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Wolfgang Petersen lichtet mal wieder den Anker. "Das Boot" konnte gerade noch mit Ach und Krach in La Rochelle einlaufen, bevor es durch feindliche Flieger versenkt wurde; George Clooneys Nussschale in "der Sturm" ging direkt an Ort und Stelle unter. Nun muss also ein Luxus-Schoner baden gehen.

Bis so ein hartnäckiges Ungetüm von der tosenden See verschlungen ist, dauert es natürlich seine Weile. Knappe eineinhalb Stunden nämlich. Bleiben noch zehn Minuten, um uns die mehr oder weniger Glücklichen vorzustellen, die nicht sofort Schlag zwölf von der Monsterwelle wegspült werden. Lebte "das Boot" von seinem psychologischen Momentum - das freilich mehrere Stunden Laufzeit zur Entfaltung zugestanden bekam - gedeiht die Effektorgie"Poseidon" auf charakterlichem Brachland.

Aber hey, dies ist ein Katastrophenfilm. Und was für einer! Kaum hat der Luxusliner Schlagseite, gerät die Suche nach dem rettenden Ausgang zur reinsten Tour de Force. Feuerwalzen, einstürzende Neubauten und natürlich jede Menge überflutete Räume - da bleibt sprichwörtlich nicht viel Zeit zum Luftholen. Während man Zeuge wird, wie formschön mal eben 150 Millionen USD versenkt werden können, ist man Wolfgang Petersen fast geradezu dankbar, dass er auf eine allzu ausführliche Figurenzeichnung verzichtet hat.

Gut, es mag befremdlich wirken, wenn der Senior der Gruppe (Richard Dreyfuss), gerade noch mit suizidalen Neigungen, den einzigen kompetenten Reiseführer den Fahrstuhlschacht hinunter befördert, um seine eigene Haut zu retten und dann einfach so zur Tagesordnung übergeht. Auch beim Ableben einer Dame, die gerade jämmerlich ertrunken ist, erwartet man eine emotionalere Rührung aller Beteiligten, selbst wenn sie den gesamten Tross mit ihrer hysterischen Angst vor Wasser, Leichen und schmalen Gängen eigentlich nur behindert hat. Und dennoch: Die Anspannung wächst.

Katastrophenfilme spielen mit den Ängsten des Publikums. Ob es nun die Furcht vor Flugzeugabstürzen oder Terroranschlägen ist - es bleibt immer die gleiche, perfide Masche. In "Poseidon" ist es die allgegenwärtige Gefahr durch eine der qualvollsten Todesarten, die man sich wohl vorstellen kann. Das Wasser, eigentlich Quell des Lebens, verkommt zur alles bedrohenden Naturgewalt. Und während unsere austauschbaren Protagonisten durch geflutete Schächte kraulen, erwischt man sich in Gedanken bei der Frage, ob man die 50 Meter zur nächsten Luke auch bewältigt hätte. Die bittere Antwort, in Anbetracht der eigenen Raucherlunge und der wiederkehrenden Erinnerungen, dass man nur das Schwimmpferdchen geschafft hat, sorgt für Schaudern. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit, mal auf einem Kreuzer herum zu tuckern, das einen derart fatalen Schiffsbruch erleidet, verschwindend gering ist. Genauso unwahrscheinlich ist es allerdngs  auch, von einem großen Weißen Hai mit einer knusprigen Seerobbe verwechselt zu werden. Aber wie Spielbergs "Jaws" muss man "Poseidon" zu Gute halten, dass er seine Wirkung nicht verfehlt, zumindest abgelöst von dem, was uns die etwas laue Mixtur aus gestandenen, aber leicht abgehalfterten Mimen (Kurt Russel und eben Dreyfuss) und wenig schmissigen Jungschauspielern (u.a. Mike Vogel) serviert.

Natürlich hinkt der Vergleich zwischen Spielbergs fundamentalem Tierhorror und Petersens modernem Karussell der Schiffsbrüchigen gewaltig, und selbstverständlich gehört "Poseidon" nicht zur Speerspitze des pyschologischen Horrors. Dafür ist er zu sehr Unterhaltungsfilm, der mit den leider üblichen Schwächen des Blockbusterkinos zu kämpfen hat: Eine dünne Story, die platte Figurenzusammenstellung und die obligatorischen, für die Fortsetzung des Plots meist auch notwendigen Logiklöcher (wenn auch an dieser Stelle im erträglichen Umfang), katapultieren den Streifen zurück ins Mittelmaß. Und auch die letzte Szene, in der die Überlebenden das sinkende Schiff verlassen und vor ihrem Ausgang eine ausgeblasene Rettungsinsel vorfinden, zeugt nicht von Originalität. Ein Verzicht aufs Happy End hätte dem Streifen sicherlich besser zu Gesicht gestanden.

Aber ich bleibe dabei: Im Genre der Katastrophenschinken nimmt "Poseidon" einen Platz im gehobenen Mittelfeld ein. Gut möglich, dass die Hochglanz-Optik und die Non-Stop-Action zwei oder drei Schwächen zu viel kaschieren - mal sehen, wie es in ein oder zwei Jahrzehnten aussieht. Bis dahin bleiben 7/10 Punkte stehen.

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