„Die Outsider“ sollte Francis Ford Coppola nicht nur einen seiner wenigen Kassenerfolge nach 1980 bescheren, sondern brachte ihn auch in Kontakt mit der Autorin S.E. Hinton, deren „Rumble Fish“ er direkt im Anschluss verfilmte und noch im gleichen Jahr wie „Die Outsider“ ins Kino brachte.
Wieder geht es um perspektivlose Jugendliche und Gangs, doch unter anderen Vorzeichen. Mit einer Schwarz-Weiß-Optik setzt Coppola mehr auf Arthouse-Touch, im Gegensatz zur klaren zeitlichen Verortung von „Die Outsider“ steht in hier ein Gefühl der Zeit- und Ortlosigkeit. Rusty James (Matt Dillon), der Protagonist des Films, wächst in irgendeiner Kleinstadt auf, zu irgendeiner Zeit. Er ist der Anführer ein Jugendgang, zu der auch Smokey (Nicolas Cage), B.J. Jackson (Chris Penn) und Steve (Vincent Spano) gehören. Ein gewissermaßen ererbter Posten, nachdem sein Bruder, der Motorcycle Boy (Mickey Rourke), die Stadt verließ. Die Figuren haben etwas Archetypen- oder Chiffrenhaftes: Rusty James wird stets als mit beiden Wörtern als Rusty James angesprochen, er besteht auch darauf, dass bei der Nennung des Namens Motorcycle Boy immer der Artikel dabei sein muss, während ihr Vater (Dennis Hopper) auch im Abspann nur als solcher betitelt wird.
Eigentlich ist die Zeit der Gangkriege vorbei, doch als Rusty James vom Chef einer anderen Crew herausgefordert wird, kann er natürlich nicht kneifen. Durch ein Schäferstündchen mit seiner Freundin Patty (Diane Lane) kommt er beinahe zu spät, schlägt sich aber hervorragend, bis der Gegner unfair spielen will – doch genau in dem Moment taucht der Motorcycle Boy auf und klärt die Lage. Rusty James mag der Protagonist sein, doch „Rumble Fish“ gehört irgendwie dem Motorcycle Boy. Der spielt zwar handlungstechnisch nur die zweite Geige, doch seine Präsenz prägt den Film bis ins Stilistische hinein: Seine Farbenblindheit ist eine Interpretation der Schwarz-Weiß-Inszenierung, in manchen Szenen wird der Ton dumpf, um sein eingeschränktes Hörvermögen nachzuahmen.
Das Auftauchen des Motorcycle Boy hat Folgen. Dieser will, dass sein Bruder aus dem Teufelskreis des Gangwesens ausbricht, was Rusty James jedoch nur noch mehr verunsichert. Für Cops wie Patterson (William Smith) ins hingegen ein Unruhestifter zurückgekehrt, den es im Auge zu behalten gilt…
Von der Anlage her könnte „Rumble Fish“ einige der Schwächen von „Die Outsider“ ausgleichen. Wo der Mainstreamerfolg so viele Figuren hatte, dass er vielen davon selbst in der Complete-Novel-Fassung nicht gerecht wurde, da geht es in „Rumble Fish“ vor allem um Rusty James. All die anderen Figuren wie Patty, der Vater oder der Motorcycle Boy sind vor allem durch ihre Beziehung mit ihm definiert. Doch leider schafft Coppola es aus akutem Unwillen nicht unter die Oberfläche. Dass Rusty James im Schatten seines Bruders steht, dass er aus dieser Verantwortung ebenso gerne ausbrechen möchte wie aus der miefigen Kleinstadt, das ist schnell klar, aber mehr kommt an Charaktereigenschaften kaum zum Tragen. Rusty James ist ein Rebell ohne Ziel und Grund, aber teilweise auch ziemlich begriffsstutziger Idiot. Einer, der kaum kapiert, warum Patty sauer ist, wenn er einfach so rumvögelt. Einer, der sich eher treiben lässt als selbst Antrieb zu haben. Der Motorcycle Boy wirkt – trotz der Herkunft aus der Kleinstadt – bisweilen eher wie ein mystischer Fremder aus dem Western, der in die Stadt einreitet, um seine Dienste zu tun. Der Vater hingegen ist ein Säufer, vom den nicht viel zu erwarten ist und der wenig zum Film beiträgt, Patty und die Gang von Rusty James lassen sich auf ein paar Stereotypen herunterbrechen.
So hängt der Film mit seinen Figuren rum, erzählt kleine Episoden. Man geht zum Rummel und kriegt Stress mit Möchtegernräubern. Rusty James ist angefressen, als Patty lieber mit Smokey geht, nachdem er den Löres in eine andere reingehalten hat. Patterson lässt den Motorcycle Boy wissen, dass er ihn im Auge behält. Cassandra (Diana Scarwid), die Ex-Freundin des Motorcycle Boy, möchte gern wieder in dessen Leben eine Rolle spielen, ist aber ein drogensüchtiges Nervenbündel. Daraus entwickelt sich leider wenig Flow, keine packende Geschichte, eher ein Stimmungsbild. Die mythisch überhöhte Vergangenheit der Gang-Streitereien wird mehrfach angesprochen, aber nie wirklich beleuchtet.
So sind Coppola die Stimmung und der Stil wichtiger als der Inhalt. Tatsächlich ist „Rumble Fish“ auf formaler Ebene durchaus beeindruckend. Coppola und seinem Kameramann Stephen H. Burum gelingen markante Bilder. Ein wiederkehrendes Motiv sind Uhren – bei einem Gespräch mit Patterson lehnen Rusty James und der Motorcycle Boy beispielsweise an einem besonders großen Exemplar. Die wenigen Farbtupfer sind besonders wichtig: Da sind zum einen die titelgebenden Kampffische, die der Motorcycle bewundert, die für ihn Symbole der (eingesperrten) Freiheit sind und die durchweg in Farbe gezeigt werden. Sie spielen auch eine wichtige Rolle im (erwartbaren) Finale, in dem das zweite Mal Farbe verwendet wird: Wenn Rusty James emotional aufgewühlt ist, quasi den Entschluss des Ausbruchs fasst, dann sind kleine Inserts (etwa eines Blaulichts auf einem Polizeiauto) ebenfalls farbig.
Matt Dillon, einer der erklärten Lieblingsschauspieler von S.E. Hinton, variiert seine Rolle als Draufgänger aus „Die Outsider“ und überzeugt mit jugendlichem Rebellencharme. Noch stärker ist Mickey Rourke, der seine Ganglegende anders als erwartet anlegt. Hinter dem toughen Ruf und der harten Schale steckt ein versehrter Kerl, körperlich und geistig angeschlagen, oft verträumt, der aber im Zweifelsfall die Härte auspacken kann. Diane Lane gibt mal wieder das begehrenswerteste Mädchen der Schule, Nicolas Cage, Chris Penn und Vincent Spano können ihre Bit-Parts mit Leben füllen, ebenso wie Laurence Fishburne und Tom Waits. In Minirollen sieht man Sofia Coppola als Pattys Schwester und Vorlagenautorin S.E. Hinton als Bordsteinschwalbe. Trotz seines großen Namens ist Dennis Hopper erstaunlich wenig präsent. Und selbst wenn sein Vater mal anwesend ist, dann er doch vor allem auf den nächsten Schluck aus – ein Symbol für eine Elterngeneration, von der die Kinder nichts zu erwarten haben, die einfach nicht da ist oder zumindest nicht für den Nachwuchs.
„Rumble Fish“ ist top besetzt, in den Hauptrollen stark gespielt und wartet mit einem eindrücklichen visuellen Konzept auf. Doch letzten Endes ersetzen optische Mätzchen doch keinen echten Inhalt: Für ein wirklich nachhaltiges Drama bleibt „Rumble Fish“ viel zu sehr an der Oberfläche seiner Figuren, denen er eher episodisch folgt. Da mag „Die Outsider“ der konventionellere Film sein, ist jedoch klarer in der Charakterzeichnung und der insgesamt bessere Film.