Review

Der menschliche Tausendfüssler


Den Namen William Friedkin hört man eher selten, wenn es um die besten aller Zeiten auf dem Regiestuhl geht. Dabei hat er auch hinter/nach „French Connection“ und „Der Exorzist“ weitere maximal interessante Titel in seiner Filmographie, die es zu entdecken lohnt und die diesen alten Rebellen und Hollywoodhaudegen nochmal ganz neu auszeichnen können. „Bug“ von 2006 ist eines dieser kleineren Werke und allein thematisch und schauspielerisch absolut meisterhaft. Erst recht in einer unübersichtlichen Zeit voller Verschwörungstheorien, Obrigkeitszweiflern, Besserwissern, Unsicherheiten und „unwahren Fakten“. In der Theaterverfilmung, dem psychologischen Horrordrama, dem kranken Kammerspiel geht es um eine Frau, die mit einem (zuerst recht sympathischen) Ex-Soldaten in einem abgelegenen Motelzimmer einige Tage verbringt. Es wird getrunken, gepoppt und philosophiert. Zwischendurch brechen alte Traumata auf oder es kommt der prügelnde Ex vorbei. Doch dann kommt der Auftritt der eigentlichen „Eindringlinge“ - die beiden hören, sehen und fühlen auf einmal winzige, kaum sichtbare Käfer. In der Matratze, im Holz - und später auch unter ihrer Haut...

„Bug“ lässt einen wunderbar abgleiten in Wahnsinn und Paranoia, in Alptraum und Realitätsverlust, in Sucht, Verzweiflung, Alleinsein und Hysterie - „Attila Hildmann - Der Film“ also?! Nicht ganz. Aber in der heutigen Zeit wirkt ein Film wie Friedkins Psychoterror natürlich akuter und besprechungswürdiger denn je. Mit einem exquisit kribbelnden und krabbelnden Soundteppich, mit einer absurd schwitzigen Atmosphäre und vor allem zwei bravurösen Leads (Shannon hat seine Rolle sogar vorher schonmal in Theateraufführungen gespielt!) schafft Friedkin es hier teilweise fast sogar zu ganz großer Form aufzulaufen. Warum ich diesen filmischen, extrem polarisierenden Juckreiz dennoch nicht noch besser finde und höher bewerte? Weil ich irgendwie kaum Zugang zu den (kaputten) Figuren finden konnte, weil die krasse letzte halbe Stunde deutlich zu spät kommt und ich zumindest etwas mehr Body- oder gar Creature Horror erwartet hätte. Doch darauf spuckt Friedkin mit Genuss. Und das ist irgendwie auch gut so. Rebell und Querdenker bleibt er bis in den Sarg. Top. Nur ist „Bug“ für mich dadurch oft eher zähe Zerreißprobe gewesen, ein Film, den ich höchst respektiere und vielleicht sogar verehre, jedoch nie genieße oder Spaß an ihm habe. Was wohl ebenfalls so sein muss...
 
Fazit: Läusezirkus. Paranoiaperplexum. Parasitenmörder. Kammerjägerspiel. Friedkins Verschwörungsstrudel. Wahnsinnsmotel. Ansteckende Aluminiumangst. Käferklinikum. Lass Jucken, William! I AM THE SUPER MOTHER BUG!!! :D 

Details
Ähnliche Filme