehören. Ebenso die jüngere Rika Furude - eine im Gegensatz zu den reifen und selbstbewussten Sonozaki-Zwillingsschwestern noch kindliche und in ihrer Bedeutung leicht zu unterschätzende Gestalt, die sich des Öfteren durch Laute wie "mi" und "ni-paa" äußert. Sie stammt jedoch von einer Familie ab, die dem Dammbau gegenüber positiv eingestellt war.

Daran lässt sich die latente Spannung, die auch bis in den Freundeskreis hineinragt, ablesen. Denn weit über eine bloße Diskussion hinaus führte das Dammprojekt zum Verschwinden zahlreicher Einwohner von Hinamizawa. Ein im Ort latent vorhandenes Potenzial der Grausamkeit bis hin zum besinnungslos gewalttätigen Wüten wird mit dem Fluch der Gottheit Oyashiro-sama erklärt. Das zu dessen Ehren alljährlich gefeierte Watanagashi-Fest (bei dem man Baumwolle einen Fluss hinabtreiben lässt) entpuppt sich als Schlüsselzeitpunkt für die rätselhaften Ereignisse in Hinamizawa wie vor allem das regelmäßige Verschwinden von Einwohnern zu dieser Zeit. Auch die ebenfalls zum Freundeskreis zählende Satoko Hôjô hat das Verschwinden eines Angehörigen, nämlich ihres Bruders Satoshi, zu beklagen. Auch ihre Familie war für den Dammbau, was im Zusammenhang mit dem Verschwinden ihres Bruders zu stehen scheint.

Dem Zuschauer wird nach Ende des ersten Kapitels auffallen, dass die Erzählung in den folgenden Kapiteln wieder (grob gesagt) am Beginn ansetzt und nicht nur den Schwerpunkt der Darstellung auf andere Figuren legt, sondern vieles anders ablaufen lässt. Die Erklärung dieses Phänomens wird ihm zunächst vorenthalten, sehr findige Beobachter - zu denen ich nicht zähle - mögen jedoch Hinweise auf die Erklärung finden, die letztlich in der Folgestaffel "Higurashi no naku koro ni - Kai" gegeben wird. Jedoch, und das sei ausdrücklich hervorgehoben, wirkt die Serie ohne die zweite Staffel nicht unvollständig - lediglich sehr geheimnisvoll und obskur, was sie um so faszinierender macht. Mit einer Sichtung ist es nicht getan, die zweite wird sicher mehr Aufschluss geben. Trotzdem wäre eine weitere internationale Verbreitung auch der zweiten Staffel wünschenswert.

"Higurashi no naku koro ni" zeigt, wie vielfältig, faszinierend, abgründig Anime sein kann. Dies lässt schon der Vorspann mit seiner dramatischen Musik und seinen wunderschönen, mitunter verstörenden Bildern ahnen. Ich kann nur empfehlen, in die pittoreske, geheimnisvolle, tödliche Welt von Hinamizawa einzutauchen ... und auf die Gnade von Oyashiro-sama zu hoffen.

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