Review

Ting-yin, eine junge Bestseller-Autorin, deren sensibler, feinfühliger Schreibstil die Massen in den Bann zieht, arbeitet gerade an der Fertigstellung ihres zweiten Buches. Wurde ihr erstes Werk noch als Liebesnovelle einer „grauen Maus“ gefeiert, will sich Ting nun dem Paranormalen und Übernatürlichen widmen.
Doch sie kommt mit dem Schreiben ins Stocken: eine verflossene Liebschaft steht plötzlich wieder auf der Matte und reißt alte Wunden auf.
Als sie eines Abends allein in ihrer Wohnung sitzt und keinen Strich aufs Papier bringt, erscheint ihr plötzlich ein Geist. Inspiriert von dem Ereignis beginnt sie zu schreiben.
Doch die mysteriösen Erscheinungen häufen sich und beginnen Ting-yins Realität zu verschlingen.
Wie aus heiterem Himmel findet sich die junge Autorin plötzlich in einer anderen Welt wieder, einer Schattenwelt, die der Vorstellung vom Jenseits sehr nahe kommt. Neben vielen unliebsamen Kreaturen macht sie auch die Bekanntschaft eines kleinen Mädchens, welche ihr helfen will, der Hölle zu entfliehen…

RE-CYCLE, der heiß erwartete Fantasy-Horror von den Pang Brothers („The Eye 1 – 10“, Un-Natural Beauty“) hält endlich Einzug in unsere heimischen Videotheken - toll, dass ich mir gerade letzte Woche die Hongkong-Scheibe ins Haus geholt hat :-P – und katapultiert uns in ein Anti-Nirvana voller pompöser und atemberaubend düsteren CGI-Kulissen.
Wie im Albtraum knallen einem hier harsche Szenenwechsel um die Ohren und so kommt es, dass man sich schnell in einem Nimmerland des Todes wieder findet, in dem die einzige Konstante unsere „Süßes Entlein“-Protagonistin und ihre Geistermädchen-Freundin sind.
Dieses Universum des Grauens – das so genannte Land der Vergessenen und Aufgegebenen („the place where all forgotten and abandoned things go“ - ich hoff’, ich hab’s einigermaßen richtig übersetzt) – wartet mit folgenden ausschweifenden Schreckensszenarien auf:
- ein Labyrinth aus Hochhausruinen
- der Wald der Erhängten
- das Spielzeug-Wunderland der zerbrochenen Gesichter
- die Brücke der lebenden Toten
und zu guter letzt
- im Mutterleib der ungewollten Kinder

Hör’n sich jetzt wie die Namen von den kommenden „Cannibal Corpse“-Alben an, ich weiß. Doch so unheimlich das auch klingen mag, RE-CYCLE ist im Gegensatz zu „Ringu“ oder „Ju-On“ nicht wirklich auf Schocken und Angst einjagen aus - grob gesagt! Ein paar Szenen, bei denen man sich am liebsten die Decke über’n Kopf ziehen möchte, gibt’s nämlich schon, besonders bei den Geistererscheinungen am Anfang, insgesamt ist RE-CYCLE aber kein Film, nach dem man bangen muss, nicht gut schlafen zu können. Dafür sind die Schocks zu ungenau getimet. Dezenter Thrill macht sich aber durchaus breit.
Aber hm, RE-CYCLE hat seinen Schwerpunkt woanders gesetzt. Ab Beginn von Ting-yins Reise ins Horrorland, die so ca. 30 Minuten nach der Titeleinblendung in die Gänge kommt, fragt man sich, warum sie diese Geisterbahnfahrt antritt.

Träumt sie?
Ist sie beim Schreiben zu tief in ihre Phantasiewelt abgetaucht?
Ist sie plötzlich zur Hauptfigur ihres eigenen Romans geworden?
Hat die Karma-Polizei zugeschlagen?
Ist sie irgendwann, ohne dass es der werte Herr Zuschauer oder gar sie selbst gemerkt hat, ums Leben gekommen und stellt sich dann am Schluss heraus, dass sie den ganzen Film über unter dem Skalpell von Doug Ross lag?

Fragen über Fragen, welche, wie gesagt, schon ziemlich früh zu beschäftigen beginnen. Doch – nö nö – der Streifen hat sich’s nicht zur Aufgabe gemacht, den Viewer rasch zufrieden zu stellen und näher kommt man der Auflösung während Tings Irrfahrt durchs Terrortal auch nicht unbedingt. Die Lösung gibt’s erst ganz zum Schluss, wie sehr sie vom Hocker haut, möchte ich aber für mich behalten.
Doch jetzt womit der Film wirklich punktet:
RE-CYCLE lebt nämlich eher nach dem Motto „Der Weg ist das Ziel“. Das beste am Film sind also nicht sein tieferer Sinn (kaum vorhanden), seine nachdenklich stimmende, lebensnahe Moral (nur in groben Zügen vorhanden), sein in der Magengrube pulsierender Nachhall (ist vorhanden) oder seine blutunterlaufenen, Mark und Bein erschütternden Morde (überhaupt nicht vorhanden),
sondern schlicht seine absolut Horror-mäßigen Szenarien und die bombastischen Kulissen, durch die unsere Protagonistin tändelt.
Die Fragen über den Sinn der Reise wirft man nämlich bald über Bord und ergibt sich der atemberaubenden Bilderflut, in welcher dutzend noch nie da gewesene Ideen aufgegriffen werden. Hier wird beispielsweise die These aufgestellt, dass Zombies aufhören, böse zu sein, wenn man ihnen ein Blümchen in die Hand drückt. Nicht schlecht, muss ich auch mal ausprobieren…
Zum Einsatz kommen unzählige Farbfilter, Computer-FX, Giga-Bits und technisch hochwertigste Spielereien…, sprich: Sachen, von denen ich absolut keine Ahnung hab’. Das Bild ist meist in düstere Farben getaucht (toll, wie viele verschiedene Grau-Töne es eigentlich gibt…) und ab und an werden Akzente auf bestimmte Gegenstände (z.B. Blumen) gesetzt… ein kongeniales Gemälde eines Malers mit Todessehnsucht eben, technisch auf höchstem Niveau versteht sich.

Bitte denkt aber jetzt keiner, RE-CYCLE hätte gar keine Handlung. Handlung gibt es nämlich schon. Zwar nicht sehr viel und das Bisschen droht fast an der Last der Bilder und FX zu ersticken, aber immer noch mehr als „El Topo“ und die 100 Minuten, die der Film ca. läuft, langweilt man sich keine Sekunde lang, das garantier ich euch.

Vergleiche fallen mir zu RE-CYCLE viele ein: Er hat ein bisschen was von „Kairo“, „Hinter dem Horizont“ und „Silent Hill“, ein paar Schocks erinnern an „The Eye“, Tings Horrortrip lässt sogar Erinnerungen an die „Interzone“ aus „Naked Lunch“ oder an „das Nichts“ aus „Die Unendliche Geschichte“ wach werden. Doch kein Vergleich trifft den Nagel auf den Kopf, weshalb ich diesen Film auch ohne weitere Umschweife jedem Fan von fernöstlichen Kuriositäten wärmstens ans Herz legen möchte.
Selten wurde nämlich so gekonnt gegruselt und gleichzeitig so feinfühlig auf die Sinne eingegangen. Da fiele mir höchstens noch „Uzumaki“ ein, aber der trifft’s auch nicht genau…

Fazit also:
So was wie die Horror-Version von „Alice im Wunderland“. Zwar fast mehr Fantasy als Grusel, ohne Mädels mit langen, schwarzen, übers Gesicht hängenden Haaren geht aber auch hier gar nix.
Unterm Strich also ein in seinen Bann schlagender Film mit berauschender Optik und einem beachtenswerten Ideenreichtum – kann sich also absolut sehen lassen und sollte auch gesehen werden, damit auch dein Motto bald lautet: „Always Try To Re-cycle!“…

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