War Sofia Coppolas letzter Film, „Lost in Translation“ ein zärtlich verschachteltes Beispiel für die Visualisierung von Emotionen in einer Welt mit erschwerter Kommunikation allerorten, so führt sie das Thema in „Marie Antoinette“ praktisch konsequent weiter, in dem sie sich einer Figur widmet, die überhaupt keine echte Kommunikationsbasis auf gefühlsmäßiger Ebene zu anderen Menschen besitzt, das Prinzesschen im Elfenbeinturm, die junge Gemahlin des Königs Ludwig des 16.!
Kirsten Dunst spielt die Minderjährige aus dem österreichischen Königshaus, die aus Gründen eines stärkeren Staatsbündnisses den französischen König heiratet. In ungewohnter Umgebung steht sie sowohl ständig in Mittelpunkt allen Interesses, wenn auch hauptsächlich bezüglich eines raschen Ehevollzugs mit anschließender Schwangerschaft.
Jung und unerfahren wird das Mädchen zwischen erlernter Hofetikette, Adelsmechanismen und dem Wunsch nach Identitätsbildung in fremder Umgebung hin- und hergeworfen, erträgt alles duldsam, den schweigsamen und seltsamen Ehemann, die Hofkonkurrenz und das fehlende körperliche Begehren des Königs, um sich eine eigene Nische zu suchen.
Die allerdings besteht in der kompletten Auflösung des Selbst in königlichen Überfluss, die Königin gerät zum Luxusluder, kauft und verschleudert Geld ohne Ende, erwirbt Kleider, Schuhe, Schmuck und Tiere; zieht sich für eine idealistische Version einfachen Lebens in ein kleines Häuschen auf dem Land zurück; führt Theaterstücke auf, um Beachtung außerhalb des sonstigen Rahmens zu erlangen und erwirbt sich den Ruf einer dauerhaft öffentlichen Person, vergnügungs- und verschwendungssüchtig.
Daß Dichtung und Wahrheit dabei kaum mehr unterschieden werden können, muß praktisch nebenbei akzeptiert werden – und das Mädchen bleibt seiner Rolle gegen alle Widrigkeiten und Gefahren treu, weil sie einfach sonst nichts kann…
Wem das jetzt wie eine historisch verbrämte Version von Paris Hiltons Karriere anmutet, dürfte nicht falsch liegen, eine derart „sensationelle“ Person zwischen Zeigen und Meinungsmachen, zwischen Volksunmut und Ausschlachten, das ist ein hehrer Ansatz.
Nur: warum muß man dazu ausgerechnet den schwelgerischen Königshof von vor über 200 Jahren bemühen – nur um die Dekadenz bildlich machen zu können?
Offenbar ist das einer der Gründe, denn die historischen Gegebenheiten, die nachweisbar sind, wirken hier wie Fußnoten, zwingend notwendig dahingeworfen als Orientierungspunkt, jedoch als wenig mehr. Antoinettes gebeugtes Haupt vor dem rasenden Mob erscheint so weniger als kalkulierte Demutsgeste, sondern mehr als hilfloser glücklicher Zufall, als intuitive Reaktion, der berühmte „Kuchen“-Ausspruch wird von ihr selbst als Zeitungsente entlarvt, während die Kamera von außen lediglich das Schloß beleuchtet.
Dieses Vorgehen bedingt jedoch auch eine dramaturgische Dürre ohne Ende, wohl um das reiche, aber leere Leben auch ausgiebig zu präsentieren. Ständig herrscht ein stetes Kommen und Gehen historisch verbürgter Figuren, ohne das erzählerisch mit ihnen irgendetwas angefangen wird. Politisch wird die Zeit maximal rudimentär erwähnt, Marie selbst bleibt eine hüsche Maske, die alles oder auch gar nichts zu sagen hat, das Ebenbild einer Projektionsfläche der Geschichte.
Wenn das die Absicht von Sofia Coppola gewesen ist, dann hat sie damit Erfolg gehabt – das macht „Marie Antoinette“ aber noch lange nicht zu einem interessanten Film. Und schon gar nicht zu einem „punkigen“.
Der sinnfreie sporadische Einbau moderner Rockmelodien in einen historischen Film ohne genauen Bezug beweist maximal, das das Metaphorische eben doch nicht erzwungen werden kann und dass so manche Einkaufsorgie an die exzessiven Szenen des Wiener Lebens in „Amadeus“ erinnern, macht das alles auch nicht innovativer.
Vor dem geneigten Zuschauer plätschert so eine endlose Szenenabfolge mit nur sehr wenigen Höhepunkten vorbei, den Fokus fast ausschließlich auf der Hauptfigur, die aber in ihrem Leben nur wenig gemacht hat, was irgendwie interessant wäre.
So mit der Sensationsgier des Publikums zu brechen, wäre ja schon wieder ein interessanter Schachzug der Regisseurin, provoziert beim Durchschnittszuschauer aber eher ein verwirrtes Achselzucken, was das alles denn nun sollte.
Dem Gossip-geilen Mob hält der Film, der dann auch noch ziemlich orientierungslos mit der Abdankung und der Abreise aus Versailles endet, so jedenfalls nicht den Spiegel vor, da das Subtile und das Beliebige so wirr gemixt sind, das es nur die Geduld strapaziert.
Ausstattungstechnisch sicherlich ein Schmankerl und in der Intention gut gemeint, aber letztendlich zu unausgegoren und wenig durchdacht, um den Brückenschlag zum Publikum zu vollziehen. (5/10)