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THE GREEN MILE
Manchmal dauern sie ewig


Sie nannten sie die Grüne Meile, erinnert sich der steinalte Paul Edgecombs (Tom Hanks). Die Grüne Meile war der lange Flur, durch den die Häftling der letzte Gang ihres Lebens zum Hinrichtungsraum mit dem elektrischen Stuhl führte. Der Flur war mit grünem Linoleum ausgelegt, was ihm einen grünen Schimmer verlieh. Und diesem Schimmer schließlich verdankte der Flur den Namen Grüne Meile. Paul Edgecombs hat als Aufseher im Hinrichtungstrakt viele Todeskandidaten auf diesem letzten Gang begleitet. Er hat ihnen die Schädel rasiert, sie auf den Stuhl geschnürt und ihnen einen nassen Schwamm auf den kahlen Kopf gebunden - damit der Strom schneller ins Gehirn eindringt und es zum Schmelzen bringt. Ein beschissener Tod, keine angenehme Arbeit. Aber notwendig, notwendig und gerecht, war sich Edgecombs sicher. Bis zu diesem Sommer. Es war 1935. Edgecombs erinnert sich noch genau, denn es war nicht nur der Sommer, in dem ihn die schlimmste Harnleiterentzündung seines Lebens plagte. Es war der Sommer, in dem er ein Wunder Gottes tötete. Der neue Todeskandidat, den der wieselhafte Percy (Doug Hutchinson) unter lautem Geschrei in den Zellentrakt bringt, ist ein Riese. Der Schwarze John Coffey (Michael Clarke Duncan) - „wie Coffee, nur ein wenig anders geschrieben“ - soll zwei Mädchen ermordet haben. Doch Paul Edgecombs kommen schon bald Zweifel an der Schuld Coffeys, denn in dem übermenschlich starken Hünen verbirgt sich eine ungewöhnlich sanfte Natur. Tatsächlich kann er wohl keiner Fliege etwas Zuleide tun. Und mehr noch. Als Edgecombs eines Tages krank vor Schmerz zusammenbricht, gelingt es Coffey, ihn auf unerklärliche und wundervolle Weise von seinem Harnleiterleiden zu befreien. Würde Gott so eine Gabe an einen Mörder verschwenden?
Regisseur, Produzent und Drehbuchautor Frank Darabont greift bei „The Green Mile“ abermals auf einen hervorragenden Stephen King Stoff zurück. Als weiteres Exempel der ehernen King-Regel, nach der Verfilmungen seiner Horror-Romane in den Sand gesetzt werden, seine Non-Horror Geschichten aber fast immer ausgezeichnet adaptiert werden, gelang Darabont bereits 1994 mit seinem Debüt „The Shawshank Redemption“ eine überaus gelungene Umsetzung einer Kurzgeschichte Kings. Erneut taucht Darabont also ein ins Gefängnismillieu und erzählt diesmal eine Geschichte nach, die neben psychopathischen Schließern, netten Wächtern und mehr oder minder reuigen In-mates im Todestrakt auch starke phantastische Elemente aufweist. John Coffey kann heilen. Und er kann das Wesen eines Menschen erkennen, wenn er ihn berührt. Als diese Fähigkeiten seinen Wärtern, allen voran Paul Edgecombs, bewußt werden, darf er tote Mäuse reanimieren und sogar den Krebs der Frau des Gefängnisdirektors wegmachen. Er darf den bösen Psychowärter abstrafen und auch den wahren Mörder der beiden Mädchen, doch als er seinen Gang durch die Grüne Meile antreten soll, ist nicht mehr als Bedauern und Mitleid von seiten derer zu erwarten, denen er so geholfen hat. Am Ende des Films resümiert Edgecombs dieses Verhalten sehr bedauernd. Er selbst ist nun auf der Death Row, auf seiner persönlichen Grünen Meile. Er ist uralt geworden und doch kann er nicht sterben. Er sieht darin seine Strafe für sein Vergehen gegen Gott. „Manchmal“, so philosophiert er mit krächziger Stimme, „kann die Grüne Meile für einen Menschen unendlich lang sein.“ Und damit bringt Edgecombs dann auch zum Ausdruck, was das Problem dieses Films ist. Mit einer Dauer von mehr als drei Stunden, nimmt er sich einfach viel zu viel Zeit. Das mag der Atmosphäre des Stoffes angemessen sein, beißt aber gehörig ins Sitzfleisch. Es ist ja auch nicht so, daß man für seine Geduld mit irgendwelchen Sensationen belohnt werden würde. Hier passiert ja einfach nichts. Besser, Darabont nimmt sich beim nächsten Mal dann doch wieder eine Kurzgeschichte vor. Der Roman ist zweifellos das geeignetere Medium für diesen Stoff.

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