„This ist he way the world ends. Not with a wimmer, but with a bang!”
Hoffen wir mal, dass dieses Motto nur auf die Filmhandlung und nicht auf Richard Kelly’s Karriere zutrifft. Nach einer schier endlosen Produktionszeit, einem Pfeifkonzert der Fachpresse bei der Uraufführung auf den Filmfestspielen von Cannes 2006, gab es zwar einige Schnittfassungen später ein limitiertes Kinorelease in den USA, doch hierbei ging der Film gnadenlos baden. Nun ist das Werk auf DVD erschienen und vielleicht besteht ja die Hoffung, doch noch einen zumindest finanziell erfolgreichen Abschluss an dieses Projekt zu hängen, den es auf diesem Weg ja beim indirekten Vorgänger Donnie Darko gab.
Bleiben wir mal kurz bei Donnie Darko, der Erfolgsdruck und die Erwartungshaltung Autor und Regisseur Kelly gegenüber war nach seinem Geniestreich sicherlich ungeheuer groß und beim Versuch es allen Fans recht zu machen ist er wohl ein wenig (nein eher ein ganzes Stück) übers Ziel hinausgeschossen. Der Druck ist sicher ähnlich wie jener der nach „The Sixth Sense“ auf Regisseur M. Night Shyamalan lastete, auch dieser gab erst dreimal in immer schlechter werdenden Versuchen der Erwartungshaltung des Publikums nach bevor er mit Lady in the Water seinen riesigen Zelluloid gewordenen Mittelfinger in Richtung Studios und Publikum winkte. Kelly macht auch das, was die Donnie Darko Fans von ihm erwarteten. Alle Elemente des Vorgängers finden sich teils ins lächerliche überzeichnet auch in Southland Tales, eine undurchsichtige Haupthandlung, welche die Grenze zwischen Realität und dem Fantastischem überschreitet, schrullige und liebenswerte Nebencharaktere, tolle von Charme und Witz sprühende Dialoge und jede Menge mehr oder weniger subtile religiöse Elemente, welche sich als Netz unter dem Handlungskonstrukt verbergen. Und ja, die Welt geht auch wieder ihrem Ende entgegen!
Die Geschichte spielt in einer alternativen Gegenwart in Kalifornien, nach einem atomaren Anschlag auf Texas ist der dritte Weltkrieg ausgebrochen, im fernen Osten kämpfen junge zwangseingezogene Amerikaner mittlerweile im Irak, Iran und Syrien, der Ölnachschub kommt zum erliegen und eine neue unerschöpfliche Energiequelle verspricht Abhilfe. Aufgrund des Krieges geht der Staat härter gegen die eigenen Bürger vor, nach orwellschen Vorbild überwacht die Superbehörde USIdent den digitalen Informationsverkehr. Eine Gruppe Terrorosten, die sogenannten Neo-Marxisten sagen der Regierung den Kampf an. Mittendrin erwacht unser Held Boxer Santaros (Dwayne Johnson) ohne Gedächtnis in der Wüste und wird zum Spielball zwischen den verschiedenen Interessensgruppen. Warum weil er zusammen mit seiner Gelibeten, der ambitionieren Pornoqueen Krysta Now (Sarah Michelle Gellar) ein Drehbuch geschriben hat, welches den kommenden Weltuntergang beschreibt. Und außerdem ist ja gerade noch Wahljahr…
Schon verwirrt? Das ist nur mal die Ausgangslage, der Plot ist bei weitem zu komplex um in eine, wenige Sätze umfassenden, Inhaltangabe gequetscht zu werden. Allerdings ist er auch bei weitem zu komplex um beim einmaligen Ansehen komplett verstanden zu werden, man könnte das ganze böswilligerweise auch aufgebläht und überkonstruiert nennen. Das undurchschaubare Gewirr aus Personen, Realitätsebenen und metaphorischen Anspielungen könnte ja schlicht und ergreifend nur ein Mittel sein von der eigenen Substanzlosigkeit abzulenken. Der Film vereint Motive aus vielen bekannten Streifen, der Aufstand gegen den Überwachungsstaat wie in V for Vendetta, das Strandsetting von Venice Beach inklusiver zweier Musicalnummern, die man auch in Buzz Luhrmann’s Romeo+Julia hätte unterbringen können, die Überwachungsinfrastruktur sehr im Stile von Brazil dazu ein Superschurke und einige Lokationen, die direkt aus einem älteren James Bond Film hätten entnommen sein können. Das ganze zusammengekocht ergibt einen Haufen Storybrei, nicht nur einen Teller voll, nein ehr einen riesigen Topf voller erzählerischen Brei.
Immerhin ein sehr schmackhafter Haufen Brei. Die Umsetzung ist über jeden Zweifel erhaben, Kameraarbeit Schnitt und vor allem der fantastische Soundtrack erwecken dieses erstaunlich realistische Szenario zum Leben, die Sets strotzen vor Details, welche immer kleine versteckte Hinweise auf die gegenwärtige politische Lage geben und somit für entdeckungsfreudige Zuschauer eine helle Freude sind. Die Darstellerriege ist bis in die kleinste Nebenrolle eine Wucht und bestens aufgelegt, das Team hatte bestimmt viel Spass beim Dreh und das merkt man ihnen an. Da hätten wir erst mal Dwayne Johnson als amnesiegeplagten Hollywoodstar, der sich herrlich tapsig anstellt und später überzeigend die Eigenschaften seines filmischen Alter Egos Jericho Kane übernimmt. Auch Sean William Scott macht seinen Job in einer Doppelrolle als Polizist und Terrorist gut. Die Nebendarsteller sind allesamt topp in ihren aberwitzigen Rollen, sei es Miranda Richardson als eisige Chefin der Überwachungmaschine, Kevin Smith als Terrorchef, Jon Lovitz als kaltblütiger Killer, Wallace Shawn als Mad Scientist mit einer seeehr luftig bekleideten Bei Ling als Anhängsel oder gar Christopher Lambert der mit einem Eiswagen voller illegaler Waffen durch die Straßen rollt. Weder einem Der Darsteller noch dem Regisseur Richard Kelly kann man hier irgendwelche Vorwürfe machen, die Kritik richtet sich ehr an Drehbuchautor Kelly. Bleiben wir mal bei dem kulinarischen Vergleich, es ist als hätte er eine riesige Ladung seines Lieblingsgerichtes gekocht, welches er natürlich meisterhaft beherrscht, keine Frage. Allerdings ist die Portion, die er seinen Gästen, respektive Zuschauern, serviert viel zu üppig, als dass diese sie auf einmal verdauen könnten. Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten wie man darauf reagieren kann, irgendwann ist man satt und verweigert die Aufnahme jedes weiteren Happens obwohl der Teller noch nicht lehr ist, oder versucht ein netter Gast zu sein und würgt den Rest anstandslos hinunter wohl wissend, dass man sich gerade überfuttert hat. Es geht sehr viel vor, und vieles bekommt man nur am Rande mit, viele Informationen bekommt man nur im Hintergrund aus laufenden Nachrichtensendungen und Propagandafilmen serviert, hier empfielt es sich sogar ab und zu die DVD anzuhalten um auch die wichtigen Bildunterschriften der Nachrichtenbilder nicht zu verpassen. Der nachträglich eingefügte Erzähler (Justin Timberlake als Irak-Veteran) hilft auch nur sehr bedingt weiter, da seine Beziehung zum geschehen und die Quelle seiner Allwissenheit größtenteils unerklärt bleibt.
Fazit: Richard Kellys Southland Tales ist ein Film fernab jeder konventionellen filmischen Norm, eine riesige bestens aufgelegte Darstellerriege in skurrilen Rollen schlägt sich durch ein beklemmendes perfekt inszeniertes Szenario welches voller religiöser und gesellschaftskritischer Motive daherkommt. Allerdings überschreitet die Komplexität der Handlung deutlich den Rahmen den man sinnvoll in zwei Stunden Film unterbringen kann. Es ist ein schmaler Grat zwischen selbstverliebtem Egotrip und provozierendem Kunstwerk, Kelly wandert auf dieser Linie, wobei ihm Teile des Publikums auf der positiven andere deutlich auf der negativen Seite sehen werden. Sicherlich wird dieser Film seine Fans finden, welche Seitenlange Analysen und Theoriedebatten entfachen werden, das Potential Southland Tales zu sezieren und als Projektionsfläche für die eigene religiöse und politische Weltanschauung zu nutzen ist definitiv vorhanden. Nur die Frage um die man sich nicht herumdrücken kann ist einfach, ist es ein guter Film? Die Antwort wird im Auge des Betrachters liegen ich werde an dieser Stelle nicht versuchen den Film als Kunst zu rechtfertigen oder als Schund abzuurteilen. Jeder sollte dies für sich selbst entscheiden, auf alle Fälle kann ich mit gutem Gewissen sagen, dass Soutland Tales über seine gesamte Laufzeit Spaß macht und keine Sekunde langweilt. Ist ja auch nicht schwer wenn man einen Film derart voll stopft, auf alle Fälle muss man hier mit maximaler Aufnahmefähigkeit an die Sache rangehen, oder man läuft Gefahr sich recht schnell den Magen zu verderben und entnervt das Handtuch zu schmeißen. Sehr hübsch, sehr interessant aber unbestreitbar überfrachtet.