Die letzten 15 Minuten zeigen so ziemlich das beste Boxen, dass man seit Langem gesehen hat. Kein Langweiliges auf Abstand halten, regelmäßig treffen und nach Punkten gewinnen, sondern volle Kanone auf den Mann und dabei teilweise ganz ohne Deckung. So wünscht man sich die Boxtitanen auch im echten Ring und genauso schön wäre es, wenn auch der ganze Film so druckvoll gewesen wäre.
Doch leider enttäuscht Rocky Balboa davor mit einer zutiefst langweiligen und sich ewig wiederholenden Geschichte.
Bereits in der ersten Szene sieht man Rocky am Grab seiner Frau Adrian trauern. Ihren Verlust hat er scheinbar immer noch nicht verarbeitet und … ja, das geht dann gute dreißig Minuten so weiter. Eine Szene nach der anderen erzählt nichts anderes als dieses erste Bild. Das ist ganz schön langweilig. – und schlecht produziert.
Dazu kommt dann noch eine problematische Vater-Sohn-Beziehung, und der gute (?) naja, auf jeden Fall alte Mick (Pauli) spielt auch noch mit.
Soweit, so gut – oder auch einfallslos ist der Film.
Fans werden es zu schätzen wissen, dass Stallone – genau wie in Rocky 1 – die ganze Zeit über nervös hin und her zappelt, in schlabbrigen Klamotten herumläuft und zielsicher an den allen Personen vorbeiredet.
Aber so richtig versteht man trotzdem nicht, was er der Figur Rocky noch unbedingt mit auf den Weg geben wollte – oder warum man den Sechzigjährigen jetzt noch mal in kurzen Hosen sehen soll.
Denn – wenn man mal drüber nachdenkt – ist es schon ziemlich albern, dass ein 60-jähriger einen 25-jährigen Weltklasseboxer zum Kampf herausfordern darf (grob unsportlich!). Gegen diese Idee wirkt selbst Harry Potter realistisch. – Oder soll man vergessen, wie leicht bei alten Männern und Frauen die Knochen brechen (Osteoporose)?
Abgesehen davon, dass bei 60-jährigen die Brustmuskeln - trotz intensivsten Training und Doping nie so aussehen, dass man sie in Großaufnahme zeigen kann (Traurig, aber wahr, man sieht Rocky zwar in kurzen Hosen, aber er hält stets seine Fäuste vor der Brust. Weshalb er das macht, sieht man dann in den Millisekunden, in denen die Schlabberbrust leider doch zu sehen ist ...)
Doch zurück zum Film. Gut beobachtet ist bei Rocky 6 immerhin, dass Prominenz (immerhin wollen ja sehr viele Leute VIPs sein) ganz schön viele Nachteile hat. Alle naslang schnorren einen fremde Leute an, weil sie meinen: Der hat doch Geld. Und es wird auch zusehends schwieriger Leute „normal“ kennen zu lernen, denn es eilt einem ein gewisser Ruf voraus.
Auch gut beobachtet ist das Mediengefüge. Nur weil irgendwelche Sportjournalisten nichts zu tun haben, denken sie sich Unsinns-Kämpfe aus, die vom Rechner dargestellt werden und damit eine öffentliche Meinung bilden.
Wirklich unklar ist allerdings, weshalb sich Rocky davon so stark beeinflussen lässt. Denn tatsächlich versucht er - nach dem er sich den Quatsch angesehen hat - sofort seine Boxlizenz zurück zu bekommen. Das widerspricht eigentlich der Rocky-Figur, wie man sie früher kannte.
Denn Rocky ist war zwar nie besonders hell, aber doch immer sein eigener Chef. Oder anders ausgedrückt: Ein einfacher Mann, der für wichtige Entscheidungen auf sein Gefühl hört und sich nicht "verscheißern" lässt. Aber in Rocky Balboa lässt er sich "verscheißern".
Und es gibt noch weitere Schwächen.
Am Zweitschlimmsten ist die darstellerische Leistung der anderen Figuren. Ob das jetzt an dem Regisseur Stallone liegt (der neben sich niemanden duldet) oder an der Fähigkeit der Darsteller kann man natürlich nur schwer beurteilen – aber im Prinzip darf kein Darsteller seinen Wandel spielen und dadurch wirken alle ziemlich unglaubwürdig.
Das gilt gleichermaßen für Sohn, Freundin oder Lizenzgeber – alle haben eine bestimmte Meinung, die sie auch ganz gut spielen, dann redet Rocky mit ihnen und zack – haben sie ihre Meinung geändert. Bumm so einfach ist das – fast schon wie bei einem Knock-out.
Und da merkt man schon, dass Stallone keine Distanz zu seiner Figur Rocky hat, die er abgöttisch zu lieben scheint.
Wahrscheinlich muss genau deshalb Rocky bis zum Erbrechen in jeder Szene Recht haben und dann auch noch eine blütenweiße moralischen Weste tragen - im Prinzip könnte er genauso gut mit der Stirntätowierung „Gutmensch“ herumlaufen. Oder für das Amt des Präsidenten kandidieren (vielleicht wäre dass dann ja die Story für Rocky 7 – der Kampf ums Amt: Stallone gegen Schwarzenegger!). Yeah!
Aber für den Zuschauer ist die Super-Vorbild-Rolle von Rocky teilweise nur schwer zu ertragen.
Es gibt zwar einige gutsitzende, selbstironische Bemerkungen mit denen Regisseur Stallone die Rockydarstellung leicht relativiert, aber so richtig ernsthaft versucht er nicht an dem Heiligenschein von Rocky kratzen – obwohl Rocky ja schon ziemlich blöd ist, da er – genau wie alle anderen auch - auf die journalistischen Gedankenspiele hereinfällt.
So weit und so langweilig plätschert der Film vor sich dahin. Aber dann –
Showdown
Fängt der Boxkampf an. Und wie durch ein Wunder ist der alte Glanz wieder da. Während Michael Buffer (ja, der Echte) den Boxkampf anmoderiert, lebt der alte Zauber wieder auf und Rockys Stärken treten in den Vordergrund. Plötzlich ist alles wieder da: Rockys Kämpfernatur, sein Einsteckvermögen, seine Durchhaltekraft und sein unglaublicher Wille.
Dann schließt man ihn sofort wieder in sein Herz und leidet mit ihm mit.
Man kann sich eigentlich gar nicht logisch erklären, weshalb man in diesem Moment Rocky den ganzen vorherigen langweiligen Film vergibt – aber das ist wohl das Magische an Rocky.
Wie gesagt, es folgen 20 Minuten bestes Boxen (das Boxergebnis wird hier natürlich nicht verraten) und dann kommt quasi wie eine Krönung zum Abspann der gigantische Filmsong „Gonna fly now“ von Bill Conti. Da dürfen dann auch echte Männer feuchte Augen kriegen.
Ach denkt man. Wenn doch der ganze Film dieses Tempo und diese Kraft gehabt hätte. Doch leider fehlen alle diese Elemente in den 3 Vierteln vor dem Schluss.
Schade eigentlich. Rocky Balboa hat gute Zutaten aber die meiste Zeit brät er zu viel im eigenen Saft (Hauptdarsteller, Drehbuchautor, Produzent, Regisseur: Sylvester Stallone - Widerspruch zwecklos ...)