Die wahre Geschichte, der drei Jahrzehnte im Leben eines Kriminellen. Angefangen vom rapiden Aufstieg in den Swinging Sixities und endend beim jähen Fall in den drogenverseuchten Achtzigern. Bebildert in schicker Retro-Optik, schnellen Schnitten, untermalt mit reichlich Off-Kommentar und vertont mit zeitgemäßer Rockmusik. Klingt alles ganz schwer nach „Casino“ (1996) und tatsächlich erreicht „Blow“ stellenweise sogar die Rasanz seines großen Vorbilds. Gegen Ende verzettelt sich Regisseur Ted Demme allerdings in etwas moralinsauren Erklärungsversuchen für die Ursachen der gescheiterten Existenz des Drogenbarons George Jung. Der starken Darstellung von Johnny Depp ist es zu verdanken, dass das Geschehen durchgängig sehenswert bleibt.
George Jung (Johnny Depp) entwickelt sich in Florida der endenden Sechziger Jahre zur lokalen Dealergröße für Marihuana. Nach dem Tod seiner Freundin und Komplizin Babara (Franka Potente), seiner ersten Verhaftung und der daraus resultierenden Bekanntschaft mit Diego (Jordi Mólla) steigt er auf Kokain um, und gerät binnen kurzer Zeit zum größten Dealer der Vereinigten Staaten. Als George eine Beziehung mit der heißblütigen Mirtha (Penelope Crúz) anfängt und Diego ihm das Geschäft streitig macht, beginnt sein stetiger Abstieg. Vergeblich versucht er nach der Geburt seiner Tochter, den Absprung aus dem Geschäft zu schaffen. Getrieben von dem Gedanken, ihr ein gutes Leben zu bieten, lässt er sich immer wieder in kriminelle Machenschaften verstricken und landet schließlich lebenslänglich, völlig verarmt und geistig verwirrt im Gefängnis.
Die Annäherung an den Charakter Georg Jung versucht Regisseur Ted Demme auf unterschiedliche Weise. Auf der einen Seite werden die Ursachen für seine Entwicklung im familiären Umfeld verortet. Zunächst in seinem Elternhaus, dass als Spiegelbild zu seiner eigenen Familie angelegt ist und später in seiner eigenen Familie. Hier der durchsetzungsschwache Vater, dort die patriachalische Mutter, mittendrin das einzige Kind, dass unter den Spannungen seiner Eltern zu leiden hat. Schlägt sich der junge George Jung tendenziell auf die Seite seines Vaters, so zieht es seine eigene Tochter später zu ihrer Mutter. Diese für ihn bittere Erkenntnis ist eine nachvollziehbare Erklärung für den finalen geistigen Genickbruch im Gefängnis. Schleierhaft bleibt allerdings, warum Mirtha derart unausstehlich, gar furiengleich portraitiert wird und sie trotzdem von ihrem gemeinsamen Kind den Vorzug vor Vater George erhält. Dieser Teil, der das Schlussviertel des Films einnimmt, ist auf diese Weise nicht durchgängig stimmig geraten und drängt den Zuschauer zum ersten Mal den Verdacht auf, dass die Person Georg Jung weitgehend verklärend dargestellt wird.
Der zweite Annäherungsversuch erfolgt über das Umfeld, in dem sich George Jung bewegt. Beflügelt von der Sonne Floridas und dem Flower-Power-Geist der Swinging Sixities beginnt er am Anfang seiner Karriere wie selbstverständlich Drogen zu verkaufen. Die Ausstattung des Films ist dabei eine wahre Augenweide, braucht sich hinter seinem großen Bruder „Casino“ (1996) zu keinem Zeitpunkt zu verstecken und verdeutlicht fabelhaft den Flair der Zeit und damit auch die Beweggründe unseres Protagonisten. Folgerichtig unterschätzt er die Ernsthaftigkeit seiner ersten Verhaftung und lässt sich im Gerichtssaal zu einer weltfremden Gebt-das-Hanf-frei-Rede hinreißen. Franka Potente, in ihrem relativ kurzen ersten Hollywoodauftritt, nimmt in diesem Kapitel trotz ihres Berufs als Stewardess die Funktion der bodenständigen Frau an der Seite des nach immer höheren Zielen strebenden George Jung ein. Ihr Krebstod lässt ihn alle Zügel vergessen, geschäftlich und privat steigt er von harten auf weiche Drogen um und baut sein Imperium in gleichsam grenzenloser der Euphorie und Naivität immer weiter auf. Diese Epoche erfolgt in den wilden Siebzigern, Sexorgien, Drogengelage und mehr Geld als man zählen kann inklusive. Schließlich hat er keine wahren Freunde mehr, sondern nur noch Geschäftspartner, die ihn jederzeit zu ihrem eigenen Vorteil hintergehen würde. Stellvertretend symbolisiert Penelopez Cruz hier die Frau seiner Träume, die selbst aber viel stärker an materiellen Statussymbolen, denn an wahrer Liebe interessiert scheint. Ihr Charakter ist mit den unkontrollierbaren Gefühlsschwankungen forciert durch exzessiven Drogenkonsum ist maßgeblich am Niedergang des Protagonisten beteiligt, wirkt bisweilen aber wie eine blasse Kopie von Sharon Stone’s Part in Casino.
Das etwas hausbackene Ende, bei dem George plötzlich Vatergefühle entwickelt und sich alle Welt gegen ihn zu verschwören scheint, ist in seiner subjektiven Sichtweise zwar konsequent, wirkt aber ein wenig altbacken. Hier retten Johnny Depps Schauspielkünste über die Zeit, in seiner Interpretation wandelt sich George Jung vom erfolgreichen, pfiffigen und attraktiven Hallodri glaubhaft zum veramten, körperlich und geistig zerstörten und gescheiterten Vater. Ein Film mit wenig Schwächen, sehr sehenswert, auch wen er nicht durchgängig die Klasse des genialen „Casinos“ (1996) erreicht. Dafür wirkt die Story zu episodenhaft und gestückelt.
Daran werde ich mich noch lange erinnern.
Zitat: „Gegen Ende musste ich einsehen, dass mein Talent kleiner war, als meine Ziele.“