Die enge, weit verzweigte Zusammenarbeit unter den Künstlern gehört zu den außergewöhnlichen Merkmalen der italienischen Filmlandschaft bis in die 80er Jahre. Besonders die Rollen hinter der Kamera - Regie, Drehbuch und Kameramann - erfuhren innerhalb großer Gruppen wechselseitige Besetzungen und verschiedene Kombinationen, deren gegenseitige Beeinflussungen über eine große Anzahl an Filmen oft nur noch mühsam nachvollzogen werden können. Es erstaunt wenig, dass kein Filmland mehr Episodenfilme, gedreht unter der Hoheit verschiedener Regisseure, produziert hat als Italien - eine Inszenierungsform, die beispielsweise in Deutschland nie über den Status der Exotik hinaus kam (siehe den Essay "L'amore in città und die Folgen - der italienische Episodenfilm"). Neben der kreativen Vielfalt förderten die Episodenfilme junge Regisseure und Autoren, die eine Chance erhielten, ihr Können an Hand von Kurzfilmen zu beweisen, die unter einem gemeinsamen Oberbegriff zusammengefasst wurden.
"Extraconiugale" (Seitensprünge), der Mitte der 60er Jahre herauskam, als der Episodenfilm in Folge von "Boccaccio '70" (1962) einen Boom erlebte, steht beispielhaft für die Initialzündung, die von einem solchen Film ausgehen konnte - nicht nur als Karrieresprung, sondern auch in stilistischer Hinsicht. Dank der von einer Vielzahl an Künstlern getragenen Interpretationen ließen sich Tabu-Brüche riskieren, weshalb sich fast alle Episodenfilme dieser Phase sexuellen Themen widmeten - als Ausdruck des soziokulturellen Wandels und Kritik an den bestehenden Verhältnissen. Dass die Macher für die Umsetzung die komödiantische Form wählten, verdeutlicht das damalige Wagnis. Nur als Farce oder Satire konnte man Männlein und Weiblein unter dem moralischen Deckmantel auf den Zahn fühlen - entsprechend gelten die Episodenfilme heute mehrheitlich als Vertreter der „Commedia all’italiana“.
Auch „Extraconiugale“ ist in dieser Hinsicht keine Ausnahme, sondern näherte sich mit humorvoller Leichtigkeit dem außerehelichen Geschlechtsverkehr, der im patriarchalisch geprägten Italien schnell zu einer lebensgefährlichen Angelegenheit ausarten konnte. Einerseits entsprach es dem männlichen Selbstbild, reihenweise Frauen beglücken zu wollen, andererseits konnte es keine größere Beleidung für einen Mann geben, als als „Cornuto“ (Betrogener) bezeichnet zu werden. Wie üblich nutzten die drei Regisseure die episodische Form, um sich von unterschiedlichen Seiten ihrem Thema anzunähern – Teil 1 „La doccia“ (Die Dusche) blieb im Bereich der Fantasie, Teil 2 "Il mondo è dei ricchi" (Die Welt gehört den Reichen) konkretisierte den Aufstand eines Verlierer-Typen und Teil 3 "La moglie svedese" (Die schwedische Ehefrau) wählte den Blickwinkel eines scheinbar betrogenen Mannes. Alle drei Teile aber eint, dass sie gezielt den Voyeurismus bedienten, indem sie jeweils eine hübsche junge Darstellerin erotisch in den Mittelpunkt stellten. Besonders der von Mino Guerrini inszenierte Mittelteil verfügt schon über wesentliche Merkmale der späteren „Commedia sexy all’italiana“. Keine überraschende Feststellung, angesichts einer Besetzung vor und hinter der Kamera, die zu den Wegbereitern des erotischen Genres gehört.
Der Drehbuchautor Massimo Franciosa, der hier eine seiner wenigen Regie-Arbeiten ablieferte, hatte zuvor jahrelang mit Pasquale Festa Campanile („Il merlo maschio“ (Das nackte Cello, 1971)) zusammen gearbeitet und steht für eine sanftere Auslegung der Erotik-Komödie als sein ehemaliger Compagnon. Luigi (Gastone Moschin), der Protagonist der ersten Episode „La doccia“ ist ein Bau-Ingenieur mittleren Alters. Verheiratet und durchaus erfolgreich leidet er ein wenig unter der Ereignislosigkeit seines Lebens, zudem konfrontiert mit Roberto (Lando Buzzanca), dem jüngeren Bruder seiner Frau (Liana Orfei), der mit ihnen in der gemeinsamen Wohnung lebt. Wenig daran interessiert arbeiten zu gehen, liegt Roberto bis abends im Bett und hört immer denselben Schlager der Sängerin Marestella (Lena von Martens), für die er in Liebe entflammt ist. Ein Einfluss, dem sich auch Luigi nicht entziehen kann. Als er von einem Zulieferer den Prospekt einer spiralförmigen Dusche erhält, geht mit ihm die Fantasie durch – gemeinsam sieht er sich in Tagträumen mit Marestella nackt unter der Dusche.
Franciosa schrieb das Drehbuch zu seiner Episode gemeinsam mit Franco Castellano und Giuseppe Moccia, die in den kommenden Jahrzehnten nicht nur für manche Sex-Komödie („Il prode Anselmo e il suo scudiero“ (1972, Decamerotico, Regie Bruno Corbucci) und Militärklamotte ("Il colonnello Buttiglione diventa generale" (Herr Oberst haben eine Macke, 1974) Regie Mino Guerrini) verantwortlich wurden, sondern als "Castellano und Pipolo" in mehr als 20 Filmen zusammen Regie führten, die in den 80er Jahren zu den wirtschaftlich erfolgreichsten der italienischen Filmgeschichte gehörten („Il bisbetico domato“ (Der gezähmte Widerspenstige, 1980, mit Adriano Celentano und Ornella Muti). Auch die beiden männlichen Hauptdarsteller Gastone Moschin und Lando Buzzanca wurden zu entscheidenden Protagonisten der kommenden Erotikfilm-Welle. Bis sie Mitte der 70er Jahre von Chaos-Typen wie Alvaro Vitali abgelöst wurden, gab Moschin oft den Durchschnittsbürger mittleren Alters („Dove vai tutta nuda?“ (Warum läufst du immer nackt herum?, 1969), Regie Pasquale Festa Campanile) und Lando Buzzanca verkörperte unzählige Male eine Mischung aus Trottel und Lebemann („Warum habe ich bloß 2x ja gesagt“ (1969)).
Abgesehen von den dezenten Nacktaufnahmen mit der schönen Finnin Lena von Martens im Mittelpunkt, hielt sich die erste Episode hinsichtlich ihrer Provokation zurück. Die außerehelichen Aktionen finden nur in der Fantasie statt, allerdings nicht ohne ein überraschend versöhnliches Ende für den geplagten Ingenieur. Dagegen ist Mino Guerrinis zweite Episode von einem anderen Kaliber wie schon der Titel „Die Welt gehört den Reichen“ andeutet. Guerrini schrieb nicht nur das Drehbuch, sondern ließ es sich auch nicht nehmen, einen im Maserati herumrasenden Kapitalisten zu mimen, der sich über Gastone (Enzo la Torre) lustig macht. Gastone ist ein kleiner Beamter in Mantova, der von allen Seiten Häme und Verachtung erfährt. Seine vor dem Fernseher hockende Ehefrau, sein Chef oder seine zwei Kollegen hacken nur auf ihm herum, auch die schöne Nachbarin Ileana (Agatha Flori), die in einer Filmwelt lebt, sich selbst als Sophia Loren sieht und von harten Kerlen träumt, nimmt ihn nicht wahr.
Für eine Gesellschaftskritik sind Guerrinis Charakterisierungen zu übertrieben, aber sie gaben ihm die Gelegenheit ordentlich auf den Putz zu hauen. Als Gastone auf Grund einer Zeitungsmeldung glaubt, den Hauptgewinn im Toto gewonnen zu haben, beginnt er den Spieß umzudrehen. Sein Chef bekommt einen Tritt, der Maserati und der Fernseher werden zu Schrott verarbeitet (beim Maserati wurde getrickst, denn das hätte das Budget gesprengt) und die Nachbarin bekommt die Schläge, die sie von einem harten Kerl erwartet. Natürlich mit dem gewünschten Ergebnis – seine Frau putzt ihm ergeben die Schuhe und die Nachbarin legt einen heißen Striptease hin. Mit irgendeiner Realität hatte das nichts zu tun, persiflierte aber schön die Macho-Klischees und sorgte auch für die gewünschten erotischen Bilder – ein früher noch dezenter Blick in die Sex-Komödien der 70er Jahre.
Giuliano Montaldo, 1964 noch ein Newcomer auf dem Regie-Stuhl, schuf mit der dritten Episode eine Art Kommentar zu den humoristischen Versionen seiner Partner, die außer Guerrini alle am Drehbuch mitwirkten. Hinzu kam noch Luigi Magni, ebenfalls ein Protagonist des erotischen Films der kommenden zehn Jahre, der als Autor mehrfach mit Pasquale Festa Campanile zusammenarbeitete ("La cintura di castità" (Der Keuchheitsgürtel, 1967)). In „La moglie svedese“ wirkt einzig die Figur der schwedischen Ehefrau Eva (Maria Perschy) überzeichnet. Gerade weil sie sehr sympathisch ist, ist ihr Verhalten zu ignorant gegenüber der aus Süditalien stammenden Familie ihres Mannes Renato (Renato Salvatori), die sie in ihrer Wohnung in Rom besuchen. Als ob Montaldo und seine Kollegen bewusst die Konfrontation zwischen konservativer Realität und der aufkommenden Modernisierung der Gesellschaft gesucht hätten, lassen sie Eva jeden Fehler begehen, den sie begehen kann – gleichberechtigtes Verhalten als Frau, fehlende Scham und lockerer Umgang mit anderen Männern.
Renato, der als Gastarbeiter in Schweden lebt, wo er Eva kennen und lieben lernte, bewahrt lange Haltung und versucht seiner Familie und Freunden ihr Benehmen zu erklären, aber er kann sich auf Dauer der Archaik nicht entziehen, die von ihm fordert, die Ehre der Familie zu bewahren. Die vorherrschende Ernsthaftigkeit der dritten Episode, deren wenige Nacktaufnahmen die Situation noch zuspitzen, steht beispielhaft für Montaldos weiteren Weg, der als einziger Verantwortlicher des Films dem Komödien-Genre fernblieb. Nach Thrillern wie "Ad ogni costo" (Top Job, 1967) und "Gli intoccabili" (American Roulette“, 1969) wurde der passionierte Dokumentarfilmer später für seine gesellschaftskritischen Filme bekannt („Sacco e Vanzetti“ (Sacco und Vanzetti“ (1971)). Trotz des leichten Erzähl-Gestus ließ Montaldo an dem bösen Ende seiner Episode keinen Zweifel – ein Ende, das letztlich den gesamten Film erdet und damit die Tragweite vermittelt, die das Thema außerehelicher Sex damals noch beinhaltete. (8/10)