Endlich mal ein Film, der mehr Fragen aufwirft, als er beantwortet, allein für diese Tatsache sollte man „Donnie Darko“ dankbar sein. Schon vor drei Monaten begutachtet, hab ich den Film in meiner Erinnerung reifen lassen, um zu dem unausweichlichen Schluß zu kommen, daß man den Film weder verstehen noch erklären kann – Richard Kellys Film entzieht sich jeder schlüssigen Deutung und präsentiert sich lieber als Projektionsfläche für den Zuschauer, der aus einem Schatzkästchen von Genres und Stilrichtungen seine ganz persönlich Deutung heraussuchen kann, ohne den Anspruch der Gültigkeit beweisen zu müssen oder zu können.
Collagenhaft verwebt das Drehbuch SF-Elemente wie Zeitschleifen und Wurmlöcher mit einer simplen Coming-of-Age-Story eines psychisch bereits belasteten Jugendlichen in den 80er-Jahren. Daß da noch passende Musik, Horror-Elemente und dramatische Spitzen hinzukommen, erklärt sich aus der Mischung fast von selbst.
Erzählerisch legt Richard Kelly jedoch nur ein schleppendes Tempo vor, inszeniert den Film farbintensiv und fast überbelichtet mit dem hitzeglühenden Weichzeichner, den nur ein superheißer Sommertag hervorbringen kann. Das gibt dem Film den Look eines endlosen Fiebertraums, wenn zwischendurch Bewegungen unvermittelt zur Zeitlupe werden und gewisse Details betont ins Bild gerückt werden.
Gleichzeitig erzeugt dies eine bizarre latente Unwirklichkeit des Geschehens, die durch die Geschehnisse noch verstärkt werden, wenn etwa Flugzeugtriebwerke durch Zimmerdecken stürzen und man mit einem 2-Meter-Plüschhasen mit metallischem Totengesicht im Kino „Tanz der Teufel 2“ betrachtet.
Kelly visualisiert hier seine ureigenste Sicht der 80er Jahre, die sich im Look, in der Kleidung und der Musik wiederspiegeln. Donnie selbst, dessen psychische Probleme nicht näher erläutert werden (vermutlich simple teenage angst) ist ein Außenseiter, ein abseitiger Drifter, zumindest rein optisch, ein bisweilen träger, bisweilen hochaktiver Junge, der ebensowenig aufgeschlüsselt werden kann, wie der Film an sich. Der Wiedererkennungseffekt bedingt dabei die Mitarbeit des Zuschauers, denn für eine genaue Abbildung des suburban lifestyle ca. 1985 nimmt er sich nicht die Zeit. Dafür hat er zu viel zu erzählen.
Was er erzählt, ist dabei nicht immer schlüssig, aber es ist bizarr und intensiv, das scheint zu genügen. Damit ist „Donnie Darko“ nichts für Leute, die von Filmen eine detaillierte oder leicht durchschaubare Deutung verlangen. Vielmehr muß man den spekulativen Reichtum der Story zu schätzen wissen, die schiere Wahnwitzigkeit der Ereignisse und ihre spektakulären Folgen.
Im Wesentlichen geht es um den Weltuntergang, hervorgerufen durch ein Wurmloch, welches eine Zeitschleife produziert hat. Die Verhinderung dieses Ereignisses schwebt als Menetekel über dem ganzen Film, wird zu Donnies Berufung und gleichzeitig zu seinem Untergang. In den Schlußszenen muß er sich für etwas entscheiden, dessen Folgen ihm nicht ganz klar sind, allenfalls der Zuschauer hat eine Ahnung, welche Auswirkungen die Geschehnisse haben werden.
Dabei ist der Film relativ mutig im Umgang seiner Geschichte: einerseits rettet Donnie die Welt und seiner Freundin (die ihn künftig nicht mehr kennen wird) das Leben, andererseits geht ein Kinderschänder mit Pornoambitionen erst mal weiter unentdeckt seinen Geschäften nach. Aber es geht Kelly eh nicht darum, über seine Figuren zu urteilen, einen Moralkodex aufzustellen oder die Bösen zu bestrafen, dafür verläßt er sich zu sehr auf die Unberechenbarkeit des Schicksals. Und so streift uns das Panoptikum aus Schülern, Nachbarn, Lehrern und Lehrerinnen, Eltern und Fremdpersonen wie ein irrlichterndes Panoptikum – Momentaufnahmen aus dem Leben, ziemlich treffend geraten.
Was dem Zuschauer bleibt ist blankes Erstaunen ob der Reichhaltigkeit und Fülle der Geschichte und die Erinnerung an einige Szenen von besonderem Einfallsreichtum wie die bereits oben geschilderten, der Konfrontation von Donnie und dem Hasen Frank vor dem Spiegel oder der Partysequenz mit den Wurmfortsätzen.
Leider bietet der Film seine interessantesten Ansätze in der bisher präsentierten Form nur rudimentär dar. Auch ohne zwingende Erklärungen würde man sich wünschen, die Zeitreisetheorie sei ein wenig geschickter und ausführlicher in den Film eingearbeitet worden, genauso wie ihre Autorin. Auch beschleicht einen das ständige Gefühl, daß Bruchstücke des Films noch fehlen, auch wenn jetzt schon darüber Gewißheit herrscht, daß die anfallende Frage garantiert auch nicht beantworten werden.
„Donnie Darko“ ist ein kostengünstiger, aber umwerfend reichhaltiger Trip ins Filmland, wo wirklich alles möglich ist und Alpträume wahr werden oder eben wieder nicht. Ob Kelly sein spektakuläres Debut jedoch je auch nur ansatzweise mit den nächsten Projekten wieder erreichen kann, bleibt abzuwarten. (9/10)