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Zum Verständnis des Films "Der Leopard" über die Begeisterung für die beeindruckenden, an Gemälde erinnernden Bilder und die abwechslungsreiche Geschichte hinaus, ist es unbedingt notwendig zwei Hintergründe zu kennen. Beide sind eng verbunden mit der Person des Regisseurs Luchino Visconti, der hier seinen autobiografischsten Film drehte, auch wenn dieser vordergründig nach der Vorlage eines Romanes entstand.

Visconti entstammte einer der reichsten Adelsfamilien in Italien, die jahrhundertelang Mailand und die Lombardei regierte. Der "Herzog von Modrone" war Zeit seines Lebens finanziell unabhängig, kämpfte im Widerstand gegen die Faschisten und war überzeugter Kommunist. Aus dieser Einstellung heraus entwickelte er den italienischen Neorealismus, der die Verhältnisse im Land anprangerte, ohne das er dabei vergaß, eine gute Geschichte in exzellenten Bildern zu erzählen. Der innere Zwiespalt, in dem er sich befand, ist in seinen Werken fast immer zu erkennen, kulminiert aber am stärksten in "Der Leopard".

Schon sein erster Film "Ossessione" zeigte seine Meisterschaft in der Schauspielerführung, aber mehr noch in seiner inszenatorischen und optischen Qualität. Im Gegensatz zu anderen Filmemachern wie Antonioni oder Stanley Kubrick, die ebenfalls jedes Bild komponierten, strahlen seine Bilder keine grafische Kälte aus, sondern wirken selbst in einer harten Schwarz-Weiß-Zeichnung wie bei "Ossessione" wärmer und menschlicher. Visconti war trotz aller seiner kritischen Vorbehalte und manchmal fatalistischen Neigungen vor allem ein Menschenfreund. Seine Filme zeigen nie die Abgründe der Seele und haben immer Verständnis für die Handlungen seiner Protagonisten.

Scheinbar ist "Der Leopard" eine Abkehr von seinem zuvor gepflegten neorealistischen Stil, da es sich um einen historischen Stoff handelt. Doch Visconti bemüht sich in dem auf Sizilien spielenden Film um höchste Authentizität - Ausstattung und Kostüme, die Landschaften und Städte wirken in seinen grandiosen, warmen und farbenprächtigen Bilder wie direkt dieser Zeit entnommen. Die Wahl des Zeitpunkts um 1860 herum ist ebenfalls kein Zufall, da hier die Vereinigung Italiens einen Höhepunkt hatte. Garibaldis Eroberung Siziliens, die er mit wenig mehr als tausend "Rothemden" bewerkstelligte - wobei ihm der Volksaufstand in Palermo dabei entgegenkam - ist ein erstes Anzeichen für die Auflehnung des Volkes ,daß größtenteils in Armut lebte, während der Adel nach wie vor feudalistisch herrschte. Schon 1848 hatte es eine Revolution gegeben, die aber niedergeschlagen wurde, doch die hier geschilderten Ereignisse führten, da Garibaldi freiwillig Sizilien wieder abgab, zur Vereinigung Italiens und damit zur Veränderung der politischen und gesellschaftlichen Landschaft.

Doch Visconti malt diese Veränderungen hin zu einer bürgerlichen Führungselite keineswegs in idealistischen Farben. Zu sehr sind ihm die Vewirrungen der dann folgenden Jahrzehnte hin zur Wahl von Benito Mussolini im Jahr 1922 bekannt, als das er deren Keim nicht schon in dieser Zeit entdeckte. Als Protagonisten stellt er hier zwei Personen in den Mittelpunkt, die die sich im Jahr 1860 abzeichnenden Entwicklungen deutlich machen.

Burt Lancaster beherrscht als Fürst Salina die Szenerie. Grandios speilt er den mächtigen Adeligen, der über ein hohes Maß an menschlicher Kultur verfügt. Viscontis Blick auf den alternden Fürsten ist äußerst liebevoll, auch wenn er die innere Zerrissenheit seines Charakters verdeutlicht. In dieser Person verarbeitet Visconti die eigene Biografie, indem er zum Einen die feudalistischen Herrschaftansprüche anprangert, deren Zeit abgelaufen ist, zum Anderen aber auch die sozialen und kulturellen Qualitäten verdeutlicht, die in der traditionellen Rolle des verantwortlichen Führers ebenfalls verankert war. Salina ist ein Mann, der sehr genau empfindet, der weiß mit den verschiedensten Menschen umzugehen und der dabei trotzdem nie den Blick für die Realitäten verliert.

So ist er auch keineswegs begeistert, als er von der Liebe seiner ältesten Tochter zu seinem auch von ihm sehr geliebten Neffen Tankredi (Alain Delon) erfährt. Obwohl die Konstellation einer Ehe zwischen den Beiden ideal erscheinen müßte, ist ihm sofort gewiß, daß seine Tochter nicht den richtigen Charakter für den ehrgeizigen und aufstrebenden Tankredi hat und er unterstützt seine Tochter in ihrem Begehren nicht. Das mag äußerlich hart wirken, aber Salina kann immer sehr genau seine Entscheidungen begründen und wirkt auch für den Betrachter äußerst nachvollziehbar.

So sehr Visconti diesen Fähigkeiten ganz offensichtlich nachtrauert, so wenig begeht er den Fehler, diese Eigenschaften etwa einer adeligen Erziehung zuzuschreiben. Im Gegenteil, gerade in der Figur des Tankredi erkennt man den Mißbrauch der hochwertigen Erziehung. Alain Delon spielt hier einen überaus eleganten, sich in jeder gesellschaftlichen Situation zurecht findenden jungen Mann, der gerade diese ihn besonders auszeichnenden Fähigkeiten für seine Karriere mißbraucht. Visconti verdeutlicht hier einen Verfall innerer Werte, der letztlich zu den Ereignissen im faschistischen Italien führte.

Doch Visconti ist kein Mann harter Aussagen oder expressiver Geschehnisse, selbst die dargestellten Kämpfe wirken in ihrem Maßstab nicht besonders dramatisch. Alles geschieht bei ihm fast unmerklich und mit langsamen Schritten, kleinen Gesten, elganten Dialogen und manchmal sogar bei einem kleinen Kartenspiel unter Männern. Deshalb ist die epische Breite des auf 3 Stunden angelegten Filmes unbedingt notwendig und keine Minute zu lang. Schon die deutschen Verleiher kürzten den Film damals erheblich um scheinbar unwichtige Szenen. Aber in Viscontis großartigem Werk gibt es keine Längen oder überflüssigen Szenen, denn nur das Zusammenspiel aller teilweise äußerst genau beobachteten Details im Handeln unter Menschen kann seine Intention geeignet transportieren.

Fazit : Äußerst unterhaltender, in seiner inszenatorischen und optischen Qualität überragender Historienfilm, der uns Zuschauer an Hand einer ruhig und sehr genau beobachteten Geschichte, Veränderungen im Handeln unter Menschen vermittelt.

Die Zerrissenheit zwischen dem Festhalten an konservativen Werten und dem Erkennen der Ungleichbehandlung zwischen Menschen ,die zu Veränderungen führen muß, spiegelt nicht nur Viscontis persönliche Situation wieder, sondern ist bis heute zeitlos. Genauso wie die Darstellung des Mißbrauchs dieser Werte für eine Erlangung des eigenen Vorteils. Nicht nur für Cineasten ein großartiger und unbedingt sehenswerter Film (10/10)

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