„Jedes Wesen hat eine Bestimmung.“
Unter all den Actionfetischisten und Pseudokomikern Hollywoods
gibt es wohl kaum jemanden, der so gut Geschichten erzählt wie M. Night
Shyamalan (und auch kaum jemanden, dessen Name so oft falsch geschrieben wird).
Stets verfasst er selbst das Drehbuch, produziert und führt Regie.
Für den Inder, der aus der Tiefe kam, wurde sein Überraschungserfolg „The Sixth
Sense“ nicht nur zum Segen sondern auch zum Fluch. Denn seitdem versuchen die
Studios unerklärlicherweise jedes seiner Werke auf Teufel komm raus als
Horrorstreifen zu vermarkten – obwohl jene das spätestens seit „The Village –
Das Dorf“ gar nicht sein wollen. Wer dann einen schockierenden Horrorstreifen
erwartet und stattdessen ein Gefühlsdrama mit Mysterytouch sowie
philosophischem Tiefgang serviert bekommt, ist verständlicherweise etwas
enttäuscht. Doch inzwischen sollte sich eigentlich herumgesprochen haben, dass
Shyamalan in erster Linie ein besonnener Erzähler ist.
Seine neue Geschichte „Das Mädchen aus dem Wasser“ („Lady in the Water“)
beginnt zunächst mit einer kurzen Einführung: ein mit kindlichen Zeichnungen
unterlegter Monolog, der von der Beziehung der Menschen zu den geheimnisvollen
Wesen aus dem Wasser berichtet.
Da fühlen wir uns doch sofort gut aufgehoben beim Märchenerzähler und man lehnt
sich entspannt zurück, um der Dinge zu harren, die dem Prolog noch folgen
sollen.
Sie folgen in Gestalt von Cleveland Heep (Paul Giamatti, „Planet der Affen“),
der als Hausmeister für einen Appartement-Komplex zuständig ist. In dieser vor
Normalität triefenden Welt taucht plötzlich eine Wassernymphe (Bryce Dallas
Howard) auf – und zwar mitten aus dem Swimmingpool hinterm Haus! Gegenüber
Cleveland erläutert sie, ihr Name sei „Story“ (wie aussagekräftig …) und sie
sei in diese Welt gekommen, um einen bestimmten Menschen zu erleuchten. „Du
bist es nicht“, stellt sie ziemlich schnell enttäuscht fest und so machen sich
die beiden auf die Suche. Doch viel Zeit haben sie nicht: Finstere
hundeähnliche Raubtiere bedrohen Story und versuchen ihre Rückkehr zu
verhindern …
Zwei Dinge kann man dem Film ankreiden: Die nachdenklichen Dialogszenen hätten
ein klein wenig rarer gesät werden können, um Längen zu vermeiden. Und die
Frage, ob es eine gute Idee von M. Night Shyamalan gewesen ist, die gleichermaßen
wichtige wie tragische Figur des als „Mittler“ fungierenden Schriftstellers
selbst zu spielen, kann klar mit nein beantwortet werden. Mit
Charakterdarstellern wie dem großartigen Paul Giamatti kann er einfach nicht
mithalten.
Doch diese Mängel sind zu verkraften, denn immerhin liegt hier eine
zauberhafte, mit wunderschönen, ruhigen Bildern eingefangene Geschichte vor.
Wirklich Stimmung kommt auf, wenn die unterschiedlichen Bewohner des Gebäudes
versuchen, ihre individuelle Bedeutung in der Geschichte dieses geheimnisvollen
Mädchens zu finden. Mit der Zeit offenbart sich, dass jeder der zunächst nur
als bloße Karikaturen agierenden Charaktere einen besonderen Kniff birgt.
Trotzdem kann man sich nie ganz sicher sein, wer denn nun die wirklich
Wichtigen sind.
Da die Rätselei also mehr im Mittelteil stattfindet, wird auf die in Shyamalans
letzten Filmen stets vorhandene überraschende Wendung am Ende diesmal
lobenswerter Weise verzichtet. Denn so schön ein solcher Schlussgag inklusive
„Das hätt’ ich ja jetzt nicht gedacht“-Effekt auch sein kann, bei zu häufiger
Wiederholung kann er leicht in einen „Was soll denn jetzt dieser
Humbug?“-Effekt umschlagen. (Okay, eine ganz kleine Enthüllung gibt es auch bei
diesem Film anstandshalber doch noch …)
Besonderes Vergnügen hat es Shyamalan offensichtlich bereitet, in Form einer
Nebenfigur einen ironischen Seitenhieb auf notorische Verreißer seiner Filme
abzugeben. Diese Figur ist der Buch- und Fernsehkritiker Mr. Farber (Bob
Balaban), der als emotionsloser Fachidiot durch die Gegend stakst. Wenn dieser
Alleswisser dann Clevelands Fluchtversuch vor dem todbringenden Höllenhund, bei
dem er sich inmitten der Poolterrasse auf die Nase legt, mit einem lakonischen
„Was genau machen sie da?“ kommentiert, kann sich wohl kaum jemand ein Grinsen
verkneifen. Ohne an dieser Stelle zu viel verraten zu wollen, sei gesagt: Auch der
’Abgang’ dieser Figur ist ein echter Schenkelklopfer.
Auch sonst wird hin und wieder mal ganz und gar vordergründiger Humor gebracht
(die Milch-im-Bart-Szene!).
Bleibt noch zu erwähnen, dass auch die Effekte sich durchaus sehen lassen
können, obwohl sie nie in den Fokus rücken.
Wenn es dann allerdings ans Eingemachte respektive Finale geht, dürfen die
Fingernägel wieder in den Sitz gekrallt werden. Denn hier blitzt wieder die
clevere Regie auf, die nicht mehr zeigt, als unbedingt gesehen werden muss. Dies
hat zur Folge, dass man gebannt auf die Leinwand (oder den Bildschirm) starrt,
um auch ja nichts zu verpassen.
Derart elektrisierend ist der Film über seine volle Laufzeit von gut 100
Minuten natürlich nicht immer. Trotzdem ist eines ganz klar: Zum Einschlafen
ist diese Gute-Nacht-Geschichte ganz sicher nicht! Ein Film, den man sich zu
Gemüte führen sollte. Und sei es nur, um zu erfahren, dass es noch Märchen gibt
in unserer Welt.