Eine auserlesene Liste von Filmen schaue ich mir jedes Jahr an. Und bei vielen dieser Filme ist immer der Gedanke oder Zwang dabei: "Mensch Junge, den Film hast Du jetzt schon so oft gesehen und noch keine Review rausgehauen. Dieses Problem, das sich mal locker auf zweihundert Filme beschränkt, probiere ich zu reduzieren. Es fällt mir zwar immer sehr schwer, etwas ältere Filme zu rezensieren, da ich hier nichts Neues schreiben kann, was die Welt nicht schon weiß. Aber immerhin kann ich die zwei, drei Fanboys bzw. Stalker von mir (von 80 Mio. Menschen in great Germany) befriedigen, die vielleicht auch meine Ansicht eines bekannten älteren Films aus meiner Sichtweise lesen wollen. Ob ich einen Film liebe, hasse oder mir das Ding einfach nur Schnuppe ist.
Nun, mit "The Green Mile" habe ich in knapp einer Stunde wieder einen dicken Brocken weniger hinter mir. Aber für die neusten imdb-4,0er-Kotzbrocken-Horror-Flicks ist mir meine Zeit auch zu wertvoll. Mal schauen, wie sich das in Zukunft weiter entwickelt. Vielleicht werde ich noch weiter in die Vergangenheit zurückgreifen, da die meisten heutigen DTV-Veröffentlichungen nicht einmal Tele5-Niveau erreichen.
In diesem Film, der auf einem Roman von Stephen King basiert, spielt Tom Hanks als Paul Edgecomb die Hauptrolle, der den Leiter des Todeszellentrakts "Cold Mountain" im US-Staat Georgia spielt. Sein Motto ist: Die Gefangenen als Menschen wahrzunehmen, auch so zu behandeln und er kann sich mit seiner guten moralischen Einstellung auf sein eingespieltes Team verlassen. Lediglich der neue Aufseher Percy Jackson (Doug Hutchison) ist dank starker Vetternwirtschaft auch noch leider dabei und lebt seine sadistische, menschenunwürdige Ader aus, was jedem Aufseher ein Dorn im Auge ist.
Die Alltagsroutine ändert sich, als der große, schwarze Hühne John Coffey (Michael Clarke Duncan) eingeliefert wird. Ihm werden zwei tödliche Vergewaltigungsfälle mit zwei kleinen Mädchen vorgeworfen. Doch auch wenn er 3,20 m groß ist, einen Bizepsumfang von 50 cm besitzt, ist er etwas zurückgeblieben und hat dennoch magische Kräfte, mit denen er scheinbar alle unheilbaren Krankheiten aus den Menschen raussaugen kann. Paul zweifelt immer mehr daran, dass John ein Mörder ist - aber kann er seine Hinrichtung noch stoppen?
Das richtige Equipment, dass man beim Ansehen braucht, egal ob männlich oder weiblich, sind zwei Päckchen Taschentücher, einen 10l-Eimer in denen man die Tränen abrotzen kann und dennoch geht es einem nach dem Abspann so, als hätte man die besten Antidepressiva der Welt in einer Übderdosis geschluckt - auch wenn hier nicht das absolute Happy End am Ende über den Bildschirm flattern will. Ich rede jetzt gerade mit der Smartphone-Generation: Hey ihr Lutscher, wenn euer Handyakku am Netzgerät hängt, nimmt mal die Klassiker nach.
Seit September 2013 hab ich eine neue Arbeitsstelle, jeder hat das dickste Handy, aber 90 % kennen nicht "The Raid"! Das sagt schon alles aus. Vielleicht nicht über den ganzen Querschnitt der Nation, aber schon viel.
Für viele war und ist die Laufzeit von 181 Minuten ohne Abspann viel zu lang - für mich viel zu kurz, denn man hätte noch einige andere Gedankengänge weiterführen oder ausbauen können, was man sich wohl nicht getraut hat, da man es keine 200 Minuten vor der Glotze aushält (aber dafür 10 Stunden am Tag bei Whats App schreiben...).
In der ersten Stunde, in der lediglich die Charakterzeichnung sämtlicher Akteure bis ins kleinste Detail stattfindet, passiert nicht viel - "Magier" Michael Clarke Duncan bekommt sogar erst später seinen Charakteraufbau, aber dennoch ist keine Minute dabei, die absolut langweilig oder unnötig wirkt. Die Charaktere wirken absolut authentisch, zum anderen merken wir schon, was dieser Percy für ein dummes Asshole ist und alle Szenen werden unterstrichen durch den wohl besten Soundtrack aller Zeiten von Thomas Newman, der diese Magie in den Ohren lediglich noch in "Die Verurteilten" zum Vorschein gebracht hatte. Auch wenn andere Werke von ihm schweinegeil sind (u.a. "Der Pferdeflüster", "American Beauty", "Shipping News") , hat der gute Thomas Newmann nach dem Jahr 2000 stark abgebaut. Entweder zu viel oder zu wenig gekifft. Keine Ahnung, falls ihr die Handynummer von Thomas habt, fragt ihn mal bitte, was nach dem Millennium falsch gelaufen ist.
Nach der ersten Stunde wird dem reinrassigen Drama eine Fantasy-/Bibelgott-Schiene hinzugefügt, die das Tempo deutlich erhöht, den Zuschauer richtig wach rüttelt und die Charaktere und deren Entwicklung noch interessanter macht. Zum anderen darf auch ab da Duncan mal zeigen, dass er außer acht Meter auch etwas Charaktertiefe bieten kann.
Und ab hier kennen die Taschentüchereinsätze keine Grenzen mehr. Es gibt so viele menschlich gute Szenen, die einem einfach nur gut tun (natürlich immer unterstrichen von dem fantastischen Score von Thomas Newman), und auch, wenn man es kleinkariert haben will, eine Gesellschaftskritik über Vorurteile gegenüber anderen Menschen hat oder über die eigene Arbeit, die man ausführt, weil man ja Anweisungen von "oben" hat. Doch darum sollen sich bitte andere Kritiker kümmern, das ist mir genau wie bei "Starship Troopers" einfach scheiß egal und ich lasse die Seele baumeln bei "The Green Mile".
Ich hab hier absolut keine Kritikpunkte - natürlich wird man diese auch finden, wenn man absolut den gefühlskalten Rezensions-Roboter spielt, aber ich lasse mich lieber von 180 Minuten Gefühlschaos und einem exzellenten Score unterhalten und so sabotieren, dass ich heule wie eine kleine Pussie. Und das schaffen eben nicht viele Filme. Da fallen mir spontan nur "Equilibrium" und "2 Mio. Dollar Trinkgeld" ein - Filme, die unterschiedlicher nicht sein können.
"The Green Mile" hat erst fünfzehn Jahre auf dem Buckel, ist für mich aber einer der besten Stephen King-Verfilmungen (wenn es mal nicht um Horror geht) und es ist absolut schade, dass dieses bombastische Emotionskino nicht unter den Top Hundert ´jeder Liste liegt.
Ich pushe das Ding mal mit
10/10 Punkten etwas nach oben.
Schweinegeil.