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Tsui Ting-Yin (Angelica Lee) ist eine erfolgreiche Buchautorin, die mit ihrem ersten Buch, einer Liebesgeschichte, bereits große Erfolge feiern konnte. Für ihren zweiten Roman will sich Ting-Yin nun an einer übernatürlichen Geschichte versuchen, der sie den Titel "Re-cycle" gibt. Eines Tages taucht eine ehemalige Liebschaft Ting-Yin's überraschend wieder auf, die vieles, was die junge Frau bereits erfolgreich verdrängen konnte, wieder in ihre Erinnerung befördert und sie so für kurze Zeit völlig aus der Bahn wirft. Doch Ting-Yin hat nicht viel Zeit, über ihre verflossene Liebe nachzudenken, denn plötzlich wird sie immer wieder mit schaurigen Ereignissen wie unheimlichen Anrufen und schemenhaften Erscheinungen in ihrer Wohnung konfrontiert.

Als Ting-Yin schon glaubt, den Verstand zu verlieren, findet sie sich plötzlich in einer anderen, düsteren Welt wieder. Von einem alten Mann (Siu-Ming Lau) erfährt sie, dass dies die Welt der Vergessenen ist, in dem sich all das sammelt, was die Menschen in ihrem Alltag wegwerfen. Auf ihrem Weg durch diese unwirkliche, abstrakte Welt wird Ting-Yin von einem kleinen Mädchen (Qiqi Zeng) begleitet, die hier schon lange lebt und ihr mit Rat und Tat zur Seite steht. Zusammen begeben sich Ting-Yin und das Mädchen auf den Weg zur Schleuse, das einzige Portal zur realen Welt. Dabei wird Ting-Yin ebenso mit unvorstellbaren Schreckensszenarien, wie auch mit übernatürlich schönen Bildern konfrontiert und kommt irgendwann zu der grausigen Erkenntnis, was es mit der Welt der Vergessenen auf sich hat..



Die Pang Brüder, Danny Pang und Oxide Pang Chun, gehören zur festen Größe, wenn es um gepflegten Horror aus dem asiatischen Raum geht. Mit "The Eye" schufen sie im Jahr 2002 einen Film, der auf der Welle von "The Ring" oder "The Grudge" schwamm und einen Vergleich zu eben genannten sogar locker standhalten konnte. In den folgenden Jahren führten sie die Arbeit am "The Eye" Universum weiter, versuchten sich auch mal fernab des Horrorgenres und schufen dann mit "Ab-Normal Beauty" ein visuelles, wie auch ansprechendes Meisterwerk, durch das ich sogar erst auf die beiden Regisseure aufmerksam wurde. Letztes Jahr ist dann mit "Re-cycle" das bislang größte und aufwändigste Werk der beiden entstanden, das die Fans der Asiafilmgattung jedoch in zwei Lager spalten dürfte.

Obwohl es auf den ersten Blick nämlich den Anschein hat, ist "Re-cycle" kein typischer Horrorfilm, sondern fügt sich vielmehr in das Fantasygenre ein. Die ersten 30 Minuten allerdings laufen nach altbekanntem Schema ab und ließen mich persönlich sogar ernsthaft an der Qualität des Filmes zweifeln. Eine Buchautorin steht unter Druck, einen neuen Roman, den sprituellen Horrorschocker "Re-cycle" zu schreiben, wird im Laufe der Zeit aber immer mehr selbst mit übernatürlich wirkenden Ereignissen konfrontiert. Bis Ting-Yin in die surreale Welt der Vergessenen eintaucht, vergeht eine, meines Empfindens nach, langweilige halbe Stunde, die mit der Hauptdarstellerin zwar einen interessanten Charakter einführt, alles in allem aber wie ein typischer, schon dutzende Male zuvor gesehener Vertreter des asiatischen Horrorkinos daherkommt. Hier mal ein dunkler Gang, dann gibt es wieder einen unheimlichen Telefonanruf, alles wie gehabt.

Dennoch war diese Einführung nötig, um dem Publikum die nötigsten Fakten über Ting-Yin zu liefern, die sich später noch als wichtig erweisen sollen. Sobald "Re-cycle" dann aber in die Fantasiewelt übergeht, präsentiert er sich als gewaltiger CGI-Kraftprotz, der sich selbst vor namenhaften Hollywoodproduktionen nicht verstecken muss. Hier gehen Einfallsreichtum und eine atemberaubende Umsetzung Hand in Hand und präsentieren dem Publikum ein düsteres Fantasy-Spektakel. Ting-Yin landet in einer Welt, in der sich all das anhäuft, was von den Menschen weggeworfen wurde. Dabei durchläuft sie verschiedene Szenarien. Im ersten befindet sie sich zum Beispiel inmitten zweier riesiger, unwirklicher Hochhausfassaden in deren Mitte ein alter, verlassener Jahrmarkt steht, eine gewaltige Schiffschaukel inklusive. Das nächste Szenario ist dann eine Art Spielzeugland, in dem sich all die von den Menschen weggeworfenen Spielzeuge in dutzendfach größerer Ausführung finden. Es ist einfach atemberaubend, wie Ting-Yin durch eine Umgebung schreitet, in der sich bis zum Horizont nur meterhohe, bedrohliche Spielzeugberge tummeln. Diese Szene hat beinahe schon etwas bedrohliches, apokalyptisches an sich.

Wunderschöne Landschaften mit stolzen Wasserfällen, prächtigen Seen und saftigen Wiesen wechseln sich ab mit albtraumhaften Bildern, die sogleich Erinnerungen an "Silent Hill" wachrufen. Ein absolutes Highlight ist dabei die Sequenz, in der Ting-Yin in einen Brunnen springt und, nachdem sie scheinbar unendlich tief gefallen ist, in einem überdimensionalen Mutterleib landet, in dem sich tausende, von den Menschen abgetriebene Föten befinden. Diese Szene hat durchaus etwas verstörendes, ist visuell aber absolut beeindruckend in Szene gesetzt, wie das komplette Land der Vergessenen. Sei es nun ein Raum, der komplett aus Büchern zu bestehen scheint, oder ein Feld voller Untoter, alles wirkt wie aus einem Traum herausgezerrt und auf Film gebannt.

"Re-cycle" ist wie bereits erwähnt kein Horrorfilm, sondern besteht im Wesentlichen daraus, wie Tsui Ting-Yin einen Weg aus dem unheimlichen Fantasieland finden muss. Dabei wird sie auch mit bereits verdrängten Geschehenissen aus ihrer Vergangenheit konfrontiert, die ich an dieser Stelle jedoch nicht vorwegnehmen möchte. Nur so viel: Der Schlußtwist ist wirklich ergreifend und dürfte nahe am Wasser gebauten Menschen durchaus die eine oder andere Träne entlocken.
Das größte Problem des Streifens ist aber, dass er bis auf atemberaubende Szenarien nicht all zu viel bieten kann. So sind die ersten 30 Minuten außerordentlich öde, und auch im restlichen Film gibt es kaum nennenswerte Spannungsmomente. Blut fließt während des gesamten Streifens kein einziges Mal, was mich jedoch nicht störte. Obwohl "Re-cycle" nie bedrohlich langweilig wird, vermisst man einen Spannungsbogen schon, da der Streifen auf Dauer selbst mit seinen gewaltigen Bildern nicht mehr vollends unterhalten kann.

Es ist sicherlich nicht einfach, einen Film wie "Re-cycle" zu besprechen, ohne dabei wichtige Aspekte zu verraten. Der Fantasyfilm hält eine eindeutige Kritik zu einem sehr brisanten Thema bereit und beschäftigt sich auch sonst mit vielen wichtigen Fragen des Lebens. Der Schauwert steht hier klar über dem Anspruch, doch Denkanstöße wird man dennoch einige finden. Zu den Schaupielern sei letztendlich noch gesagt, dass Angelica Lee, die man schon aus "The Eye" kennt, ihren Part super erfüllt. Anders als man es aus vielen anderen asiatischen Streifen gewohnt ist, bleibt ihr Schauspiel bodenständig und glaubhaft.


"Re-cycle" ist ein schauriges Fantasyspektakel, wie man es gewiss kein zweites Mal finden wird und das sich in Sachen CGI in keinster Weise vor großen Hollywoodproduktionen verstecken muss. Während den 104 Minuten Laufzeit wird man vieles sehen, was einem garantiert nicht mehr so schnell aus dem Kopf geht, doch leider kommt der Film beinahe schon ohne Spannung daher. Die atemberaubenden Welten, die von den Pang Brüdern geschaffen wurden, machen das zwar wieder wett, doch etwas mehr Horror hätte ich mir schon erhofft. Wer gerne mal über den Tellerrand hinausschaut und sich allgemein auch mit asiatischem Kino anfreunden kann, für den ist "Re-cycle" ein unbedingtes Must See.

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