Review

Drei Jahre nach „Pirates of the Caribbean: The Curse of the Black Pearl” kehrt Gore Verbinski („Mousehunt“, „The Ring“) gleich mit zwei back to back abgedrehten Sequels auf die Leinwand zurück, pulverisiert einen Einspielrekord nach dem anderen, darf sich über wohlgesonnene Kritiken freuen und zeigt dabei auch noch, dass der Sommerblockbuster nicht tot sondern quicklebendig ist. Mit Erfolgsproduzent Jerry Bruckheimer im Rücken und Geheimwaffe Johnny Depp wurde der Franchise aber schon im ersten Teil die Erfolgsgarantie eingebaut. Trotzdem macht man die selben Fehler wieder und noch einige mehr, die nichts daran ändern, dass „Pirates of the Caribbean: Dead Man's Chest“ ein kunterbunter, rasanter Unterhaltungsfilm mit viel Witz und Action aber wenig Verstand geworden ist. Das Klassenziel hat Verbinski also erreicht und mehr wollte er offensichtlich auch nicht.

Dass Disney gleich noch einmal 80 Millionen für das erste Sequel drauflegte, sieht man auch an allen Ecken und Enden, denn Verbinski klotzt frei nach der Vorlage des Schreiberduos Ted Elliott / Terry Rossio (beide zusammen u.a. auch „Shrek“, „The Legend of Zorro“) an allen Ecken und Enden, scheucht seine Darsteller durch die exotischsten Kulissen, legt ein hohes Tempo vor, hetzt von Eingeborenen bis zu untoten Piraten alles Denkbare auf sie und packt den riesigen Kraken mindestens einmal zuviel aus.
Eine Nummer kleiner hätte es dabei auch getan, denn dann wäre die Fortsetzung gleich viel sympathischer gewesen. Bei so einem megalomanischer Overkill, zu dem sich solche Fortsetzungen naturgemäß hinreißen lassen, bleibt die Story völlig auf der Strecke und so passiert es dann auch. Symptomatisch steht dafür der überflüssige, aber aus kommerzieller Sicht natürlich clevere Cliffhanger zum Schluss, der zumindest mich nicht großartig neugierig auf Teil 3 nächsten Sommer macht. Naja, ansehen werde ich ihn mir trotzdem...

Dabei gibt es aber auch einige gelungene Aspekte in „Pirates of the Caribbean: Dead Man's Chest“ zu bewundern und einer davon ist Johnny Depp, der als Jack Sparrow (Captain wohlgemerkt!) wieder so sympathisch tollpatschig, kindisch und angetrunken wie ein eitler Pfau mit zuviel Rum im Blut durch den Film stolziert, dass man ihm am liebsten knuddeln und dann ein paar Humpen mit ihm saufen gehen möchte und zwar bis zum nächsten Morgen. Nur um zu sehen, in welche Schwierigkeiten er sich wieder in der nächsten dunklen Spelunke manövriert.
Depp ist erneut das exzentrische Highlight des Films, das so feige und verlogen seine gerechte Strafe erfahren sollte, dem man aber trotzdem nie böse sein kann, weil er im nächsten Moment gleich wieder den irrwitzigsten Blödsinn anstellt. Allein seine Flucht vor den Eingeboren zu Beginn, die ihn als einen überirdischen Abkömmling ansehen, und deswegen von seiner fleischlichen Hülle befreien wollen, rechtfertigt schon das Eintrittsgeld. Orlando Bloom verblasst daneben geradezu chancenlos.

Rings um ihn herum sieht es allerdings etwas mauer aus. Keine Frage, die gesamte Ausstattung und die exotischen Kulissen sind ein Hit sondergleichen. Da möchte man gleich einmal seinen nächsten Sommerurlaub planen, so atemberaubend schön sieht das Meiste aus, was man hier an Bord oder an Land geboten bekommt.
Wie man diese Schauplätze verknüpflt, erweist sich dabei aber als Achillesferse, denn die Handlung ist gleichermaßen überladen wie inhaltsleer:
Will Turner (Orlando Bloom, „Troy”, „Kingdom of Heaven”) und Elizabeth Swann (Keira Knightley, „King Arthur”, „Domino”) stehen kurz vor der Hochzeit und werden verhaftet, weil sie Jack Sparrow zur Flucht verholfen hatten. Will geht auf einen Kuhhandel ein, der ihm bei näherer Betrachtung nicht wirklich etwas einbringt und soll Jacks geheimnisvollen Kompass zurückbringen. Doch als er ihn findet, spannt der ihn gleich für ein Himmelfahrtskommando ein. Sparrow hat dem untoten Captain Davy Jones (Bill Nighy, „Underworld“, „Stormbreaker“) vor 13 Jahren seine Seele für die Black Pearl verkauft und die fordert der nun ein, damit Jack in seine Crew übergeht. Abhilfe kann nur Jones’ Herz schaffen, das er sich einst herausschnitt und in einer Truhe vergrub. Doch zuerst muss der Schlüssel her und da drohen Gefahren, denen Sparrow sich bekanntlich ungern selbst aussetzt, also bepflastert er Will mit Halbwahrheiten, während Liz schon von selbst mobil macht, Eigeninitiative ergreift und trotzdem nur ein Edelsidekick bleibt.

Neben einigen direkten Reminiszenzen über die man als Kenner des Originals wirklich herzhaft lachen kann (Die Ohrfeigen von der Frau bekommt diesmal Orlando Bloom in genau der gleichen Kameraeinstellung mit dem selben Gesichtsausdruck) und kuriosen Tricks wie den dreiläufigen Kanonen oder der Tauchgang der „Flying Dutchman“ überzeugt vor allem die Liebe zum Detail bezüglich Davy Jones, seiner fischigen Crew und dem Schiff. Da haben die F/X – Spezialisten sich an Einfallsreichtum wirklich selbst übertroffen, denn was da an Details zur Geltung kommt, lädt zum entspannten Genießen ein. Allein Davys Tintenfischkopf mit seinem Tentakelbart bildet einen echten Hingucker, denn wenn er im Bild ist, dreht und windet sich fast immer irgendetwas an ihm. Ein furchteinflößender Seelenjäger wird er leider trotzdem nicht.

Mit klassischer Piraterie, Seekämpfen und Enteraktionen hat „Pirates of the Caribbean: Dead Man's Chest“ leider nichts mehr zu tun, denn aufgrund der regen Suche nach dem Schlüssel für die Truhe und dann die Truhe selbst, muss man sich erst zusammenfinden, zusammenraufen und dann auch noch ein paar Örtlichkeiten besuchen. Gerade da scheint der Film kein Ende nehmen zu wollen und es fehlt an Höhepunkten, obwohl Depp in jeder Situation nach Möglichkeit etwas zu reißen versucht und düstere Töne kurzfristige Stimmungswechsel zumindest andeuten.
Der Besuch der Sumpfhexe Tia Dalma (Naomi Harris, „28 Days Later...“, „Miami Vice“) ist beispielsweise kaum von Nutzen und auch als Zuschauer spürt man dabei schon, dass das Autorenduo Anweisung hatte den Film für eine Überlänge zu konzipieren, anstatt ein möglichst funktionstüchtiges Drehbuch abzuliefern. Selbiges gilt für das Kannibalen-Kapitel, das so viel auch mit mehr mit einem Piratenfilm gemeinsam hat und mich by the way ständig an „King Kong“ erinnerte.

Dabei sind einige gebrabbelte Frotzeldialoge teilweise wieder echte Kalauer und Keira Knightley macht so sexy im männlichen Outfit angesichts ihrer in männliche Eitelkeiten verfallener Partner wieder einmal einen Riesenspaß, wenn sie verzweifelt versucht das Steuer zu übernehmen. Es sind eben doch die einzelnen Momente, die tatsächlich gelingen und weniger der Gesamtaufbau, denn vor allem die Action stimmt. Dem Kraken hätte auch ein einzelner Auftritt gereicht, zumal der zweite Tentakeloverkill dann völlig aus dem Ruder läuft und so protzig gar nicht ausfallen hätte müssen, aber die wenigen Fechtkämpfe (besonders das Dreiergespann am Ende) überzeugen genauso wie zünftige Prügeleien in Tortuga.
Ja, selbst der Humor mit einigen sehr wirkungsvollen Gags, die so unberechenbar aus dem Kontext gerissen werden, funktioniert eigentlich immer und über zu wenig punktgenaue Situationskomik (Sparrows erster Auftritt ist so ein Beispiel) braucht man sich auch nicht zu beschweren.

Neben viel zu vielen ballastartigen Nebenfiguren wie Cutler Beckett (Tom Hollander, „Enigma“, „Gosford Park“), denen mehr Platz als nötig eingeräumt wird, enttäuscht der äußerst knapp bemessene Spannungsbogen, denn Verbinskis Piratenzirkus will bei aller visueller Attraktivität nicht ansatzweise mitreißen. Das hat zwar alles Hand und Fuß, wie er das Drehbuch umsetzt, aber das schnöde Hin und Her nach dem Schlüssel und dann der dazugehörenden Truhe entfacht keinen fesselnden Run, der das Publikum mitfiebern lässt. Vielleicht erwarte ich da auch etwas zu viel von einem simplen Sommerblockbuster, der nur unterhalten will und dies auch einigermaßen souverän hinbekommt, aber an der selben nutzlosen Überlänge wie schon sein Vorgänger krankt. Am Ende ist man genauso schlau wie vorher und über Jack Sparrows Beziehung zu Davy Jones hat man auch kaum etwas erfahren.


Fazit:
Ich persönlich feiere gern ein Wiedersehen mit einer eingespielten Crew, die man mit der Zeit lieb gewinnt. Jack Sparrow, Will Turner und Elizabeth Swann gehen zwar erst in die zweite Runde, aber eingespielt sind sie bereits, nutzen den nächsten aus und legen sich nach Belieben gegenseitig aufs Kreuz. Die Abkehr von klassischen Piratenthemen zu einer phantastischeren Schnitzeljagd kostet dem Film allerdings einige Sympathien. Die F/X – Profis protzen wo es nur geht, obwohl sie hier und da auch mal nicht ganz so dick auftragen hätten (Warum bitte diese überholte Bullet-Time?) müssen. Aber Piano war hier ohnehin nie eine Devise. „Pirates of the Caribbean: Dead Man's Chest“ erweist sich letztlich als ein aus Handlungsstümpfen bestehendes, belangloses, schleppendes Abenteuer ohne Stringenz, das dank Johnny Deep guter F/X und prima Humor dennoch unterhält und mehr wollten die Macher ja auch gar nicht. Trotzdem sollte mal irgendjemand Hans Zimmer auf die Finger hauen, damit er aufhört seine alten Score zu recyceln. Nicht nur seine Kompositionen, sondern auch das Karibik-Szenario drohen für den dritten Teil nämlich ihren Reiz zu verlieren, denn Abnutzungserscheinungen treten überdeutlich auf.

Details
Ähnliche Filme