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Ivan Igor ist ein großer Künstler, ein Bildhauer, und seine größte Kunst besteht darin, Wachsfiguren zu modellieren, die so unglaublich lebensecht wirken … Fast zum Verwechseln echt. Vor 12 Jahren war er noch in London, aber da ist sein Museum einem Brand zum Opfer gefallen, den sein verbrecherischer Partner gelegt hat. Bei diesem Brand wurde Igor auch verkrüppelt, seine Hände sind nur noch nutzlose Klumpen Fleisch, und nun muss er mal mehr und mal weniger begabte Künstler anleiten, wie sie zu modellieren haben. Doch könnte es vielleicht sein, dass diese zum Verwechseln ähnlichen Puppen mit der Serie von verschwundenen Leichen in New York zu tun haben? Die rasende Reporterin Florence Dempsey ermittelt. Und zwar gegen die Zeit, gegen den Willen ihres Chefredakteurs, und gegen das Wohlwollen des Zuschauers …

Denn auch wenn es in dieser Zeit üblich war, einen Reporter wenn schon nicht in das Zentrum einer Geschichte, so doch zumindest als komischen Sidekick in jeden Film einzubauen, so nervt dies aus heutiger Sicht schon irgendwann. OK, Glenda Farrell hat als Florence Dempsey durchaus einen gewissen burschikosen Charme, und mit ihrer Maschinengewehrschnauze hat sie dem Kollegen in DOCTOR X zumindest die besseren Gags voraus, aber sonst …?

Sonst muss man feststellen, dass das Team Michael Curtiz, Lionel Atwill und Fay Wray, zusammen mit Art Director Anton Grot und Kameramann Ray Rennahan, etwas früher im Jahr 1933 mit DOCTOR X den besseren Film abgeliefert hat. Dieser stellt gekonnt gotischen Grusel neben das Ambiente eines Mad Scientist, stellt ein schauriges Monster gegen eine starke Fay Wray, und kann durch einen langsameren Aufbau gehörig Stimmung aufbauen.

WACHSFIGURENKABINETT drückt hingegen ab dem Schwenk ins Jahr 1933 und nach New York auf das Gaspedal als gäbe es kein morgen. Die Schnittfrequenz ist sehr hoch, aus heutiger Sicht geradezu modern, was aber der Atmosphäre leider etwas abkömmlich ist. Der Teaser, das London des Jahres 1921, kommt düster und bedrohlich rüber, eine Kutsche die im strömenden Regen altmodisch gekleidete Gentlemen entlässt, welche dann durch ein ausführlich erklärtes Panoptikum aus historischen Gestalten geschickt werden, dieser Teaser baut geschickt eine unheimliche Stimmung auf. Wenn die Wachsfiguren dann im Feuer schmelzen und dabei fast zu weinen scheinen, zeigt sich Michael Curtiz auf der Höhe seiner Regiekunst und der auf den Zuschauer übertragenen Emotionen.

Doch wie gesagt, sobald wir das New York des Jahres 1933 betreten ist das alles vorbei. Das Wachsfigurenkabinett ist groß, modern und hell, die Charaktere sind nervig oder hektisch oder alles beides zugleich, und die Kodderschnauze von Fr. Farrell vertreibt schnellstens auch den letzten Rest von gotischem Flair.

Fay Wray, die in DOCTOR X so sympathisch und anziehend wirkte, hat in WACHSFIGURENKABINETT den deutlich kleineren und blasseren Part, der ihr keine wirkliche Möglichkeit gibt sich zu entfalten. Einzig Lionel Atwill als Ivan Igor wirkt sinister und makaber, ja fast diabolisch. Aber Glenda Farrell schwatzt auch ihn in Grund und Boden, und bei aller anfänglichen Sympathie für diese Figur – Irgendwann nervt die Dame zunehmend.

Angenehmerweise zieht in genau diesem Augenblick die Handlung ein wenig an, betreten wir dunkle Keller und mutmaßlichen Leichenkisten, und lernen wir den drogenabhängigen Professor Darcy kennen, der allein durch sein Gesicht mehr Präsenz zeigt als Machine Gun-Glenda Farrell.

Aber irgendwie schien Michael Curtiz hier eher einen modernen Großstadtthriller drehen zu wollen als einen Gruselfilm, was ja auch zur Filmpolitik des Studios passen würde – Warner Brothers waren zu dieser Zeit mehr für Gangster- und Großstadtfilme zuständig, die Monster kamen ja eher von den Kollegen von Universal. Und wenn man sich die Bilder des Films so anschaut, die Ereignisse rund um Silvester oder das zweifelhafte Verhalten der Polizisten, dann ahnt man, dass hier eigentlich etwas ganz anderes hätte gedreht werden sollen. Oder können …

Nichtsdestotrotz ist WACHSFIGURENKABINETT ein guter Film. Er ist, obwohl man die Auflösung natürlich sehr schnell ahnt, recht spannend, und gerade durch das hohe Tempo kommt man auch nicht dazu, sich ernsthafte (soll heißen: abwertende) Gedanken zu machen. Die Farbgebung - WACHSFIGURENKABINETT war der letzte Film, der im sogenannten Zwei-Farb-Technicolor gedreht wurde - sorgt für eine durchgehende unwirkliche Stimmung, und gerade die starke Kameraführung generiert vor allem im Showdown einige Highlights bei den Set Pieces. In seinen guten Momenten ist der Film hochgradig emotional und gruselig, aber leider hat es da auch einiges an weniger guten Momenten. Und etwas weniger Glenda Farrell und ein klein wenig mehr Lionel Atwill hätte dem Film sicher besser getan…

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