Weltuntergangsszenarien sind stets ein bevorzugtes Thema im Geschichtenerzählen. Sei es ein Asteroid mit der Größe des Mount Everest, eine alles dahinraffende Gottesgeißel, außerirdische Invasoren oder der dritte alles vernichtende Weltkrieg inklusive Holocaust. So ziemlich alles wurde bisher in der gängigen Literatur oder im Kino verbraten, sodass inzwischen eine gewisse Eintönigkeit im Genre Einzug erhielt. Vorwiegend im Science Fiction-Metier lassen sich entsprechende Storylines immer wieder entdecken: Schwarze Löcher und Zeitreisen, die die Zerstörung des Universums zur Folge haben, und so weiter und so fort.
Doch genau an diesem Punkt kam im Jahre 2001 der äußerst erfolgreiche Independent-Streifen „Donnie Darko“ ins Spiel, welcher das Debüt des US-amerikanischen Regisseurs Richard Kelly darstellte. Die recht kryptische Geschichte um einen Jungen, der durch die Zeit reist, um das Ende der Welt zu verhindern, traf den Nerv der Zuschauer, sodass der Film schnell zum Kult avancierte und in diversen Internetforen über die genauen Hintergründe der komplexen Geschichte diskutiert wurde. Die Kombination Teeniefilm/Science-Fiction/Drama hat es in dieser Form bisher noch nicht gegeben. Selbst Parallelen zu einem David Lynch ließen sich damals ableiten (doch erreichte Kelly niemals dessen Qualitäten).
Das Besondere an „Donnie Darko“ war - retrospektiv betrachtet - Kellys Experiment durch die Darstellung eines Weltuntergangs das Bild einer verdorbenen Generation zu beleuchten, in der die Jugend durch falsche Dogmen ihrer Individualität beraubt wird. Das Ende der Reagan-Ära ist gleichzeitig das Ende der Autonomie einer jungen Generation, die die Diskrepanz ihrer Pädagogen widerfährt, welche das Weltbild in ein absurdes Gut-Schlecht-Schema zu zwängen versuchen.
Schwächen zeigte der Film immer wieder dann, wenn es um das paradoxe Zeitreisen-Thema ging, welches – außer in seiner Funktion als Metapher – nicht gerade sinnig war und viele Fragen schlichtweg unbeantwortet ließ. Doch auch die publizierte Interpretation Kellys höchstpersönlich brachte nicht wirklich Licht ins Dunkle. Insgesamt funktionierte „Donnie Darko“ als Außenseiter-Drama besser als Science Fiction-Film.
Vor kurzem erschien nun endlich Kellys zweite abendfüllende Regiearbeit in den deutschen Gefilden. Das viel gescholtene, im Kino gnadenlos gefloppte, überlange Werk namens „Southland Tales“, welches mit Darstellern wie Dwayne Johnson, Sarah Michelle Gellar, Justin Timberlake oder Christopher Lambert aufwarten kann, lässt kaum glauben, dass es nicht in die deutschen Lichtspielhäuser geschafft hat. Nach Sichten desselbigen kommt dann die Erklärung dafür.
„Southland Tales“ ist nicht einfach. Ganz und gar nicht. Kellys Zukunftsvision ist ein von Anfang bis Ende mit Ideen, Wendungen, Charakteren, Skurrilitäten und Storylines zugekleistertes Magnum Opus. Denn nichts anderes will der Film sein, außer groß und schwer. Und nach dem Abspann sitzt der Film tatsächlich schwer im Magen, so viel ist sicher. Vorausgesetzt natürlich man schaltet nicht nach 20 Minuten entnervt ab… Manch einer mag dem Film vorwerfen, er sei überfrachtet. Natürlich ist er überfrachtet. Es geht hier nicht weniger als um das Ende der Welt; wenn das nicht überfrachtet ist?
Aber selbst auf narrativer Ebene bewegt sich Kelly stets am Rande des Erträglichen: Es gibt, wie erwähnt, Musicaleinlagen, Actionszenen, ruhige, intensive Momente und drastische, als auch satirisch-überspitzte Augenblicke. Insgesamt aber kann man „Southland Tales“ als Medien- und Gesellschaftssatire wahrnehmen. So sind viele Charaktere realen Vorbildern nachempfunden („The Rock“ persifliert sein Action-Image; Sarah Michelle Gellar als Paris Hilton-Verschnitt) und die politischen Hintergründe eine überspitzte Weiterführung des aktuellen Geschehens. Eine klare Linie gibt es aber nicht. Und trotz der hohen Laufzeit wirkt vieles abgehackt, unlogisch und im Kontext unstimmig. Manches ergibt gar kaum einen Sinn. Nun könnte sich Kelly vielleicht auf dem Umstand ausruhen, dass sich Fans um ihre eigenen Interpretationen bemühen werden; doch um sich so einfach aus der Affäre ziehen zu können, bräuchte es schon einen kräftigen Hauch an Genialität. Doch leider zeigt „Southland Tales“ im Gegensatz zu einem „Donnie Darko“ nicht gerade viel davon. Viel zu verquast wirkt das Ganze. Und im Gegensatz zu einem Lynch bewerkstelligt es Kelly eben nicht Konsequenz zu bewahren. Das mag vielleicht daran liegen, dass er den Film nach katastrophalen Vorführungen vor dem Studio und in Cannes mehrmals umschnitt und einige Szenen nachdrehte; doch was zählt, ist das Endresultat. Und das zeigt sich nur in wenigen Momenten zufrieden stellend.
Manches erinnert direkt an Kellys Debüt, ganze Szenenanordnungen werden kopiert und insgesamt besitzt „Southland Tales“ nur äußerst wenig Wiedererkennungspotenzial. Es fehlt schlicht und ergreifend an denkwürdigen Momenten, wie sie ein „Darko“ en masse besaß. Kelly zitiert und kopiert, ohne wirklich etwas Eigenständiges abzuliefern.
Natürlich macht die Musicaleinlage Spaß, ist die Bildspache wieder einmal hervorragend gelungen, spielt The Rock eine seiner besten Rollen, Sarah Michelle Gellar war selten hübscher anzusehen und allgemein hin ist die Musikuntermalung von Moby als äußerst gelungen einzustufen. Doch all das nützt dem Film nicht viel, denn ein weiteres Mal eine ganze Generation (diesmal die trostlose Zukunft) kurz vor der Apokalypse zu sehen, bei der ein (bzw. zwei) Erlöser die einzige Hoffnung zur Rettung der Welt darstellt, zeugt nicht gerade von Weiterentwicklung.
Richard Kelly ist ein guter Regisseur, doch für ein großes Werk mit Langzeitwirkung reicht das noch lange nicht. Ich glaube zumindest nicht, dass man in zehn Jahren noch von „Southland Tales“ sprechen wird.