"Blow" hat ein enormes Problem.
Er ist nicht richtig schlecht.
Er ist nicht richtig gut.
Und das ist immer schlecht.
Ich kann nicht von mir behaupten, daß ich mich nicht amüsiert hätte während der zweistündigen Odyssee durch die Lebensgeschichte des George Jung, aber ich muß auch berichten, daß ich vor allem gegen Ende des öfteren auf die Uhr geschaut habe, weil ich es endlich hinter mich bringen wollte.
Die wesentliche Schwierigkeit liegt dabei in Aufbau, Figuren und Schauspielerwahl, sowie nicht zuletzt in der Geschichte selbst.
Niemand könnte behaupten, Jung hätte kein aufregendes Leben gehabt und dem fühlt sich Regisseur Ted Demme offensichtlich verpflichtet. Also führt er alle wesentlichen Sequenzen der Biographie von Mitte der 60er bis zu den 90ern an, möchte einen ganzen Strauß von Eindrücken bieten.
Nur bleibt es leider bei Eindrücken, hintereinander geschachtelten Episödchen, die jeweils einem anderen Tenor zugeordnet sind. Zunächst der Fundealer mit seiner großen Liebe Franka Potente. Nach derem Tod bald der richtige Dealer und Gefängnisinsasse. Dann die Miami Vice-ähnlichen Escobarsequenzen. Später seine eigene Frau und mit ihr der Niedergang. Das Drogenwrack und letztendlich der große Verlierer.
Der Zuschauer ist so gezwungen, das alles häppchenweise zu schlucken und zusammengezählt wird ein Riesenbissen daraus, der jedoch nicht schmecken will, weil gleich nachgeschoben wird.
Das führt uns zu einer weiteren eklatanten Schwäche: die Figuren dieser Geschichte!
Jetzt mal ungeachtet historischer Richtigkeit, gibt es keinen Charakter in diesem Film, in den sich der Zuschauer einklinken könnte oder wollte, abgesehen vielleicht von Potente, die jedoch nach einer halben Stunde den Löffel reichen muß. George Jung an sich ist ein Loser.
Wie auch im Offkommentar gesagt wird, ehrgeizig, aber ohne Talent. In starker Vaterbindung, fehlt die Leitung zur (schwachen) Mutter, die in einer falschen Frauenwahl resultiert. Nur allzu selten begehrt er einmal auf, wenn man ihn über den Tisch zieht und dann macht er das auch noch falsch. Allein in der letzten halben Stunde hat Jung so viel Pech, daß man es einem geneigten Zuschauer eigentlich kaum zumuten kann, dabei ruhig im Kino zu sitzen, anstatt nach Blut und Schlägen zu schreien.
Da Jung jedoch Dreh- und Angelpunkt ist, fokussiert die Kamera auf ihn, doch irgendwann ist das Mitleid aufgebraucht.
Richtig bergab geht es stimmungsmäßig dann bei den Nebendarstellern. Sein Vater ist ähnlich schwach wie er, seine Mutter gierig nach Geld und ständiger Verräter an ihrem Sohn. Wenn sie den flüchtigen Depp an die Polizei verrät, ist das die schmerzhafteste Szene des Films. Jungs Drogenkumpel Diego bescheißt ihn nach Strich und Faden, als er endlich die Gelegenheit dazu hat und bringt ihn zweimal beinahe um. Und als Krönung noch Jungs Ehefrau (Penelope Cruz). Hier stellt Demme allerdings einen beachtlichen Rekord auf: das dürfte die widerlichste, egoistischste, mieseste, zugekoksteste, nach Schlägen geradezu bettelnde Drecksschlampe sein, die je Eingang in ein Drehbuch gefunden hat. Jung kommt nie gegen sie an und sie reißt ihn ständig rein - nicht gerade der Stoff, den man auf Dauer sehen möchte. Hier ist auch ein leichter Etikettenschwindel bemerkbar, denn anhand des Filmposters macht es den Eindruck als wären Cruz und Depp die liebsten Kumpels im Drogengeschäft.
So besitzt der Film zwar ordentlich Farbe, verschafft sich aber in kaum einer Szene wirkliche Sympathien oder ermöglicht dem Zuschauer Zugang zu den Figuren. Dabei hätten die Darsteller da besseres verdient gehabt. Depp spielt um sein Leben, ist jedoch mit zu überbrückenden 30 Filmjahren sichtlich überfordert. Interessanterweise bekommt er noch den 18jährigen hin, scheitert aber am ca. 40jährigen, der er beinahe selbst schon ist. Was er an Einsatz bietet, ist hervorragend, wird jedoch von dem offenbar selbstverliebten Maskenbildner und Kostümdesigner wieder negiert. Depps Kostüm- und Klamottenparade ist nicht nur aus der abgeschmacktesten Ecke der Kleiderkammer, das Outfit wird auch mit zunehmender Filmlänge immer schriller und unpassender. Bisweilen trägt er in den Achtzigern Disco-Style-Klamotten oder reitet in scheußlichen Trainingsanzügen jeden Geschmack zu Tode. Seine Altersfalten sehen zu stark nach Maske aus, so daß nicht mal mehr sein Treuherzigkeitsbonus bleibt und die Kollektion von Perücken, die man ihm aufs Haupthaar gepfropft hat (ca. 30 verschiedene) ist schlicht lächerlich. Potente strahlt zwar in ihren Szenen, fällt mit ihrer Stimme jedoch gegen die markanten Synchronsprecher ziemlich ab. Cruz wird zur Furie, wenn es darum geht, dieses menschgewordene Stück Scheiße zu portraitieren und Paul Reubens liefert eine Bravourvorstellung als schwuler Friseur.
Doch alle Schauspielbemühungen erstarren in Styling-Klischees und können nicht voll und ganz befriedigen. Hier wäre Zurückhaltung besser gewesen, doch die allgegenwärtige Grellheit läßt jedes Gefühl für Farbe abstumpfen.
Und so zieht die Geschichte an uns vorüber, die nie verhehlen kann, daß sie keine schöne Geschichte ist. Eine Story voller Loser, blöder Fehler, falscher Entscheidungen, schlechter Menschen.
Das ist natürlich endlich mal was anderes als das übliche Hollywood-Biographie-Schema, doch wo kein Zugang, da kein Beifall. Blow bleibt seltsam fremd und gestellt, es stellt sich kein Verwandtschaftsgefühl ein. Trotzdem kann er bisweilen unterhalten, hie und da schockieren und bietet den Auge einiges an. Doch man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß hier zuviel Nutella auf zuwenig Brötchen geschmiert wurde. Optischer Overkill ohne die nötigen feinen Töne, aber bei dem üblichen Sommerschrott auf jeden Fall eine Sichtung wert. Oder eben auch nicht. (5/10)