Review

Gäbe es einen Preis für den ekligsten Film des Jahres, die ungarische Groteske "Taxidermia" hätte ihn wohl schon mit großem Abstand sicher. Doch am Ende bleibt außer einer Vielzahl expliziter und (möchtegern) schockierender Bilder kaum etwas über.

Regisseur György Palfi ("Hukkle") teilt seinen zweiten Film in Drittel. Im MIttelpunkt stehen 3 Männer bzw. Generationen einer, um es vorsichtig auszudrücken, psychisch degenerierten ungarischen Familie.

In der ersten Episode geht es gleich mächtig zur Sache. Das Publikum sieht quasi gut 20 Minuten einem Taugenichts dabei zu, wie er sich auf verschiedene Weisen selbstbefriedigt. Während er aus seiner Hütte 2 Mädchen beim Herumtollen im Schnee beobachtet, fettet er erstmal ein Loch in der Wand ein, um seinen (gefakten) erigierten Penis da durchzustecken, worauf ihm aber ein Hahn sein bestes Stück anpickt.
Später kann man dann doch auch den echten Penis des Mannes bestaunen, während er sich in einer Fantasie mit einem kleinen Mädchen(!) einen runterholt und schließlich "treibt" er es auch noch mit einem ausgenommenen Schwein (in seiner Fantasie jedoch mit einer ziemlich korpulenten Frau - wiederum gibt es auch eine pornographische Einstellung).
Diese erste Episode hat ansonsten inhaltlich nicht viel zu bieten, bis die Existenz des ersten Hauptcharakters ziemlich abrupt aber auch etwas sinnleer endet.

Anschließend erlebt man dann die Geburt der zentralen Figur des Films, dem (geschätzt) 200 Kilo-Brocken Kalman, dem zu Beginn seines außergewöhnlichen Lebens gleich mal ein Kringelschwänzchen an seinem Rücken (in einer täuschend realistischen Sequenz) abgeschnitten wird.

Schnitt. Wir befinden uns plötzlich in einem grotesken Schnellfresswettbewerb, der wie ein großes Sportereignis aufgemacht ist. In diesen Szenen hat der Film eigentlich seine stärksten Momente, vor allem weil er sich endlich mal Zeit für seine Figuren nimmt. Kalman und seine Mitstreiter schaufeln sich kiloweise Eintopf und russische Pferdesulze rein und kotzen danach in aller Ausführlichkeit alles wieder raus.
Kalman stellt sich als ein Meister seines Faches heraus, und bei diesem Wettbewerb verliebt sich auch eine nicht minder korpulente "Kollegin" in ihn...

Bevor ich jetzt krampfhaft versuche, den Inhalt einigermaßen wiederzugeben, höre ich lieber auf und gehe auch auf die dritte "Episode" nicht mehr genauer ein, nur soviel: dieser finale Akt beinhaltet u.a. eine (in schwelgerisch expliziten Großaufnahmen) Selbst-Operation inklusive Organentnahme...
Klingt eigenartig? Ist es auch, das kann man mir glauben.


Es ist ja so, dass ich groteske Filme sehr gerne mag. Und "Taxidermia" ist vollgestopft mit derartigen Szenen. Oft muß man an Fellini denken, doch den vergessen wir lieber wieder ganz schnell, denn von dessen Meisterwerken ist Palfi meilenweit entfernt.
Die Figuren sind allesamt unsympathisch bis zum Gehtnichtmehr, die episodische Struktur des Films geht völlig nach hinten los, denn es fehlt nicht nur dadurch an Sinn und Verstand. Das Ende des Films ist unglaublich drastisch und trotz seiner extremen Schaurigkeit sicherlich auch durchaus komisch, überhaupt bietet uns Palfi immer wieder einzelne, witzige Szenen (es gibt sogar eine lustige Hommage an den bayrischen Balg aus "Charlie und die Schokoladenfabrik"!) sowie einige hervorragende Kameraspielereien und Bilder.

Aber es ergibt sich in Summe einfach kein guter Film, alles bleibt seltsam hohl und am Ende hat man nicht mehr davon, als den Eindruck, gerade eine Art "Freakshow" gesehen zu haben. Nur, ich fühlte mich weder durchgehend "gut unterhalten" noch erschreckt, schockiert oder irgendwas in der Richtung.
Natürlich, ein paar Zuschauer sind während der Vorstellung rausgegangen, weil die Bilder teils doch sehr extrem sind; in meinem Fall eines Filmerfahrenen und Ex-Medizinstudenten reichte das aber nun wirklich nicht, um zu schockieren.
Am Ende des Films gibt es zwar eine Art "Moral", man könnte das und eine Aussage des Films sicherlich in Richtung "Abhängigkeit von den Bedürfnissen des Körpers bzw. ein gestörtes physiologisches Erleben und Verhalten und daraus resultierende Perversion" deuten, aber das dürfte mehr Wunsch als Tatsache sein, denn tieferen Sinn macht diese Groteske trotzdem nicht und ich ging mit dem Eindruck nach Hause, dass Palfi selber nicht so recht wusste, ob er dem Publikum eigentlich irgendetwas sagen oder einfach nur möglichst viele möglichst drastische Szenen aneinanderreihen wollte.

Teilweise unterhaltsam und vielleicht für den einen oder anderen auch sehenswert, aber insgesamt kein guter Film.

Details
Ähnliche Filme