Aschenputtel im Haute-Couture-Land!
So oder anders könnte man „Der Teufel trägt Prada“ gepflegt in ein Klischeeschublädchen durchleiten, die garantiert noch nie dagewesene Geschichte von der unerfahrenen Maid, die in einer harten Business-Umgebung sich nach Anfangsschwierigkeiten durchsetzt und Erfolg hat, darüber jedoch vergisst, wo sie herkommt.
Hier ist es „Plötzlich Prinzessin“ Anne Hathaway, die ihre Erfolgsstory nach den zwei Adelsfilmen mit ähnlichem „Fish-out-of-water“-Materia fortschreiben darf. Als studierte Arbeitslose strandet sie als zweite Assistentin bei der Königin der Modejournaille Miranda Priestly und muß dort nicht nur gegen ihre offensichtliche Modeunkundigkeit ankämpfen, sondern auch gegen die unmenschlichen Arbeitsbedingungen, die totale Aufopferung verlangen. Der Erfolg frisst seine Kinder.
Ja ganz recht, das gabs auch schon für Männer, damals hieß das Ganze „Wall Street“ und Charlie Sheen kämpfte erst für und dann gegen den Hai im Karpfenteich Michael Douglas.
So eine Figur gibt es hier auch, nämlich die betreffende Miranda, dargestellt von Meryl Streep mit einer Mischung aus arroganter Nonchalence und eiskalter Menschenverachtung – das bürgt für Qualität.
Folgerichtig stürzt die arme Andy, die nicht dumm, aber total ahnungslos ist, in einen Strudel der Modewelt, gerät Machtkämpfe, begeht Bekleidungstodsünden und sieht sich den Sklavenarbeiten einer übermächtigen Chefin ausgesetzt.
Das geht nicht ohne Witze und Peinlichkeiten ab, ehe sich die Neue durchsetzen kann, woraus der Hauptunterhaltungswert bezogen wird.
Was „Der Teufel trägt Prada“ jedoch ein bisschen besser macht, als die üblichen Vertreter dieses Untergenres, ist sein Umgang mit dem Stoff.
Natürlich endet auch dieses Märchen damit, das sich die Heldin auf ihre wahren Ideale besinnt und die Eiskönigin und ihre hermetische Modewelt zurücklässt und das ist auch nicht sonderlich originell (vor allem in allen Entfremdungsszenen der Hauptfigur, die scheinbar vom Reißbrett stammen) – aber dennoch sind tendenzielle Unterschiede bemerkbar.
Da wäre zunächst Meryl Streep, die das Chef-Monstrum sehr nuanciert spielen darf und das ist in jeder Szene ein Genuß. Hier wird Bösartigkeit nicht aus purer Funktionalität in das Skript integriert, Miranda erscheint überraschenderweise als komplette Figur (wenn auch nicht besonders menschlich).
Obwohl das Buch so angelegt ist, dass die beiden Hauptfiguren niemals interagieren (Andy befolgt im Film lediglich Mirandas Anweisungen, es kommt über die volle Laufzeit nie zu so etwas wie einer wirklich persönlichen Kommunikation, selbst als Miranda gegen Ende angesichts einer erneuten Scheidung die Maske fallen lässt, reagiert Andy mit stummem Erstaunen auf das geöffnete Visier), behalten geschickterweise beide Persönlichkeiten ihre Existenzberechtigung, verschwimmen Gut- und Böse-Schemata zugunsten der individuellen Zielvorstellungen.
Schon früh entkräftet der Film, das das Mode-Gehampel hier der Lächerlichkeit preisgegeben werden könnte, in einer Szene, in der Miranda Andy wegen ihres relativ billigen Pullovers brüskiert, indem sie ihr so empört wie ruhig wie beleidigend erklärt, wieso das Kleidungsstück azurblau ist und welchen Weg diese Farbe in den Jahren zuvor durch die angesagten Kollektionen gegangen ist, um schließlich für die Billigmode aufgegriffen zu werden. Miranda macht Andy dabei dermaßen geschickt wie informativ runter, das man für ihre Position und Funktion automatisch Verständnis empfindet, egal wie scheußlich sie sich verhalten hat.
Dreh- und Angelpunkt sind in diesem Fall die totale Hingabe an den Job – und das Wissen, was man persönlich will. Eine Karriere in der Modebranche (die Andy gar nicht vorhat, ehe sie damit Erfolg hat), zeitigt hier komplette Selbstaufgabe der sonstigen Persönlichkeit und des Privatlebens, ein temporäres Leben wie ein Hund, mit der Aussicht auf einen lebenslangen Platz an der Sonne. Daß damit eine gewisse Unmenschlichkeit einher geht, wird Andy erst im Laufe der Handlung deutlich, anders als Douglas in „Wall Street“ (der Sheen das wörtlich in der Mitte erklärte), lernt Andy ihre Lektionen nach und nach – bzw. sie werden ihr erklärt, sobald sie sie durchgemacht hat.
Somit plädiert der Film dafür, sich zu entscheiden, wer man ist und was man sein will, ein klassisches Thema, das aber hier die typische Schwarz-und-Weiß-Abgrenzung vermeidet.
Die Modewelt wirkt hier glamurös, reizvoll und schön, aber alles hat seinen Preis und man sollte sich entscheiden, ob man ihn zahlt.
Und dass die Story die Integrität ihrer Figuren nicht verletzt, ist damit das höchste Gut, das er vermitteln kann.
Natürlich ist letztendlich alles im Sinne der Unterhaltung angelegt; eine Episode, in der Andy, um ihren Job zu retten, das 7. und letzte Harry-Potter-Manuskript besorgen muß (und es schafft), ist sogar geradezu albern lächerlich, grundsätzlich meißelt der Film seine Komik jedoch aus einem sehr realen Fundament und erschafft somit überlebensgroße Figuren, aber niemals Karikaturen.
Streep ist wunderbar leise und gebremst, wo andere dem Overacting verfallen wären, Hathaway hat genug Substanz, um auf ihre Weise dagegen zu bestehen, ohne zum Mäuschen zu werden.
Leider sind, wie bereits erwähnt, die Folgen des Jobs aus der Klamottenkiste – und der Film verkauft sein Sujet so geschickt, dass man nicht tadelnd den Kopf schüttelt, dass sie das mit sich machen lässt und Freund und Freunde vernachlässigt, sondern im Gegenteil leicht verärgert reagiert, dass diese so unflexibel auf die Chance reagieren.
So schafft es David Frankel (überdeutlich mehrfacher „Sex and the City“-Regisseur), Konfektionsware aufzufrischen und mitsamt der üblichen peinlichen Situationen, komischen One-Liner und bissigen Wortgefechten als überaus brauchbare Unterhaltung zu präsentieren.
Als Film mag „…Prada“ nicht gerade Haute Couture sein, aber er hat sich so schick rausgeputzt, wie es nur eben möglich war. (7,5/10)