Die vielversprechensten Regisseure der 90er Jahre inszenieren inzwischen nur noch zwar hochklassige, aber ebenso wenig feinsinnige Marvel-Blockbuster, da kommt es praktisch einer Erlösung gleich, daß Richard Kelly, der der Welt der Filmfans den höchstdiskutablen „Donnie Darko“ schenkte, seiner gewissen kreativen Sperrigkeit treu geblieben ist.
So mochte man glauben, als er sich damals, so um 2005 an die Verfilmung von „Southland Tales“ machte, eine verquere Fiktion bzw. Utopie, die aktuelle, zeitkritische und politische Fragen in ein satirisches Gewand kleiden wollte.
Allein diese Themensuppe versprach schon mal einen frischen narrativen Wind im Blätterwald, denn offenbar wollte da ein junger Filmemacher es allen mal so richtig zeigen.
2006 ging das fertige Produkt dann aber bei der Festivalpremiere dermaßen auf Grund, daß man sich erst einmal gepflegt in den Schneideraum zurückzog, um nachzubessern, Spezialeffekte zu überarbeiten und, natürlich, ordentlich zu kürzen, denn so wilde Konglomerate machen sich mit Spiellängen von annähernd drei Stunden natürlich ungeheuer beliebt.
Ende 2007 kam dann endlich die neue, kürzere und angeblich eingängigere neue Version aus dem Keller, mit 138 Minuten immer noch ein stolzes Stück Film, dessen Massenappeal wie beim Vorgänger entsprechend gering geschätzt wurde und nach einem herausragenden Kurzeinsatz in den Kinos und vernichtenden Kritiken schnell in die DVD-Auswertung weiterverschoben wurde, auf daß er ein Kult-Item werde, wie „Darko“ vor ihm.
So wäre es mir ein Herzenswunsch, dem guten Richard nun, nachdem sich auch in Deutschland ein Verleiher hat breitschlagen lassen, die Absolution zu erteilen – wenn ich den Film ggf. NICHT gesehen hätte.
Keine Sorge, ich reite jetzt nicht mit der These an, daß Kelly gezwungen worden ist, sein Meisterwerk eigenhändig zu ruinieren – es ist schwer zu glauben, daß dieses Wrack von einem Film, errichtet auf einem babylonischen Turm guter Absichten, jemals in irgendeiner Form mehr gewesen ist, als die verquere, unausgegorene Ursuppe im Gehirn eines möglicherweise politisch interessierten, aber unfähig auf den Punkt zu kommenden Künstlers.
Was aber ist denn so schlimm am fertigen „Southland Tales“?
Alles – der Film ist ein visuelles und erzählerisches Kompott, eine zerkochte, bunte Masse nährstoffarmen Mischmaschs.
Ich mach mir jetzt gar nicht erst die herkulische Mühe, die vielen unterentwickelten und sich überkreuzenden Handlungsstränge rund um Zeitreisen, politische Randgruppierungen, Seitenhiebe auf die moderne US-Politik und verquere Stammtischansichten in irgendeiner Form zusammen zu fassen, es lohnt sich nicht, verlängert aber diese Kritik ggf. gleich um das Neunfache.
Ganz offensichtlich befand sich Kelly, so viel hat er wohl eingesehen, bei der Kürzung in einem immensem Erklärungsnotstand, was denn in diesem Film eigentlich vor sich geht, weswegen der reichlich kryptische Offkommentar eines halbvernarbten Justin Timberlake auch noch durch x Zusatzinfos in Form von über die allgegenwärtigen TV-Bildschirme huschenden Nachrichtensendungen angereichert wird.
Das Meiste davon wird im Verlaufe des Films zwar noch aufgegriffen, dient aber eher dazu wenigstens halbgar Kontinuität in etwas zu bringen, was komplett hinüber ist.
Grobporig betrachtet geht es um Datenkontrolle bzw. deren Vermeidung durch staatliche Organisationen, politische Bewegungen, Gier, persönliche Motive und ein paar Erlösungsphantasien (letzteres hat der Film mit „Darko“ gemeinsam), doch was gänzlich fehlt ist eine nachvollziehbare Struktur.
Weit mehr als ein halbes Dutzend Erzählstränge werden in Kapitelform durcheinader geworfen und der Verlauf des Films nutzt praktisch nur dazu, diese zusammen und wieder auseinander zu führen, ohne das substanziell etwas dabei mitzunehmen ist.
Um so schlimmer, daß dementsprechend die Charaktere auch nie mehr als Chiffres in dem weitmaschigen Plot sind, weder emotional noch dramaturgisch berühren und maximal eine vage satirische Funktion allein dadurch erfahren, daß sie gegen den Strom besetzt sind (Gellar als Porno-Starlet mit Geschäftssinn, aber sonst Luft im Hirn; Dwayne Johnson als zittriger Zeitreisender, Jon Lovitz als Killer, Timberlake als Kriegsversehrter, Seann William Scott als Jesusfigur usw.).
Falls es die Absicht war, alles als Lüge, Betrug, Scheinrealität darzustellen, dann ist das Kelly durchaus gelungen, denn kein Thema nimmt er offenbar ernst genug, um sich damit soweit zu beschäftigen, daß man auch eine Aussage dazu treffen könnte – Diskutabilität ist nicht gefragt, hier wird nur aufgefahren und parolenhaft angerissen, was heutzutage von einigen Fans schon als revolutionär gewertet wird. Nur: der denkende Mensch setzt sich gern mal mit zwei oder drei Themen im Fleischwolf auseinander, eine Collage von 20 Themen läßt einen geistig abschalten. Da nutzt auch kein Mehr-Seh-Wert, dafür ist der Film schlichtweg zu langweilig, obwohl im Laufe des Plots tatsächlich fast der komplette Cast von einer in die nächste Welt befördert wird, während zwischendurch Musicalnummern auf das ratlose Publikum hernieder fahren.
Etwas optischen Einfallsreichtum kann man Kelly durchaus bescheinigen, eine praktisch in der Jetztzeit stattfindende Dystopie, die man sich halbwegs noch als realitätsnah vorstellen kann, ist schon mal eine Leistung, aber nichts wirkt zwingend, nichts mitreißend, nichts den Aufwand wert.
Möglicherweise liegt aber auch in diesem sich fast allem verweigernden leichten Nihilismus der Wert dieses Kunstwerks und wo Kunst beginnt, wird die Aktivierung des persönlichen Geschmacks nicht mehr zu verhindern sein. Beängstigend wirkt aber die Vorstellung, das sei wirklich das, was in Kellys Kopf alles so die Runde macht, dann gibt es erheblichen Sortierungsbedarf.
Wer also viel Zeit und Mühe investieren möchte, darf sich gern an einer Analyse versuchen, die bisherigen Versuche wirken auf mich jedoch wie Augenwischerei oder gut gefüllte Knabberschälchen für Stammtischrevolutionäre.
So leid es mir tut, ich muß mich hier vorstellen: Ladies and Gentlemen: Man not caring! (2/10)