„Achtung, dieser Kult wird sich innerhalb der nächsten zwei Stunden selbst zerstören“.
Bisschen dick aufgetragen, gebe ich zu, aber Ethan Hunts dritter Kinoeinsatz ist einfach… mir fehlen die Worte… total daneben.
Nun bin ich weit davon entfernt, seine Vorgänger heilig zu sprechen. Brian DePalmas Eröffnung war zwar ein hochspannendes, inhaltlich mitunter aber auch stark unlogisches Thrillerspektakel, und John Woos Krawumm-Fortsetzung mag in Ornithologenkreisen noch reüssieren, stellte über weite Strecken aber nicht mehr als ein überzogenes Starvehikel dar.
Da waren die Ankündigungen zum neuesten Ableger reinste Musik in den Ohren: Rückbesinnung auf den Teamcharakter, mehr Spionageanteile, und wenn Action, dann möglichst echt und ohne Trickfirlefanz. Zudem sollte Ethan Hunt persönlich sehr stark in den Fall eingebunden werden. Na, das hört sich doch alles sehr vernünftig an.
Klopfen wir das mal ab, zuerst den Teamgedanken.
Ja, es stimmt, Hunt ist keine Ein-Mann-Walze mehr, er agiert als Teamplayer und ist auch auf die Hilfe seiner Spezialisten aus Hackern, Waffenexperten, etc., angewiesen. Was vom Film leider überbetont wird, denn hier driftet die Hauptfigur immer wieder in eine erzwungen wirkende Hilflosigkeit ab, was den Hauch von Effizienz, der durch die Serie wehte, sauber hinfortfegt.
Zwar ist ersichtlich, dass dies zum human concept gehört, mit dem Hunt hier, anhand seines Privatlebens und der Verquickung desselben mit seinem Auftrag, für das Publikum aufgeweicht werden soll, allerdings ist diese 180-Grad-Drehung vom Alleskönner zum „Mensch mit Fehlern“ alles andere als glücklich geraten. Ständig müssen wir uns vor Augen führen, dass die Hauptfigur krank vor Sorge ist, um ihre Handlungen nachvollziehen zu können. Manchem mag das gefallen, mir war es ein Eimer Kuschelweich zu viel.
Darüberhinaus bleiben seine Teamkameraden über die gesamte Filmlänge blasse Schablonen, die immerhin von guten Schauspielern (Ving Rhames als bäriger Kumpel, Simon Pegg als lustiger Computernerd) ausgefüllt werden. Und Charaktertiefe war ja nie ein Wesenszug dieser Filme, soviel sei eingeräumt. Die Spionageaktionen standen immer im Vordergrund.
Um die es hier ja auch wieder verstärkt gehen sollte, und tatsächlich: Da wird wieder an Seilen gebaumelt, verwanzt und in Maskerade agiert, dass es eine Freude wäre, würde der Film diese Momente nicht im aufmerksamkeitsdefizitären Schnittstakkato präsentieren. Schön zu illustrieren an der Vatikan-Sequenz, bei der das Vorgehen unseres Teams bis zum Zugriff auf die Zielperson als wüste Montage daherkommt, bei der man als Zuschauer nur auf die Kompetenz der Agierenden vertrauen kann, denn eigenes Verfolgen der Abläufe ist schlicht nicht möglich. Einer tippt hier, eine schleicht dort, einer klettert da. Keine Topographie, kein Zeitrahmen, kein Garnichts. Nur mehr oder minder ärgerliche Szenen: Da wird einfach mal so eine Gewölbewand des Vatikans gesprengt, weil: muss ja, da kommt Hunts Agentenkollegin unbehelligt in einem Hauch von Kleid ins Gebäude (im Vatikan! Ja, sischer dat), da lassen sich 1:1-Gesichtsmasken aus Handyfotos modellieren. So sieht also der neue, realistische Zugang zur Spionagematerie aus.
Wenigstens die Actionsequenzen können diesen Anspruch für sich einlösen, denn obwohl hier auch unvermeidlich der Computer zum Einsatz kommt, so ist das doch alles stets dem Realismus verhaftet und orientiert sich mehr an Feuergefechten á la Michael Mann statt an den Bleiballetten der Marke Woo. Das bekommt dem Film gut und sorgt für seine spärlichen Höhepunkte, beispielsweise beim Geballer auf der Autobahnbrücke, wenngleich es das alles ja schon mal im Kino gegeben hat, nicht wahr, Mr. Cameron?
Stichwort „schon mal gegeben“, das muss ich noch loswerden, diese Basejump-Geschichte.
Nicht nur, dass Jackie Chan bereits ebenjenes Gebäude herunter gerannt ist, welches hier von Hunt zum Stunt erkoren wird, Jackie hatte diesbezüglich auch keinen „Beautiful-Mind“-Anfall. Wie Cruise da manisch auf einer Glasscheibe beginnt, Wind- und Gangsterverhältnisse in seinen Sprung mit einzuberechnen, als hätte er gerade Russell Crowe verschluckt, es ist einfach zum Totlachen (er hätte da auch e=mc² oder 1+1=2 hinkritzeln können, ich hätte nicht weniger gelacht).
Und da bin ich ja schon beim Punkt: Tom Cruise spielt scheiße.
Nicht generell, nein, eigentlich gefällt er mir in seinen Rollen immer recht gut, aber was er hier abliefert, ist völlig daneben. Welch Ironie, dass gerade die um Anteilnahme buhlenden Elemente (Hunts private Bindung, seine Rachegefühle, seine Ohnmacht) Cruise so ausgiebigen Platz zum Chargieren einräumen, dass eine Identifikation mit seiner Figur kaum mehr möglich ist. Wie ein angeschossenes Reh tränt er in die Kamera, wenn ihm sein eiskalter Gegenspieler (außer Konkurrenz: Philip Seymour Hoffmann) mit Gewalt gegen seine Frau droht. Mit dieser (Monaghan, hat hier im Vergleich zu „Kiss Kiss Bang Bang“ natürlich wenig zu tun) hat er in den gemeinsamen Szenen so gut wie gar keine Chemie, sie spielt förmlich gegen eine leere Wand an, weil er sich ja ob seines ach so geheimen Jobs in zugeknöpfter Brummeligkeit ergehen muss. Zu keinem Zeitpunkt gelingt es ihm, Spannung angesichts der zahlreichen Zwickmühlen des Ethan Hunt entstehen zu lassen, und wenn er mal komplett ausrastet und sich im „24“-eigenen Folterkosmos versucht, wünscht man sich, Mike Myers stolpere ins Bild, um wie in „Wayne´s World“ den Schauspieler auszutauschen („kommt schon, Leute, so geht das nicht, holt mir Kiefer Sutherland“). Ich bin selbst erstaunt, dies schreiben zu müssen, aber der Charakter des Ethan Hunt, den Cruise eigentlich aus dem Ärmel zu schütteln imstande war, verschwindet hier völlig in einem aufgesetzten Emotionalbrei, der alle charakteristischen Elemente von „Mission: Impossible“ zuschlackt.
Back to Basics sollte das hier sein. Und treibt den anspruchsvolleren Zuschauer nur:
Back to Bond. „Casino Royale“ war echt gut, habe ich das schon erwähnt?