Wenn sich eine erfolgreiche Schauspielkarriere seinem Ende zuneigt, dann möchte so mancher einen runden Abschluß.
Das ist im Fall von Sylvester Stallone, dem Paradebeispiel für Auf und Abs, nur um so verständlicher, da er seine größten Erfolge nun mal schon vor geraumer Zeit und in zwei Filmreihen feierte, mit denen er auf der ganzen Welt identifiziert wird.
Es war also höchste Zeit, noch einmal den Boxer Rocky Balboa aus der Kiste hervorzukramen, dessen Saga im Jahr 1990 mit einem kleinen Flop unterbrochen wurde, der den Fans aufgrund seiner Serienuntypischkeit gar sauer aufstieß.
16 Jahre später ist Stallone ruhiger und versöhnlicher geworden und will offensichtlich Frieden mit seinen Figuren schließen und weil Boxer in den letzten Jahren auch jenseits des fünfzigsten Lebensjahres große Erfolge zu verzeichnen hatten, konnte Balboa rechtschaffend ein letztes Comeback feiern.
Rocky ist mit „Rocky Balboa“ also für einen Schwanengesang zurück.
Niemand kann sagen, dass der Film unbedingt notwendig gewesen wäre, es handelt sich wohl hauptsächlich um einen Art Liebhaberstück für Nostalgiefans, das keinesfalls auf Innovation gebaut wird.
Viel Zeit ist in der „Rocky“-Realität vergangen: Adrian, seine Frau ist an Krebs verstorben; sein Sohn, inzwischen erwachsen, hat sich in seinem Schatten ihm entfremdet; der große Boxer lebt fast ausschließlich in der Vergangenheit, was sich auch in seinem kleinen Restaurant äußert, dass er durch seinen vergangenen Ruhm am Leben erhält.
Back to the roots, könnte man sagen, denn „Rocky 6“ knüpft genau dort an, wo die ersten beiden Filme endeten, ehe die Reihe den Abstecher in die filmische Gigantomanie nahm.
Die Welt hat sich verändert, die Figuren nicht, will uns dieser Film sagen. Philadelphia ist noch da, das Rockydenkmal ist demontiert, aber die alten Straßen liegen in Trümmern – doch der Überlebenswille ist intakt.
Noch einmal sieht sich Stallone als aufrechter Verteidiger des Durchhaltewillens, ein unerschütterlicher Optimist, trotz seiner limitierten geistigen Fähigkeiten (seine Hirnerkrankung aus dem fünften Film wird hier ignoriert), derjenige, der alle mitreißen kann, wenn es um das Richtige geht.
Stoisch rekapituliert der Hauptdarsteller praktisch deckungsgleich den ersten Film, zitiert ausgiebig die eigene Filmgeschichte. Wieder lernt er eine Frau kennen, diesmal eine Jugendbekanntschaft, erwärmt ihren Sohn für etwas anderes als den üblichen „street style“, lockt seinen Schwager Paulie aus der gemütlichen Depression und überzeugt am Ende sogar den Sohn, ihn zu seinem letzten Kampf zu begleiten. Dazu gibt es reichlich nostalgisches Gerede, viele Blicke auf die Stadt der Brüderlichkeit, lakonische Dialoge aus den 70ern und ein bisschen Pathos.
Nimmt man den Film als Solostück ohne die Vorgeschichte, wäre der Eindruck sicherlich irgendwo zwischen peinlich und naiv einzuordnen, doch dafür hat Stallone den Film nicht gemacht…sondern für sich. Wir dürfen nur mit dabei sein, wenn wir wollen – und das ist die einzige Entscheidung, die jeder für sich treffen muß bei Ansicht.
Hier feiert einer Abschied und sich selbst und es ist mehr als bemerkenswert, dass er damit genau den richtigen Ton trifft, ohne das es grausam wird.
Folgerichtig inszeniert er dann auch den inneren Antrieb als eine Art Besessenheit, die er endlich loswerden muß und der Boxkampf wird am Ende zu einer persönlichen Form des Exorzismus, mit dem Stallone als Spieler und Rocky als Figur endlich ihren Frieden machen können.
Stallone übertreibt es zum Glück in den wenigsten Szenen, am allerwenigsten bei Training und Kampf, die er traditionell, aber knapp hält. Der Kampf wird erfreulicherweise nicht durch akustische Supereffekte zum Gigantenfight aufgeblasen und der Ex-Champion feiert auch keinen triumphalen Sieg. Stattdessen ein bisschen mehr Nähe zum echten Boxen und ein Gegner, der nicht nur der „bad guy“ ist.
Zum Schluß verabschiedet sich der Champ gleichzeitig bei zweierlei Publikum, dem in der Arena und dem im Kinosaal und gibt die Triumphpose, die endlosen Treppenstufen zur Uni Philadelphia erklommen zu haben, als Allgemeingut für alle frei.
Und während der Schlußtitel steht der große Kämpfer allein dort und blickt auf die dämmrige Stadt, der er soviel verdankt.
All jenen, die in diesem reinen Nostalgietrip sich nicht zu schade waren, noch einmal den Schauer zu spüren und sich ein Tränchen der Rührung zu verdrücken, geht es sicher ähnlich.
Mir jedenfalls schon. (8/10).