Eine Raunen geht um die Post-Michael-Moore-gestählte Welt, da hat doch wieder mal jemand was ganz, ganz Böses gewagt und eine Badewanne voll Kakao gefüllt, durch die man die amerikanische Nation ziehen kann.
Angeregt durch ein paar selbstentblößende Clips und Trailer scharrt der halbe Globus mit den Füßen, um zu erfahren, was Sasha Baron Cohen, vormals als Ali G bekannt, in seiner Zweitinkarnation „Borat“ wohl ausgebrütet hat und alle denken: Dat muß ein dolles Ding werden.
Das Ergebnis indes, fällt weitaus bescheidener aus, als es zu wünschen gewesen wäre.
Cohen hat da einen Film gedreht, der eine Menge Wind machen wird, aber es wird ein lauer Darmwind sein, ohne nachhaltige Wirkung.
Dabei war das Rezept durchaus vielversprechend.
Cohen spielt als Borat den Reporter der rückständigen Nation Kasachstan, der in die USA entsandt wird, um von diesem hochentwickelten Land zu lernen – doch es entpuppt sich als intellektuelles Entwicklungsland.
Die Clips gaben uns schon mal einen perfiden Vorgeschmack dessen, was da folgen sollte.
Feministinnen ohne Humor, eine Terrorkriegbrandrede bei einem Redneck-Rodeo, schwulenfeindliche Parolen und beleidigte Pfarrersfrauen beim Old-School-Dinner.
Doch der Film bzw. Cohen löst seinen eigenen Anspruch niemals ein.
Wo man bösartige Satire erwartet, setzt er immer auf den billigsten Joke, betont das Offensichtliche, lässt die geistigen, sozialen und moralischen Defizite entblößend für sich selbst stehen, ohne sie zu kommentieren.
Dennoch sind diese im semidokumentarischen Stil gedrehten Echt-Passagen noch das Beste an dem Streifen, denn anders als etwa der eher provokante Michael Moore, der aus seinen Gesprächspartners das heraus presst, was er seiner Meinung nach hören will, setzt Cohen auf die Ignoranz der Leute gegenüber jemanden, der anscheinend noch dümmer ist als sie.
Meistens ist er am besten, wenn er zu dem irritierenden Geschehen einfach schweigt oder es mit Blicken kommentiert, dann funktioniert es als beizende Sozialsatire noch am besten, wie etwa bei der ultrareligiösen Erweckungsveranstaltung.
Doch noch viel öfter brüskiert er den Film mit den Niederungen modernen Grossouthumors aus der Toilettensparte, der nun wirklich auch den letzten Funken Originalität eingebüßt hat.
Immer wieder wird aufs Niederste auf sexuelle Abartigkeiten (Geschlechtsverkehr mit dem zurückgebliebenen Bruder, der Schwiegermutter, Patenkindern, Haustieren) herumgeritten, bestreiten Fäkalien die Kontroverse.
In der offensivsten Szene wälzt sich Cohen nackt minutenlang in einem Fight mit seinem ebenfalls nackten, überfetten Producer durch ein Hotelzimmer, vorzugsweise in 69er-Position, so dass die Kamera ausgiebig darauf herumreiten kann, dass den Darstellern die Geschlechtsteile des jeweils anderen durchs Gesicht schlackern.
In diesen regelmäßigen Momenten setzt der Film leider Gottes nur spekulativ auf ein sensationsgeiles Publikum, nach neuen Tabubrüchen auf Film geifernd. Da wird „Borat“ zum Altar für all die bedauernswerten Massen, die fiebernd das Internet auf der Suche nach Filmen durchstreifen, in denen Typen gleichzeitig pinkeln und sich bekotzen oder ihren Dödel in der Balkontür einklemmen.
Hier feiert der innere Vierjährige dann sein ganz persönliches Fest, setzt Cohen auf geistige Infantilität statt auf Biß oder auch nur verspielte Kindlichkeit und liefert dem Humor-Cro-Magnon im Volke neuen Stoff zum Grölen.
Wobei die ständigen Herabsetzungen des fiktiven Kasachstans wirklich als volksschädigend angesehen werden können, denn so degeneriert wurde selten ein Land in einem Film gezeigt.
Auch geschmäcklerisch ist das Ergebnis mancher Witze diskutabel. Daß sich Juden über Juden lustig machen, sollte zwar inzwischen weltweit akzeptiert sein (und Cohen ist natürlich selbst Jude), bisweilen überspringt hier das Ergebnis auch die Grenze zum Erträglichen (etwa wenn Borat in einer Bed-and-Breakfast-Pension bei älteren Juden übernachtet und nach der Bewusstwerdung desselben glaubt, man wolle ihn vergiften, bis die unter der Tür durchkrabbelnden Käfer für das sich verwandelte Judenpaar gehalten wird und mit Geldwürfen besänftigt werden soll).
Daß der Film tatsächlich so etwas wie einen Plot hat, macht ihn leider nicht besser, denn die Fahrt quer durch die Staaten auf der Suche nach Pamela Anderson ist nun wirklich eins der abgeschmacktesten Ziele, die die Filmdeppenwelt je gesehen oder schon Dutzend Mal verwendet hat.
Als Montage der Realszenen würde der Film durchaus noch einigen Appeal besitzen, aber die provozierten Lacher wirken eher peinlich berührt, dass man so etwas als Zuschauer auch noch ertragen muß.
Im Ganzen nur knapp 80 Minuten lang provoziert „Borat“ damit mehr Blicke auf die Uhr als wirklich bösartige Unterhaltung, was schade ist, denn das Konzept versprach eine Menge und eine Kommentierung der in den USA herrschenden Zustände wäre wünschenswert und komisch gewesen – vor allem da Cohen scheinbar kein Schamgefühl kennt und somit eine beachtliche Leistung hinlegt.
Auf die vorliegende Art ist das aber nur ein weiteres Tauschobjekt für alle, die mittels solcher Tabubrüche eigene Unzulänglichkeiten mittels lautem Gelächter kaschieren möchten, indem sie „Borat“ als „das neue heiße Ding“ darstellen.
Und merken damit nicht, dass sie so noch ärmer sind, als die Tröpfe, die Cohen hier in ihrer eigenen Blödheit stehen lässt. (3/10)