Zum 60zig jährigem Jubiläum des Kriegsendes 1945 produzierte der japanische Sender NTV eine Realverfilmung von Akiyuki Nosaka halbbiografischem Roman.
Anders als Isao Takahata 17 Jahre zuvor mit seiner Animeumsetzung verlagerte man dieses mal den Fokus allerdings weg von nur den beiden Kinder hin auf das Darstellen der gespannten Situation im Hause der Tante, die in der Animeversion eine eher geringe und deutlich negativere Rolle spielte.
Man könnte fast sagen die Realverfilmung ist so eine Art Rehabilitierung des Charakters der Tante gegenüber deren einseitiger Darstellung im Anime, aber das würde wohl übers Ziel hinaus schießen.
Fakt ist allerdings das die Rolle der Tante enorm ausgebaut wurde und bald schon mehr Raum einnimmt als die der beiden Kinder.
Dieser Umstand wird auch gleich zu Beginn verdeutlicht, denn im Gegensatz zum Anime, wo uns quasi Seitas Geist rückblickend durch die Leidensgeschichte der beiden Kinder führte, so ist es diesmal die Tochter der Tante und ihre Enkelin, die anlässlich der Beerdigung der Tante die Geschichte noch einmal erzählen und erleben.
Es geht dieses mal mehr um die die Überlebt haben, als um die die gestorben sind.
Und es geht vor allem auch um deren Geschichte, deren Schuld, die sie auf sich geladenen haben um zu überleben, und um die Umstände die das alles verursacht haben.
Dennoch spielen Seita und seine Schwester natürlich eine wichtige Rolle und auch bei ihnen versucht der Film einen etwas anderen Weg zu gehen.
Schon beim Anime und dessen Deutung kam zum Teil zur Sprache, dass auch Seita und sein Stolz für die Tragödie der Kinder mit verantwortlich ist. Ein Aspekt der aus dem Buch (den Autor Akiyuki Nosaka plagten in der Tat schere Selbstvorwürfe, weil seine Schwester im Krieg unter seiner Obhut verhungerte) in die Deutung des Films übernommen wurde und der in der Realverfilmung deutlicher zu Tage dritt.
So ist die Realverfilmung am Ende wohl ehrlicher weise der realistischere Blick auf die Geschichte und vielleicht auch der tiefschichtigere Film, das muss man zugestehen.
Doch die emotionale Kraft und Wucht mit der Takahatas Animedrama beim Zuschauer einschlägt, kann die neue Verfilmung trotzdem, oder gerade deswegen, nicht erreichen.
Zu weit weg wurde der Blick von den leiden der Kinder auf die (realistischere) Darstellung des Drangs nach Überleben in der Familie gelenkt.
Sicher, der angestrebte und am Ende auch erreichte Frieden mit der Tante, die es schließlich schaffte ihre Kinder unversehrt durch den Krieg zu bringen, ist auch eine gute Botschaft, aber sie ist fern der idealistischen Kriegsanklage Takahatas, zu bemüht verhaftet in der Realität, um so hoch zu fliegen wie zeitlose Traurigkeit des Animes. Da hilft es auch nicht besonders bewegende Szenen aus dem Anime zu kopieren.
Um die Entscheidungen der Tante dem Zuschauer etwas näher zu bringen und ihren Kampf um das überleben der eigenen Kinder zu zeigen, wurden Sympathien bei Seita und Setsuko abgegraben. Aus den gerade zu reinen Figuren des Animes, deren Schicksal uns eben wegen jener reinen Unschuldigkeit so nahe ging, wurden Figuren die auch mal auf die Nerven gehen können. Figuren bei denen man auch die Tante verstehen kann, wenn sie sich verletzt fühlt.
Wie gesagt, das mag um einiges näher an der Realität sein, aber es destruiert die Dramatik des Leidensweges der beiden und, und das möchte ich dem neuen Film beinahe übel nehmen, es destruiert fast auch etwas Takahatas Anime.
Fast als wollte die neue Realverfilmung den alten Zeichentrickkollegen etwas richtig stellen.
Aber das ist eine reine Gefühlsmäßigkeit von mir. Ich sollte mich davon wohl nicht beeinflussen lassen.
Trotz allem bleibt „Hotaru no haka“ nämlich auch in der Dorama Version ein guter Film. Zwar ist er technisch nicht immer perfekt und die CGI Effekte manchmal zu offensichtlich als solche zu erkennen. Und auch die Schauspieler drücken manchmal etwas zu sehr aufs Gas und wirken, verstärkt auch durch den allgemeinen TV-Produktion-Look, etwas wie Soap Opera.
ABER, dass alles ist kaum der Rede wert hinter der bewegenden Geschichte und der offensichtlich ehrlichen Intention des Films, die Schrecken des Krieges nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, weder die Vergangenen, noch die Aktuellen.
Ein Anliegen das dem nicht gerade sehr selbstkritischen Japan sicher nicht schadet.
Und auch wenn der Film sich für die Versöhnung mit den Überlebenden des Krieges ausspricht und vor allem mit dem was sie tun mussten um zu Überleben, so kennt er keine Versöhnung mit dem Krieg an sich. Und das ist die richtige Botschaft.