Mit was haben wir es hier eigentlich zu tun und was will „Blow“ überhaupt letzten Endes darstellen? Um mich dem allgemeinem Tenor anzuschließen, ich weiß es auch nicht so genau. Regisseur Ted Demme, der ironischerweise wenig später selbst aufgrund von Drogen verstarb, verfilmte hier das Leben von George Jung, dem wohl einflussreichsten Drogendealer der amerikanischen Geschichte mit Johnny Depp („The Ninth Gate“, „From Hell“) in der Hauptrolle, ohne weitere Ambitionen zu hegen.
Zweifellos stellt „Blow“ zumindest auf den ersten Blick einen soweit kurzweiligen Mix aus Biopic und Drogendrama dar, dem in der letzten halben Stunde leider die Luft ausgeht, weil er einfach etwas zu lang läuft, ohne einer klaren Linie zu folgen. Unterteilt in Episoden, die jeweils die Jahrzehnte der „Karriere“ von Jung beinhalten, erhält man nicht nur einen Einblick in die dort vorherrschenden Zeitgeister, sondern eben auch einen Anblick in die Entwicklung Jungs.
Von der Ausstattung bis zur leichtfüßigen Erzählweise geht der Plan auch soweit aus. Es ist weder Tarantino noch Terry Gilliam, aber es riecht gut, sieht gut aus und ist in den Dialogen gewitzt. Außerdem amüsieren die Rückblicke schon allein deswegen, weil insbesondere die zurückliegenden Siebziger und Achtziger heute ja schon längst aufgrund ihrer Andersartigkeit Kultstatus genießen – nicht zuletzt dank des treffsicheren Scores.
George Jung war jedenfalls zum Loser geboren. Sein Vater (immer wieder ein Genuss: Ray Liotta, „No Escape“, „Narc“) schuftete, doch niemals reichte sein Verdienst aus, seine Mutter verließ ihn daraufhin mehrmals, um dann regelmäßig wieder zurückzukehren. Ohne eine familiäre Idylle, schon früh in dem Bewusstsein bestärkt später mal aus diesem Dilemma von einem Leben auszubrechen, zieht er zusammen mit seinem besten Kumpel nach Kalifornien, wo, so seine naive Meinung, wohl der Himmel auf Erden sein muss. Er lernt hier nicht nur die attraktive Stewardess Barbara Buckley (Franka Potentes unauffälliges Hollywooddebüt), sondern auch zum ersten Mal Drogen kennen und arbeitet sich, vom Ehrgeiz gepackt, im Laufe der Jahre zum größten Drogendealer Amerikas hoch. Marihuana war nur der Anfang, der Einstieg in das Geschäft der harten Drogen (Heroin, Koks) soll ihn erst im Geld schwimmen lassen.
Seine Losermentalität wird er dabei nie los. Entweder wandert er in den Bau, stirbt seine Freundin oder wird er von seiner eigenen Mutter an die Polizei verraten, beziehungsweise von den vermeintlichen Freunden hintergangen und aus dem Geschäft gedrängt. Das Einzige was er kann, ist Drogen verticken und deswegen steht er am Höhepunkt seiner Karriere auch im engen Kontakt mit Kolumbiens oberstem Drogenboss. Trotzdem bleibt er ein Verlierer, der sich an Rückschläge gewöhnt...
Schön und gut, aber was soll das alles? „Blow“ kann man seinen Unterhaltungswert nicht absprechen. Dafür inszeniert Demme ihn zu amüsant und gekonnt. Wer „Blow“ als oberflächliche Trip ins Drogenmilieu verstehen möchte, sei damit bedient. Es fehlt damit nur die Existenzberechtigung, denn wenn man sich anstatt einer fiktiven einer reellen Person annimmt, sollte daraus auch schon ein aussagekräftiges Resultat bei herauskommen und genau dieses fehlt dem Film leider.
Der fehlende rote Faden, der nicht durch die Kapitel führt, fällt dabei gar nicht so negativ auf. Es fehlt an Zugängen, insbesondere bezogen auf Jung selbst, der bis zum Ende ein x-beliebiger Drogenverkäufer sein könnte, wie sie den Phantasien eines Quentin Tarantino entspringen. Interessantes Terrain, wie die Beziehung zu seinem Vater und die sich nach dem Verlust seines Vermögens sich plötzlich in eine ganz andere Richtung entwickelnde Beziehung zu seiner Frau Mirtha Jung (bemerkenswert: eine nach Prügel schreiende Penélope Cruz, „Vanilla Sky“, „Gothika“), wird eher stiefmütterlich behandelt, zu rasant schreitet der Film voran. Drogenexzesse, Knastaufenthalte und immer neue Kontakte sind wichtiger.
Fazit:
Deshalb bleibt zum Schluss ein zwar unterhaltsamer, aber auch meist zielloser und oberflächlicher Blick auf George Jung, der schließlich ein bemitleidenswertes Leben im Knast führt, weil er den Ausstieg aus der Szene, den er dann doch wollte, nicht rechtzeitig schaffte. Es fehlt eine Aussage oder ein Resümee. So hinterlässt „Blow“ neben dem Wissen, dass Johnny Depp scheinbar nicht schlecht schauspielern kann, zu viele Fragezeichen. Es geht hoch und runter, aber was sollte das jetzt alles? Inszenierung top, inhaltlich ein Flop. Access denied.