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Ende der 60er Jahre steckte die Bond-Reihe erstmals in der Krise. Obwohl die Kasse durchweg klingelte, ging es mit der Serie qualitativ ("Feuerball" und "Man lebt nur zweimal") bergab. Den Produzenten stiegen die Haare zu Berge, als dann auch noch Sean Connery - das Zugpferd der Bond-Reihe - den Dienst als 007 quittierte. Während sich die Welt wieder langsam an eine Welt ohne jährliches Bond-Abenteuer gewöhnte, suchte man bei United Artists verzweifelt nach einem Connery-Nachfolger.

Man fand den neuen Bonddarsteller in dem australischen Model George Lazenby, der vorher bestenfalls in Werbefilmchen zu sehen war. Und nicht nur der Darsteller war ein anderer, auch der Bond war ein anderer. "See the different Bond" hieß es in den Trailern zu dem sechsten Bond-Abenteuer. Und es stimmt: Aus dem coolen Alles-Flachleger ist ein verliebter Duselkopf geworden, der für Bond-Verhältnisse ziemlich sülzig daherredet, wenn er um seine Geliebte wirbt. Vielen war das zu viel, aber warum darf sich bitte ein Bond nicht verlieben? Dem Film an sich, und der Serie tut der kleine romantische Ausschwenker jedenfalls nicht weh. Im Gegenteil. Vorurteile zerstören die den meisten Zuschauern den wahren Genuss des Films. Denn "Im Geheimdienst ihrer Majestät" - sei der Bond noch so ungewöhnlich im Rüschenhemd - ist einer der besten Bondfilme überhaupt!

"Dem anderen wäre das nicht passiert!" So leitet sich Lazenby in das neue Bond-Abenteuer ein. Das erste und einzige Mal, dass die Bond-Serie die berühmt-berüchtigte "fourth Wall" durchbricht, und sich direkt auf den Ausstieg Sean Connerys bezieht. Und genauso geht der Film auch weiter: Nostalgisch. Nicht nur die Haupttitel, die Szenen aus allen vorangegangenen Filmen beinhalten, sondern auch die Szene, in der Bond seine Sachen in seinem Büro zusammenpackt, sind eine schöne Verbeugung vor der Connery-Staffel. In der letzteren Szene sehen wir Bond, wie er verschiedene Mitbringsel aus "Dr. No", "Liebesgrüße aus Moskau" und "Feuerball" zusammenpackt, dazu erklingt die jeweilige Melodie des Films. Auch die erste Szene mit Lazenby ist eine direkte Kopie aus der ersten Connery-Szene in "Dr. No" (Zigarette im Mund). Und wenn gegen Ende von "M" auch noch die "Goldfinger"-Affäre genannt wird, dann haben wir bald alle Filme durch. Auch die Geschichte nimmt direkten Bezug auf das vorige Bond-Abenteuer: Denn Bond ist immer noch hinter Ernst Stavro Blofeld her, der diesmal vorzüglich durch Telly "Kojak" Savalas dargestellt wird. Hilfe bekommt Bond diesmal durch den Millionär Marc Draco (Gabriele Ferzetti, bekannt aus "Spiel mir das Lied vom Tod"), in dessen Tochter, Terese DiVincenzo (Diana Rigg), sich 007 verliebt hat.

Diana Rigg ist fantastisch als Bondine - vermutlich auch die beste Bond-Gespielin aller Zeiten. Und gerade das Zurückbesinnen auf den Mensch Bond ist die große Stärke des Films. Sicherlich: Seinen britischen, trockenen Humor hat er nicht verloren, und es gibt immer noch genug halsbrecherische Action und üble Spannung, aber dennoch wird der Charakter des James Bond nicht so vernachlässigt, wie in "Feuerball" oder "Man lebt nur zweimal". Hier stimmt einfach alles. Die romantisch-süßen Liebesszenen zwischen Bond und Tracy, wunderbar unterlegt mit Louis Armstrongs "We have all the Time in the World", als auch die wilden Verfolgungsjagden zu Fuß, im Auto, auf Ski oder im Bobgefährt.

"Im Geheimdienst ihrer Majestät" besitzt aber auch eines der stärksten Enden. Nicht nur, dass es erstmal Bond-typisch ordentlich Krawumm in der Basis des Bösewichts machen muss, es kommt auch noch zu einer genial gefilmten Verfolgungsjagd zwischen Bond und Blofeld. Und selbst danach ist noch nicht Schluß! Die Überraschung: Bond kündigt Ihrer Majestät Secret Service und heiratet! Diese letzten, sentimentalen Szenen werden aprubt, durch Blofeld Racheakt, ausgeführt durch Irma Bunt (böse: Ilse Steppart) unterbrochen. Gerade auf dem Weg in die Flitterwochen, wird die hübsche Tracy bereits getötet - schließlich muss Bond wieder im nächsten Bondfilm im Dienst als 007 stehen... Diese letze Szene gehört wohl zu den emotionalsten, traurigsten Sequenzen in der ganzen Reihe. Nie war Bond wirklich so niedergeschlagen.

Also, warum war "Im Geheimdienst ihrer Majestät" kein Erfolg? An George Lazenby kann es nicht gelegen haben, der spielt den Bond hervorragend, und besser als Connerys Ausrutscher aus "Feuerball". Es war eher die Bond-Überflutete Zeit, in der er dummerweise veröffentlicht wurde. Die Welt war überschwemmt mit europäischen Plagiaten der Bondreihe, und die meisten fuhren lieber nach Woodstock, als sich noch einen Bondfilm anzusehen.

"Im Geheimdienst ihrer Majestät" gehört definitiv zu den drei besten Bondfilmen, die je gedreht wurden. Trotz der ungewohnten Story schafft es kaum ein anderer Bondfilm den gewagten Balanceakt zwischen Humor, Action, Atmosphäre, Bond'scher Charakterzeichnung (in diesem besonderen Falle würde man noch Romantik addieren müssen) so locker und unterhaltsam zu meisten. Und das trotz dessen, dass "O.H.M.S.S." der längste aller Bondfilme ist!

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