Review

Ausgerechnet Serien-Innovator J. J. Abrams, der seit den von ihm kreierten TV-Quotenknüllern „Alias“ und „Lost“ viel Lob einheimsen durfte, führt die „Mission: Impossible“ – Franchise nach etlichen Verschiebungen, verworfenen Skripts und Umbesetzungen nach der überstilisierten, formell zwar souveränen, aber inhaltlich peinlichen One-Man-Show John Woos („Hard Target“, „Broken Arrow“) wieder zu alter Stärke zurück und setzt noch einen drauf. „Mission: Impossible III“ ist der beste Teil der bisher zur Trilogie gewachsenen Filmreihe.

Abrams Kinodebüt ist in nahezu jeder Hinsicht eine respektable Leistung. Ich sehe in ihm vielleicht schon die Zukunft des Actionthrillers, wenn sich sein rasanter Fortschritt vom probaten Autor („Armageddon“, „Joy Ride“) zum gefeierten Blockbuster-Regisseur so fortsetzt.
Trotz des lukrativen PG-13-Ratings hinterlässt „Mission: Impossible III“ einen überraschend erwachsenen Eindruck, der ohne bebilderte Brutalität funktioniert, über einen überragenden, eiskalten Bösewicht, der gern mehr Szenen hätte bekommen dürfen, verfügt und Ethan Hunt (Tom Cruise, „Days of Thunder“, „Collateral“) mehr Charakter erteilt, als beide Vorgänger zusammen.

Denn jener Agent hat sich inzwischen aus dem aktiven Dienst zurückgezogen, bildet lieber den Nachwuchs aus und versucht sich an einer ganz anderen Mission Impossible. Er will seinen geheimen Job mit einem Privatleben in Einklang bringen und glaubt mit Julia (Michelle Monaghan, „Kiss Kiss Bang Bang“, „Mr. & Mrs. Smith“) dafür die richtige Frau an seiner Seite gefunden zu haben, mit der er ein geordnetes Leben führen kann.
Hunt vom Adrenalinjunkie und Sunnyboy zu einem menschlichen Wesen, das sich nach einem festen Fixpunkt in seinem Leben sehnt zu transformieren, ist vielleicht Abrams geschicktester Schachzug, um von der Cruise-Manie genervten Zuschauern entgegenzukommen und Cruises schauspielerisches Talent zum Tragen zu bringen. Man kann von ihm als Privatmann und Scientology-Aktivist halten was man will, darstellerisch hat er sich in den letzten Jahren tatsächlich weiterentwickelt. Tränen wirken nicht erzwungen, Wut ist keine Verstellung und Trauer kein kläglicher Versuch Emotionen zu zeigen. Er leidet, muss Rückschläge hinnehmen und sich fürchten. Schade nur, dass sich dieser Aspekt so sehr dem Thrill und der Action unterzuordnen hat. Ethan Hunt ist ein Mensch geworden, genau wie Tom Cruise und daraus hätte man mehr Nutzen ziehen können.

Dass ein geordnetes Privatleben abseits des Jobs schwer ist, wird ihm aber schnell klar, als ihn sein letzter Vorgesetzter mitteilt, dass Hunts wohl beste Schülerin Lindsey Ferris (Keri Russell, „We Were Soldiers“, „The Upside of Anger“), die er persönlich für den Außendienst empfahl, in Berlin aufflog und gefangenen genommen wurde. Er soll die Rettungsmission anführen und sie aus den Händen des Schwarzmarkthändlers Owen Davian ( Oscar-Preisträger Philip Seymour Hoffman, „Along Came Polly“, „Capote“) befreien, muss dafür seiner Julia fix Halbwahrheiten vorgaukeln und abreisen. Die Mission beginnt, gelingt, schlägt doch fehl und setzt eine Lawine von Ereignissen in Gang, weil Hunt vom IMF-Direktor John Brassel (ein Hit: Laurence Fishburne, „The Matrix“, „Assault on Precinct 13“) zum Rapport zitiert wird, harsche Kritik einstecken muss und darauf ohne offizielle Freigabe eine Mission startet, in der er den gefährlichen Davian gnadenlos unterschätzt und auch von Brassel ruhig gestellt wird. Vorübergehend...

Knappe 130 Minuten ist der dritte Teil lang und Langeweile oder gar Leerlauf tritt dennoch keine(r) auf. Das Tempo ist hoch, die Inszenierung rasant, die Nebendarsteller gut und endlich wird auch wieder auf Teamwork gesetzt, obwohl Hunt natürlich den Bärenanteil erledigt. Besonders Philip Seymour Hoffman, als einer der beeindruckendsten Bösewichte seit langem, hat es mir angetan. Er spielt nicht nur enorm stark, seine gnadenlose, entschlossene Art und seine ewige Überlegenheit, die er sich selbst in aussichtslosen Lagen bewahrt, ist beängstigend, zumal der Mann tatsächlich über ungeahnte Mittel verfügt und alle vorherigen Bösewichte der Reihe locker aussticht. Er sieht Hunt nicht einmal als ernsthaften Gegner an!
Der enorm entschlossene Laurence Fishburne veredelt mit seinen schnörkellosen Analysen den Film genauso wie Ving Rhames („Sin“, „Dawn of the Dead“), der als Computergenie Luther Strickell längst ein fester Bestandteil an Ethan Hunts Seite geworden ist und mit seinen ironischen Statements auch jeweils die angespannte Situation auflockert. Neben „Shaun of the Dead“ – Star Simon Pegg als nervöser Laborant ist übrigens auch der elegante, wortkarge Asien-Export Maggie Q („Naked Weapon“, „Dragon Squad“) in Hunts Reihen zu sehen.

Auch wenn der Film in keiner Konkurrenz zu den Bond-Filmen steht, so sind die Locations schlicht erlesen. Ob nun ein heruntergekommenes Fabrikgelände in Berlin, der (natürlich nicht echte) Vatikan oder Shanghai, die Kulissen entbehren nicht einer gewissen Exotik mit jeweils eigenem Akzenten. Abrams tut gut daran jeder einen eigenen Style zu verpassen und die Schwerpunkt der Action unterschiedlich anzulegen.

Die ist ohnehin größtenteils ein Hingucker, aber kein Verdienst von Abrams, sondern Vic Armstrongs, der als Second Unit – und Action Director alle Register zieht. Der fähige Mann ist schon seit den frühen Connery-Bonds im Stunt-Geschäft und seit Anfang der Neunziger inszeniert er auch selbst. Unter anderem gehen auch „Total Recall“ und „Double Impact“ mit auf seine Kappe. In meinen Augen einer der brillantesten Männer auf diesem Gebiet, dessen Arbeit leider zu selten gewürdigt wird.
Mir persönlich war die Kameraführung von Daniel Mindel („Enemy of the State“, „Domino“), sonst bei Tony Scott im Abo, etwas zu wackelig und der Schnitt wiederum zu hektisch, aber die Actionszenen überbieten trotzdem locker alles, was es bisher dieses Jahr im Kino zu sehen gab. CGI nur dort wo notwendig und begleitend, ansonsten bleibt alles möglichst real und ein hautnahes Erlebnis. Abseits der perfekt getimten Rettung von Lindsey, in der Hunt unter dem Sperrfeuer vollautomatischer, ferngelenkter, die Stockwerke und alle darin befindlichen Gegner perforierende Maschinengewehr das Gebäude erstürmt und das abfliegende Team hinterher von einem Raketen feuernden Kampfhelikopter durch ein Feld von Windrädern verfolgt wird, gibt es eben diese dynamische, energische Befreiungsaktion auf der Chesapeake Bay Bridge, auf der ein Konvoi mit Davian im Gepäck von einer gesteuerten Drohne mit Raketen beschossen wird und ein Helikopter mit Spezialeinheit aus überlegener Position alles niedermäht, was sich auf dem isolierten Brückenabschnitt herumtreibt. Diese audiovisuelle Fest ist ein wildes, laut donnerndes Superlativ für die Sinne, von dem sich selbst ein Michael Bay noch eine dicke Scheibe abschneiden kann. Die Bilder sind grobkörnig, die Umsetzung wuchtig und die Situation unheimlich fesselnd eingefangen. Die gelackte Slowmotion eines John Woo weicht hier der dreckigen Wirklichkeit. Mittendrin statt nur dabei. Ein Wahnsinn!
Nur, schade dass Abrams seinem ziemlich realistischem Stiel nicht vollends treu bleiben wollte und die Tarzan-Nummer zwischen den Wolkenkratzern in Shanghai weder besonders gut aussieht, noch einen menschenmöglichen Eindruck hinterlässt.

Die Story ist hingegen nur mäßig spannend. Mag daran liegen, dass ich inzwischen vielleicht zu viele Filme aus den Genre kenne, aber ich wusste ungefähr zur Filmmitte bereits wer falsch spielt. Das war einfach zu offensichtlich.
Es ist auch weniger der Wettlauf um die Hasenpfote, eine megagefährliche Biowaffe, die hier spannend ist, sondern der Wettlauf gegen die Zeit und um das Leben von Julia, die Davian entführt, um Hunt zu erpressen. Erschwert wird dessen innerhalb von 48 Stunden abzuwickelnde, aufgezwungene Mission auch dadurch, dass der die IMF ihren außer Kontrolle geratenen Agenten verhaftet...
Angesichts des hohen Tempos und der zahlreichen Actioneinlagen bleibt die Geschichte insgesamt etwas unterentwickelt und stellt einen jedoch soweit gelungenen Kompromiss dar, der Spannung und Actionhighlights in Einklang bringt. Meinetwegen hätte der Film aber durchaus noch 30 Minuten länger gehen können, wenn dafür dann mehr Zeit für die Geschichte, seinem verzweifelten Hauptcharakter und natürlich dem charismatischen Gegenspieler geblieben wäre.
Deren Konflikt endet übrigens überraschend schlicht mit einem gelungenen Ende, das deswegen so einen nachhaltigen Eindruck hinterlässt, weil Abrams bewusst simpel, direkt und ohne viele Worte zu verlieren zum Schlusspunkt kommt und damit clever den immer unwahrscheinlicher werdenden Bombast-Effektfeuer-Showdowns ein Schnäppchen schlägt. Straight, nachvollziehbar und ohne heroische Glorie findet der Film eher auf dramatische und unkomplizierte Art seinen Abschluss. Ja, verweigert sogar dem Bösewicht seinen standesgemäßen Abgang mit viel Tamtam.


Fazit:
Ganz stark inszenierter, rauer Actionthriller von J. J. Abrams, der sich für weitere Projekte empfiehlt. Ich bin wirklich positiv von „Mission: Impossible III“ überrascht.
Das Budget von 150 Millionen Dollar hätte kaum effektiver verwertet sein können. Na ja, vielleicht wäre ein treibender Score nicht schlecht gewesen, denn so prägend sind Michael Giacchinos („Sin“, „The Incredibles“) Arbeiten leider nicht.
Dafür gehört die Action zum Feinsten: Harsche Shootouts, halsbrecherische Stunts, rasante Autoverfolgungsjagden mit Blechschaden und quer stehenden LKWs, beeindruckende Explosionen, technische Gimmicks etc.
Die Darsteller spielen klasse, vor allem Cruise gefällt als nun menschlicher Ethan Hunt, der Kompromiss aus Spannung und Action geht auf, die Dialoge sind klasse und unheimlich direkt. Nur der doch ziemlich einfach gestrickte Plot ohne wirklich überraschende Wendungen enttäuscht leicht. Bis zum Kinostart von „Miami Vice“ ist mein Hunger auf Actionthriller jedenfalls erst einmal gestillt.

Details
Ähnliche Filme