Review

Eines vorweg: Dieser Film ist unterhaltsam, was meine abschließende Wertung eventuell nicht nahe legen würde. Dass "Der blutige Pfad Gottes" auf dieser Seite als einer der besten Filme überhaupt gehandelt wird, überrascht mich jedoch, ja, es erschreckt mich sogar. Aber der Reihe nach:

Der Film beginnt vielversprechend. Eine rätselhafte Kirchenszene baut eine Spannung auf, die noch geraume Zeit anhält. Der Einsatz von Mystik erscheint wohldosiert und unterstützt die Realität des Films mehr, als es sie verzerrt. Mit dem Überfall des dreiköpfigen Russenmafia-Kommandos beginnen aber auch schon die Schwächen des Films. Scheinbar unmotiviert und in Unterzahl versuchen diese Burschen, eine Kneipe voll irischer - und somit per se hartgesottener - Gäste zu räumen. Das Ergebnis ist der in der Filmgeschichte wahrlich nicht einzigartige Schlag mit einer Whiskyflasche über den Schädel des einen und - jetzt wird es wirklich innovativ - das "flambierte Arschloch" eines zweiten Angreifers. So weit so spaßhaft. Dann jedoch erscheinen zwei der nach Rache dürstenden Mafiosi in der Wohnung des Geschwisterpaars MacManus - der eine mit Kopfverband, der andere mit dem rektalen Gegenstück hierzu versehen. Von der Möglichkeit, einen bandagierten Allerwertesten in der Öffentlichkeit mit einer weiten Jogginghose zu maskieren, scheint der Drehbuchautor nie gehört zu haben. Nachdem die Mafiosi mittels einer vom Dach gestürzten Kloschüssel außer Gefecht gesetzt sind - ohne Ironie eine der Stärken dieses Films! - folgt die Szene "Der Seher I": FBI-Agent Paul Smecker alias Willem Defoe ermittelt, unterstützt von klassischer Musik aus dem Ohrhörer und mit der Gestik des dazugehörigen Dirigenten, innerhalb von Minuten den genauen Tathergang sowie Kaliber und Position sämtlicher beteiligter Patronenhülsen. Sein unerfahrener Kollege kann nicht umhin, die unausweichlich aus diesem Geniestreich abgeleitete Forderung nach einem Kaffee zu erfüllen, eine Szene, die sich im Verlaufe des Films zu einem ziemlich lahmen Running Gag entwickeln wird. Dennoch ist es zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich, dem Film einen gewissen Charme abzusprechen. Bei Defoe wechseln sich wenige peinliche mit etlichen guten Szenen ab, und auch die Hauptdarsteller passen hervorragend in ihre Rolle.

Die Gebrüder MacManus werden von der Stadt als Helden gefeiert, sehr zum Unmut Smeckers. Es ist bezeichnend für diesen Film, dass dieser seine eigentlich richtige Haltung im Laufe des Filmes revidiert. Denn die Brüder sind offenbar auf den Geschmack gekommen und starten einen brutalen Feldzug gegen die Unterwelt. Mit keinem ihrer Opfer haben sie eine persönliche Rechnung offen, vielmehr liegt die Auswahl im Wesentlichen bei ihrem psychopatischen Freund Rocco. Selbst Besucher einer Peepshow sind offenbar in ihrer Unmoral der Hinrichtung würdig. Nichtsdestotrotz ist Smecker mit jedem Mord immer mehr davon überzeugt, dass Connor und Murphy genau das sind, was der Stadt gefehlt hat. Er ersucht sogar im Beichtstuhl um Absolution für seinen Wunsch, die Brüder bei ihrem Tun zu unterstützen - und findet diese Bestätigung auch noch, wenn auch nur, weil der Priester während der Beichte bedroht wird.

Die Handlung wird immer unrealistischer - was aber immer noch nicht zu Lasten der Unterhaltung geht. Da stört es nicht einmal, wenn die Brüder MacManus – wie man das auf Attentätermissionen in einem Belüftungsschacht nun mal macht – so heftig zu raufen beginnen , dass sie an einem Seil hängend aus durch die Decke direkt in den Raum krachen, in dem soeben eine Versammlung von 9 Mafiosi stattfindet. Praktischerweise ist ihre hängende Position direkt in der Mitte des Raumes, der ebenso praktischerweise von einem runden Sofa eingerahmt wird. Die natürliche Rotation des Seils erlaubt es mithin, die Mafiosi mit präzisen Schüssen zu erledigen.

Spätestens jetzt kommen die eigentlich kritikwürdigen Seiten des Films zum Vorschein: Gemäß ihrer vermeintlich göttlichen Berufung wird der übriggebliebene Mafiaboss von den strenggläubigen Katholiken in einer Art Ritus hingerichtet, wobei die Brüder folgende Formel rezitieren: "Als Hirte erlaube mir, zu dienen mein Vater dir! Deine Macht reichst du uns durch deine Hand, diese verbindet uns wie ein heiliges Band. Wir waten durch ein Meer von Blut, gib uns dafür Kraft und Mut! In nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti." Wie man später erfährt, handelt es sich dabei um ein in der Familie MacManus überliefertes Gebet.

Wie dieser Film mit der Frage nach der Berechtigung von Selbstjustiz im Namen der Religion umgeht, ist schlicht skandalös und macht "Der Blutige Pfad Gottes" in meinen Augen zu einem heißen Kandidaten für den Index! Dass diese Scheinmoral nicht einmal einem alttestamentarischen Verständnis von Christentum gerecht wird, ist dabei noch das geringere Problem. Die Haltung der Brüder wird jedoch, wie erwähnt, im Laufe des Filmes von Smecker zu seiner eigenen gemacht; das Gleiche gilt für Rocco, und letztendlich kommt auch noch der "Duke" ins Spiel: Bei diesem handelt es sich um einen Schwerverbrecher, der so gefährlich ist, dass er selbst im Hochsicherheitsgefängnis, wo er eine 25-jährige Haftstrafe absitzt, noch in einem Drahtkäfig gehalten wird. Dennoch gelingt es der Mafia innerhalb von Stunden, eine Begnadigung für dieses Monster zu erwirken und den Duke auf Rocco anzusetzen. In einem denkwürdigen Aufeinandertreffen dreier scharfschießender Kampfmaschinen gelingt es dem Duke doch tatsächlich, Rocco mit insgesamt 6 Pistolen einen Finger abzuschießen. Das jeweils nur einfach bewaffnete Dreigestirn Rocco/2xMacManus hat nur die halbe Feuerkraft und geht gänzlich leer aus. Zum Glück, denn der greisenhafte Duke stellt sich als der Vater der Iren heraus - ein Jammer, wäre er bereits so früh im Film verstorben... Als Erkennungszeichen fungiert die bereits zitierte Formel, die auch am Ende des Filmes erneut zum Einsatz kommt. Dann nämlich, wenn das wieder vereinte Exekutionsunternehmen MacManus&Söhne den drohenden Freispruch eines Mafia-Bosses verhindert, indem es ihn vor den Augen des Publikums im Gerichtssaal hinrichtet, nicht ohne vorher den erwähnten Satz auszusprechen. Wäre man als Zuschauer geneigt, auch diesen Höhepunkt noch als die Tat und Einstellung von Einzelnen abzutun, wird dies durch die Schlusssequenz endgültig verhindert. In kurzen Interviews kommen eine Reihe unbeteiligter Bürger zu Wort. Dabei halten sich Zustimmung und Ablehnung die Waage. Selbst Freunde erscheinen gespalten über die Frage nach der Rechtfertigung für den Feldzug der Brüder. Es ist vollkommen unmöglich, eine Tendenz zu Gunsten rechtsstaatlicher Prinzipien auszumachen. Da diese aber eigentlich Konsens sind, stellt sich die Frage, ob der Film nicht bewusst in die entgegengesetzte Richtung steuert und Selbstjustiz gestatten oder sie zumindest zur Sache bestimmter „Berufener“ machen will. Man könnte einwenden, dass Dutzende von Filmen im Umlauf sind, in denen Selbstjustiz geübt wird, man nehme „Payback“ oder „Die Jury“. Der entscheidende Unterschied ist, dass dort eine persönliche Verstrickung das Motiv für Gewalt darstellt. In „Der Blutige Pfad Gottes“ ist eine solche bestenfalls vorgeschoben; die Rechtfertigung ist vor allem religiöser Art. Und damit besonders gefährlich; wie viele Verbrechen werden aus einer falsch verstandenen Religiosität heraus verübt? Man kann sich nur wünschen, dass es nie dazu kommt, dass ein Schüler „in nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti“ seine Schulklasse auslöscht. Eine wirklich gute Bewertung verbietet sich unter diesen Umständen von selbst; ich kann nicht verhehlen, dass es mich überrascht und ärgert, wie hoch dieser Film eingeschätzt wird. Vielleicht bin ich aber mit meinen 25 Jahren auch schon 9 Jahre älter als die eigentliche Zielgruppe. Im Rückblick fallen dann auch noch die teilweise lächerlichen logischen Mängel des Plot ins Gewicht. Dass der Film von mir dennoch 3 Punkte erhält, liegt ausschließlich an dem verheißungsvollen Beginn und einigen gelungenen Action-Szenen.

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