Sylvester Stallone hatte schon immer ein gutes Timing für seine Themen. Als er den ersten Teil seines Epos über den Underdog-Boxer Rocky Balboa heraus brachte, lag er genau richtig mit seinem Plädoyer dafür, niemals aufzugeben und auch aus widrigen Umständen das Beste herauszuholen.
Damals Mitte der 70er Jahre war der Vietnamkrieg verloren, Nixon mußte auf Grund der Watergate-Affäre zurücktreten und alle ,die kritsche Filme zu diesen Themen herausgebracht hatten, wurden bei der Oscar-Verleihung abgewatscht. Den Leuten reichte es, sie wollten nichts mehr davon hören und so traf Stallone mit seinem Rückzug ins Private - genauer in die kleine Welt der Industriestadt Philadelphia - den Nerv seiner Zeit.
Dabei ist ihm zugute zu halten, daß er nicht blind auf die patriotische Schiene gesetzt hatte und auch kein geschöntes Amerika zeigte, sondern durchaus realistisch blieb. Nur hörte er mit der ständigen Selbstkritik auf und zeigte, daß man sich auch wieder selbst am Schopf aus dem Sumpf ziehen kann. Intellektuell kann man diese Haltung bemägeln, da sie eine kritische Bestandsaufnahme verhindert, aber menschlich war das schon immer naheliegender.
Genau so menschlich ist seine Figur Rocky angelegt, die uns jetzt nach jahrelanger Abstinenz wieder beehrt. Rocky ist ganz der Alte geblieben - ein bodenständiger Typ mit einfachen Philosophien und ohne den Hang zu Selbstzweifeln. Er ist seiner Heimatstadt treu geblieben, ist freundlich zu Jedermann und lebt ein bescheidenes Leben, jenseits von Luxus, Starkult und Borniertheit.
Genau diese Eigenschaften zeichnen den amtierenden Box-Weltmeister aus, der deshalb trotz dauerhafter Erfolge keine Identifikation beim Volk erreicht .Als in einer Fernsehsendung ein Computer errechnet, daß ein Rocky in der Stärke von vor 30 Jahren besser wäre als der aktuelle Weltmeister, nimmt dieser diese Behauptung zum Anlass, Rocky einen Show-Kampf anzubieten.
Und trifft damit genau dessen Nerv, denn Rocky leidet trotz aller sonstigen Zufriedenheit unter der nach dem Tod seiner geliebten Ehefrau wachsenden Einsamkeit und Leere in seinem Leben. Er möchte sich noch etwas beweisen und hatte deshalb eine neue Box-Lizenz beantragt.
Auch diesmal stimmt wieder Stallones Timing, denn sein Film zeigt nicht nur wieder eine Figur, die sehr vertraut ist, sondern der gesamte Charakter des Films, seine Gesprächigkeit, seine Konzentration auf dass einfache Leben in Philadelphia mit seinen alltäglichen Konflikten, ist eine punktgenaue Rückkehr zu den guten alten Zeiten.
Abseits von aufgemotzter Action, von hochtrabendem Luxus und aufregenden Location, zeigt uns Stallone, daß manchmal ein direktes Gespräch, in dem einfache Ziele und Ansprüche gestellt werden, weiter hilft, als ewige Sitzungen beim Therapeuten. Rocky ist sozusagen die Verkörperung dafür, einfache Lösungen zu finden und so wird er letztendlich der Heilsbringer für seine gesamte Umgebung - die alten Freunde, die ihn auch hier wieder begleiten - den Sohn, der auf Abwege (Richtung schnöder Mammon) gekommen ist ,und das Mädchen, dem er schon vor 30 Jahren geholfen hat und das auch mit Mitte 40 noch seine Hilfe braucht.
Für diese Geschehen läßt sich der Film viel Zeit, bis er zum eigentlichen Höhepunkt, dem Boxkampf ,kommt. Wirklich neu und innovativ ist in "Rocky Balboa" nichts und es bedarf unbedingt einer Identifikation mit dem alternden Boxer, damit dieser Film seine Faszination entfaltet. Dann aber kann Rocky mit etwas punkten, was kaum einem Sportfilm gelingt. Der abschließende Boxkampf erzeugt tatsächlich echte Spannung - man fiebert regelrecht mit Rocky mit.
Trotz dieser positiven Aspekte kann aber nicht übersehen werden, daß Rocky Balboa - jenseits aller Fanbegeisterung - äußerst konventionelles Kino ist. Die Story wird geradlinig erzählt und ist wenig abwechslungsreich. Die Inhalte sind nur deshalb originell, weil sich schon seit Jahrzehnten Keiner mehr traut, mit so viel Blauäugigkeit, so uralte Weisheiten unters Volk zu bringen. Und die Charaktere sind alles andere als vielschichtig - hier wird ganz bewußt auf Wiedererkennung und Vertrautheit gesetzt.
Fazit : "Rocky Balboa" stellt den Abschluß der "Rocky"-Reihe dar, in dem er quasi wieder auf seine Anfänge zurück kommt. Das gilt nicht nur für die Story als solche mit dem scheinbar chancenlosen Außenseiter, sondern für den gesamten Habitus des Films. Charakterzeichnung, Tempo, inhaltliche Betrachtungen und die Einfachheit der Lebensphilosophie ist eine Blaupause des ersten Teils - sympathisch und vertraut, aber filmisch keine Glanzleistung.
Für Fans sicherlich ein Fest und auch ich fühlte mich wieder in die Mitte der Familie zurückgeholt, quasi Daumen drückend am Ring stehend. Aber das kann nicht darüber hinweg täuschen, daß nur der große zeitliche Abstand zum Original Teil 6 zu diesem Gefühl verhilft, wirklich Neues hat Stallone nicht zu bieten (5/10).