Der Vorgänger Election wurde schon weitgehend positiv aufgenommen; aber lange nicht mit den Begeisterungsstürmen überrollt, die noch Johnnie Tos ehedemen Arbeiten The Mission, Running Out of Time oder A Hero never Dies entgegenschwappten. Sowieso hat sich mit PTU und Breaking News einiges getan; der vorher einhellige Lobestenor verschwand und machte vermehrter Kritik Platz. Es wurde halt nicht mehr automatisch das allumfeierte Meisterwerk abgeliefert, sondern „nur“ noch ein ziemlich guter Film. Ein Abstieg, zumindest in den Augen derjenigen, die vorher zu verwöhnt wurden.
Election hatte das Problem, dass er mörderisch gut aussah – was für die Produktionen des Filmemachers To generell gilt – aber Inhaltlich nicht mehr mitgehalten hat. Er konzentrierte sich auf das rein symbolische Element der Hatz nach dem Statussymbol des Dragon Head Batons, welcher metaphorisch für den Machtkampf in der Wo Sing Society durch viele Hände ging.
Nun war das nicht unspannend, sondern schon abwechslungsreich, für den Moment sogar interessant, visuell sehr gut gefilmt; aber es ergab sich nichts daraus. Der ganze Film bestand anscheinend nur aus dem kurzen Abschnitt der Jagd quer durchs Land nach dem Baton; war fast wie Die Zwölf Stühle, nur im Triadengenre und hatte deswegen auch nicht so sonderlich viel auszusagen. Charaktere blieben unter der Oberfläche, weil sie nur handelten, aber nicht erklärt wurden, noch nicht einmal auf die Motive konnte man sich einigen.
Jeder beschiss jeden, aber letztlich wollten alle das Gleiche erreichen und hätten in einer Zusammenarbeit es auch viel schneller erreicht. Standen sich ja nur selber im Weg und der Zuschauer deswegen letzten Endes auch mit leeren Händen da.
Hätte man damals gewusst, dass sich ein Jahr darauf die Fortsetzung anschliesst, hätte man den Film auch sicherlich als das betrachtet, was er ist: Der Prolog.
Nun geht es los. Dort wo es aufgehört hat.
Zwei Jahre sind vergangen, die nächste Wahl zum Chairman der Society steht an. Der Punkt, an dem sich die Interessen und Absichten der Mitglieder kreuzen und entweder miteinander vermischen oder gegeneinander konkurrieren. Lin Lok [ Simon Yam ] darf nicht mehr gewählt werden, weil es sonst die Tradition brechen würde.
Kun [ Gordon Lam ] bewirbt sich, fragt auch nach Unterstützung, bekommt aber keine.
Jimmy Lee [ Louis Koo ] will nicht, da er offizielle, legale Geschäfte in China anstrebt, Businessmann statt Gangster sein will und keine Aufmerksamkeit von Seiten der Polizei braucht.
Jet [ Nick Cheung ] ist zwar die rechte Hand von Lok, aber agiert nur im Verborgenen und darf dort auch nur die Drecksarbeit erledigen; sprich die Mordaufträge.
Er ist überhaupt nicht auf der Liste; und als er nach einigen „Rücktritten“ darauf gelangen soll, weiss niemand mit seinem Namen etwas anzufangen.
Wie im Erstling hat man also das gleiche Thema, nur aus einer anderen, durch die vergangene Zeit erweiterten Sichtweise. Die Umstände sind analog zu den Personen modifiziert. Manche haben sich weiterentwickelt und sind aufgestiegen. Und andere haben ihre Chancen verpasst und sind nicht nur stehengeblieben; sondern sogar noch gesunken, da sie eben gar keinen Fortschritt erreicht haben.
Anders als zwei Jahre zuvor arbeitet man nun auch nicht mehr für das gleiche Ziel, Lok zum Chairman zu bringen, sondern will das Ziel selber erreichen; hat im Gegensatz zu früher deswegen auch wirklich Gründe, gegeneinander zu agieren. Und das tut man dann auch, trotz gemeinsam durchstandender Gefahren ist weder was von Vertrauen und schon gar nicht von Harmonie zu spüren; der Titelzusatz „Harmony is a Virtue“ wird zwar angesprochen, aber von keinem beachtet.
Regisseur To beginnt hierbei stärker als im Vorgänger mit einem historischen Hintergrund; die Castangaben verschwinden fast in der Einleitung über die vorangestellten Tugenden und die Philosophie der ursprünglichen Triaden.
Man kam von China nach Hong Kong wegen eines besseren Lebens, während Krisen sollte man Verhandlungen anstreben und die Probleme in Gesprächen zu lösen versuchen. Wenn dies misslang, gab es ein Duell; alles abseits der Augen der Obrigkeit.
Davon wird nichts mehr beachtet, der kommerzielle Aspekt steht ebenso im Vordergrund wie Schein über Sein. Eigene Bereicherung durch kriminelle Machenschaften ist wichtiger geworden als einstmals intendierte politische Ziele; die ursprünglichen Geheimbünde haben die Mandschu-Dynastie bekämpft und das Kulturerbe gepflegt. Und die Obrigkeit beobachtet nicht nur, sondern zieht die Fäden.
To konzentriert sich schnell auf das heutige Verhältnis von Macht – Begehren – Widerstand, dass er durch die unterschiedlichen Individuen personifiziert. Dabei schadet es auf gar keinen Fall, die bisherigen Entwicklungen zu kennen; da man zwar nicht ausdrücklich auf bereits Geschehenes verweist, aber schon mit dem Wissen aufbaut. Dort viele Tendenzen angefangen hat und die Figuren dadurch hier auch viel plastischer wirken. Ausserdem sind die Konstellationen so schneller gesetzt, aus wenigen Dialogen miteinander ergibt sich bereits das logische Konfliktpotential. Der Aufbau der Handlung wird kaum durch neue Personen ergänzt, - die wenn dann auch weniger eine bedeutsame Rolle spielen -; sondern beschränkt sich auf die bisher Eingeführten, die diesmal auch nachvollziehbar gezeichnet sind. Trotzdem ist die Eröffnung des Filmes länger als im wesentlich schnelleren, unterhaltsameren Election. Da man sich hier schon direkt an der Spitze befindet sind die Überlegungen und Aktionen bedeutsamer und bedürfen mehr Betrachung und Reflexion als die kleineren Aufträge, zu denen man vorher befehligt wurde und die dann auch rasches Handeln erforderten.
Nun setzt man gewichtigere Dinge in Gang, ist immer nur ein paar Züge vorm Schachmatt. Szenen sind folglich ruhiger, aber deswegen nicht gleich belanglos und fokussieren sich auch stärker auf die Antriebe hinter allem.
Dabei steht Jimmy eindeutig im Mittelpunkt des Ganzen: Er wollte zwar nicht zur Kandidatur antreten, wird aber vom Leiter des Chinese Security Bureaus quasi dazu gezwungen; weil dieser ihm erst dann Geschäfte auf dem Festland erlaubt, wenn er auch mit dem Chairman direkt verhandelt.
Und Jimmy will hoch hinaus, sei es über diesem Weg und sei es später noch mit ganz anderen Mitteln.
Lok – der insgeheim mit einer zweiten Wahl liebäugelt – und Kun fühlen sich von der späten Bewerbung ausgetrickst, zumal Jimmy nicht nur aufgrund seiner nicht unerheblichen Finanzen die besten Chancen besitzt.
Dabei ist keine einzige Person anwesend, dem der Zuschauer Sympathien entgegenbringen kann; da hierbei jeder sein Ding mit allen möglichen Konsequenzen durchzieht. Und es diesmal auch nicht um ein spielerisches Kesseltreiben um ein Stück Holz geht, sondern im grossen Stil um Leben und Tod; wo sich auch die Instrumente und Massnahmen entsprechend steigern.
Der Ausbruch der durch ihre präsente Spürbarkeit lange angekündigten Gewalt findet bei einer aus dem Ruder laufenden Folteraktion statt, in der Jimmy und sein Bodyguard Bo [ Mark Cheng ] Loks Leute dazu bringen wollen, ein Attentat auf ihren Boss durchzuführen. Nimmt dies zuerst noch skurrile Züge an, so wird schnell in aller Deutlichkeit blutiger Ernst daraus; an deren Ende die anfangs überhaupt nicht kooperativen Handlanger heilfroh sind, dass sie mit dem Leben davonkommen. Und nicht wie das erste Opfer zu Brei geschlagen, zerteilt und durch den Fleischwolf gedreht wurden.
Abseits davon verzichtet man in der Regie auf zuviel Anschaulichkeiten hinsichtlich von Exzessen und lässt auch absurde Momente davon sein. Stattdessen begibt man sich auf eine andere, höhere Ebene, bezieht den Staat und seine Regierungs- und Gesetzesvertreter als Beobachtende und Leitende mit ein und fügt der Wahl seine politische Dimension auch ausserhalb der Triade mit bei.
Die Inszenierung wirkt angesichts dieses Formates angebracht erwachsen und reif. Sehr gezügelt, aber nicht gleichmütig. Behäbig, aber nicht gelassen. Sicherlich hätte man mehr Tempo einbringen können, mehr Druck anlegen, der Film bezieht seinen Effekt rein aus der Langsamkeit, was beileibe nicht Jedermanns Sache ist.
Die Bilder sind wie typisch für To jedes eine Ansichtskarte für sich, viel Spiel mit [ weniger ] Licht und [ mehr ] Schatten, die Akteure dabei immer etwas in der Landschaft zurückgestellt.
Action erfolgt gar keine, dennoch ist am Ende des Filmes nichts mehr so, wie es am Anfang war. Man gibt dem Vorgänger noch nachträglich mehr Bedeutung, da man die Quellen beachtet und die Entwicklungen aufzeigt. Wiederum schaltet man einen Gang zurück und wirkt bleierner.
Das Gefüge selber hat sich nicht nur geändert, sondern geradezu horizontal gedreht. Nur Jet läuft immer noch mit blutigem Kopf durch die Strassen von Hong Kong, verfolgt von Kleingangstern.