Es handelt sich hier um die Interpretation von Wagners letzter Oper "Parsifal" durch den deutschen Filmexzentriker Hans Jürgen Syberberg. Dieses äußerst komplexe und vielschichtige Bühnenwerk, von Wagner selbst als Bühnenweihfestspiel bezeichnet und von ihm nur zur Aufführung anläßlich der Bayreuther Festspiele vorgesehen, scheint sich von vornherein der filmischen Annäherung oder gar einer Interpretation zu entziehen. Fußend auf dem mittelalterlichen Epos "Parsifal" des Wolfram von Eschenbach interpretiert Wagner den Stoff um zu einem mystischen Erlösungsdrama, welches wie bereits im Tannhäuser angedeutet, einen Brückenschlag von der heidnischen Antike bis ins christliche Mittelalter bildet. Wurden dort die Legenden von der römischen Liebesgöttin Venus mit denen von der heiligen Elisabeth und dem Sängerkrieg auf der Wartburg verknüpft, so erfuhren im Parsifal der sagenumwobene ewige Jude Ahasver, in der Oper vertreten durch ewig ruhelos umherwandernde Kundry und der Sage vom heiligen Gral, jener geheimnisvollen Schale in der das Blut des gekreuzigten Jesus aufgefangen wurde mit der Vorstellungswelt des "Reinen Toren" Parsifal der unwissend und ungebildet durch die Welt tappt und erst durch die menschliche Grundemotion Mitleid wissend wird und zu seiner Bestimmung gelangt, eine Symbiose. Die Tatsache, dass die Aktionen des Werkes sich in erster Linie als innere emotionale Wandlungen der Protagonisten vollziehen, scheint eine filmische Adaption, welche ja a priori von der Bilderwelt leben muß, nicht gerade zu erleichtern. Syberberg widersteht nun der Versuchung auf Grund der oben angesprochenen Schwierigkeiten auf einen "abstrakten Interpretationsversuch" auszuweichen und stellt sich den Erfordernissen und auch den Möglichkeiten des Films und schreckt auch nicht vor dem Stilmittel des Kitsches zurück. Er läßt den gesamten Film in einer Landschaft spielen die von einem gigantischen Modell der Totenmaske Wagners gebildet wird. Dabei kann die Kamera statisch verharren, es gibt aber auch ungewöhnliche unerwartete Kameraperspektiven und -fahrten.
Syberberg wartet mit einer schier unglaublichen Bilderflut auf, die in ihren Arrangements an die Werke alter Meister erinnert. In der Tat sind einige Bilderfolgen dem "Heuwagen" des Hieronymus Bosch nachempfunden. Die Wunde des Amfortas ist vom Körper separiert und wird wie eine Reliquie vor ihm hergetragen. Parsifal und Gurnemanz wandern während der Verwandlungsmusik durch eine Landschaft von Flaggen, Wimpeln und Standarten, darunter auch eine Hakenkreuzfahne.
Ferner seien auch noch die zombiehaft maskierten Gralsritter im dritten Aufzug erwähnt, Amfortas hatte ihnen ja den Anblick des Grales verwehrt aus dem sie ihre Lebensenergie gezogen haben! Das verblüffendste visuelle Mittel welches Syberberg verwendet ist jedoch, dass Parsifal sein Geschlecht ändert und dabei (natürlich) von zwei Schauspielern dargestellt wird, nämlich zuerst vom etwas androgyn wirkenden Michael Kutter und dann von der hübsch anzuschauenden Karin Krick, erst während der Krönungsszene kommt es wieder zu einer Vereinigung. Erwähneswert ist noch, dass Syberberg darauf vezichtet einen besonderen "special effect" anzuwenden. Gegen Ende des zweiten Aufzuges schleudert Klingsor den heiligen Speer - die Lanze des Longinus- auf Parsifal, worauf der Speer, laut Wagners Regieanweisung, über Parsifals Kopf schwebt und von diesem dann ergriffen wird. Dies hätte Syberberg ganz billig haben können, jeder zweitrangige Tricktechniker hätte diesen Effekt hinbekommen. Doch was passiert: Klinsor läßt den Speer einfach fallen und Parsifal sammelt in ebensoeinfach auf! Möglicherweise wollte Syberberg Wagner hier entzaubern um den Bick auf seine eigenen esoterischen Bedürfnisse freigegen zu können. Dies wird auch noch dadurch untermauert, das während des "Karfreitagszaubers" plötzlich am oberen Bildrand der dirigierende Armin Jordan eingeblendet wird. Auch diese Szene verliert daduch ganz wesentlich ihren Zauber. Der Egomane, Monomane, Exzentriker und Esoteriker Syberberg versucht also dergestallt Wagners Erlösungsmysterienspiel in seinem Sinn umzugestalten zu einer esoterischen Auseinandersetzung mit den geistes- und kulturgeschichtlichen Tendenzen des 19. Jahrhunderts und ihren Repräsentanten: Wagner, Nietzsche, Marx. Dieser Genialität mochte aber diesmal weder die Kritik und schon gar nicht die Filmförderung folgen. Und so entzog man Syberbergs Werk die zugesagten Fördermittel seitens des zuständigen Bundesinnenministeriums.
Es sprangen dann de französische Konzern Gaumont, der bayrische Kulturförderverein und der bayrische Rundfunk ein um die Finanzierung des Projektes dennoch sicher zu stellen. Syberberg aber schwor Rache, tief gedemütigt fasste er den Beschluß das niemand in Deutschland seinen Film sehen sollte!
Sein Film sollte nur kurz in Cannes außer Konkurenz laufen, das wars. Später liess er sich aber dennoch erweichen Parsifal auch kurz in Berlin und München zu zeigen. In Berlin gab es 1983 nur zwei Vorstellungen. Für die 2. gelang es mir damals eine Eintrittskarte zu erstehen (für 20.- DM). Syberbers Parsifal-Adaption dürfte damit wohl zu den Filmen mit den geringsten Zuschauerzahlen gehören ! Außer der amerikanischen DVD von Image Entertainment gibt gibt es auch weltweit, so weit bekannt, keine weitere Veröffentlichung auf DVD oder Video. Bild - und Tonqualität der DVD sind alles andere als überragend, gehen aber gerade so noch durch. Ob mal was besseres kommt wage ich zu bezweifeln. Was die musikalische Interpretation betrifft, so bewegt sich diese etwa im Vergleich mit den klassischen Bayreuther Interpretationen unter Hans Knappertsbusch auf eher unterem Niveau erfüllt aber als "Soundtrack" für einen Film mehr als ihren Zweck!
Fazit: Sehr sehenswert 10 / 10