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Betrachtet man die Popularität eines Filmes aus einem gewissen zeitlichen Abstand heraus, fällt auf, daß es sich immer um ähnliche Gründe handelt, warum ein Film in Vergessenheit geraten ist oder nach wie vor über einen angemessenen Fankreis verfügt - und sei es auch nur bei Genreliebhabern.

Und genau hier findet man schon den ersten Grund, warum ein mit Oscar-Nominierungen überhäufter Film wie "Grifters", der dazu von einem renommierten Regisseur Stephen Frears und ausgezeichneten Darstellern wie Anjelica Huston, Annette Bening und dem jungen John Cusack geprägt wurde, seit 1990 aus dem Bewußtsein der Filminteressierten entschwand - bis er jetzt wieder auf DVD erschienen ist.

Die Werbung für den Film - dazu trägt auch die Gestaltung des DVD-Covers bei - setzt auf das beliebte Genre Gaunerkomödie und auch die Story bietet dafür scheinbar die nötigen Voraussetzungen. Roy Dillon (John Cusack) verdient sein Geld als Trickbetrüger, der kleine Summen durch Taschenspielertricks ergaunert. Wenn er sich einen Drink für 3 Dollar bestellt, zeigt er dem Barkeeper einen 20 Dollarschein. Während dieser das entsprechende Wechselgeld aus der Kasse holt, wechselt er den Schein blitzschnell in seiner Hand gegen einen 10 Dollarschein aus, den der Barkeeper dann automatisch ergreift.

Seine Freundin Myra Langtry (Annette Bening) hatte bisher im größeren Stil gearbeitet und will Roy für ihre Zwecke einbinden. Doch dann kommt ihnen Lilly (Anjelica Huston) in die Quere, die der Film zuerst dabei zeigt, wie sie mit gezielten Geldeinsätzen Quoten bei Pferdewetten beeinflusst, um so zu verhindern, daß der Buchmacher, für den sie arbeitet, zu große Gewinnsummen auszahlen muß. Während der Film in den ersten Minuten einen unterhaltenden, die Protagonisten bei ihren einträglichen Geschäften zeigenden Charakter hat, verfällt er völlig überraschend in absolute Ernsthaftigkeit.

Ein Barkeeper hatte Roys Trick durchschaut und ihn mit einem gezielten Schlag in den Magen niedergestreckt. Auch als Roy einem mitfühlenden Polizisten auf einem Parkplatz seine Schmerzen noch mit ungesunder Ernährung erklärt, glaubt man an die in Gaunerkomödien üblichen Niederschläge, die nun einmal zum Geschäft gehören und die nur dazu führen, dass man sich bessere Methoden ausdenkt. Erst als Lilly überraschend bei Roy in der Wohnung auftaucht, dessen ernsten Zustand erkennt und ihn sofort ins Krankenhaus schickt, wo ihm das Leben gerettet wird, begreift man langsam, dass in "Grifters" nur Schläge ausgeteilt werden, die auch treffen.

Ähnlich konsterniert lauscht man auch dem Grund, warum Lilly plötzlich nach mehr als acht Jahren bei Roy auftauchte. Sie ist seine Mutter, die ihn mit 14 Jahren bekam, sich aber nie richtig um ihn gekümmert hatte. Entsprechend kühl ist auch ihr Verhältnis, welches noch zusätzlich von Lillys herbem und unemotionalem Verhalten betont wird. Roy ahnt nicht, dass seine Mutter, um ihn zu retten, einen Deal für ihren Buchmacher verpasste. Das führte dazu, dass dieser erhebliche Gewinne auszahlen mußte. Ein Umstand, den sich der mafiös organisierte Apparat natürlich nicht gefallen lassen kann.

Auch zu diesem Zeitpunkt glaubt man - vorgeprägt durch die geschürte Erwartungshaltung - noch an den großen Trick, der diese gesamte Konstellation als Illusion entlarvt. Dazu trägt auch "Grifters" selbst immer wieder bei, wenn zum Beispiel Myra ausführlich beschreibt, wie sie mit ihrem früheren Partner ( J.T. Walsh in einer schönen Nebenrolle ) einen arroganten Texaner übers Ohr haut. Doch diese Momente können nicht darüber hinweg täuschen, dass es sich bei "Grifters" um ein Drama handelt, dass die Protagonisten in ein Netz von Eifersucht, Angst und Missgunst verfängt und in Richtung Katastrophe zu führen scheint...

Nun könnte man der irreführenden Werbung alleine die Schuld für einen eventuellen Misserfolg des Films in die Schuhe schieben, da dadurch das falsche Publikum angesprochen wird, aber das wäre zu einfach. "Grifters" selbst vermittelt sowohl in seiner erzählerischen Anlage, als auch in seiner Charakterzeichnung genau dieses zwitterartige Bild zwischen einer Gaunerkomödie und einem ernsthaften Drama.

Sehr gut lässt sich das am Beispiel der Gestaltung der Lilly Roy erklären. Während sie cool ihrer Tätigkeit an der Pferderennbahn nachgeht, spürt man keinen Moment emotionaler Unsicherheit. Ihr Auftauchen bei ihrem Sohn und der Wunsch, sich mit ihm Auszusöhnen, ist entsprechend nur an sehr geringen Zeichen in ihrer Mimik und ihrem Verhalten zu erkennen. Und auch der Zeitpunkt ihres Wiederauftauchens wird nicht begründet, wie etwa durch eine persönliche Sinnkrise oder das Gefühl des Älterwerdens. Deshalb wirkt ihre starke Ablehnung gegenüber Myra überzogen, da diese einen unangemessenen Eingriff in das Privatleben ihren Sohnes bedeutet. Insgesamt werden diese Gefühlsregungen zu oberflächlich gezeigt, um sie tatsächlich nachempfinden zu können.

Auch Myras darauf folgende Reaktion, die zu einem lebensbedrohenden Duell zwischen den Frauen führt, ist durch das Drehbuch nicht schlüssig begründet. Hier verlässt sich Frears nur auf seine beiden weiblichen Darsteller (die dafür mit einer Oscar-Nominierung belohnt wurden) , die jeweils einen ambivalenten, zerrissenen Charakter verkörpern, dem letztendlich alles zuzutrauen ist. Cusack bleibt dagegen in seiner Rolle etwas verschenkt und kann keine wirklichen Zeichen setzen.

Fazit : "Grifters" ist in seiner Gestaltung ähnlich dem Charakter seiner drei Protagonisten, die ohne wirklichen Halt und klare Zielsetzungen durch das Leben "driften". Einerseits bietet Frears Film amüsante Momente mit seiner Darstellung von Trickbetrügereien, andererseits zeigt er ein überaus ernsthaftes Drama, ohne Ironie oder Sarkasmus.

Angesichts der Legion von Gangster- und Mafiafilmen, die mit den Versatzstücken des Genres nur noch spielen, ist es angenehm zu sehen, wie Frears ungeschönt zeigt, was es bedeutet, für die Mafia zu arbeiten und wie wenig Diebstahl oder Betrug tatsächlicher Lebensinhalt sein kann. Glück oder Befriedigung kommt in diesem Film kaum vor.

Leider konzentriert sich Frears nicht darauf und geht zu wenig in die Tiefe bei seinen Charakterzeichnungen. Dadurch kommt weder eine Identifikation mit den drei Protagonisten auf, noch kann man letztendlich ihr Verhalten und ihre Gefühle füreinander nachempfinden (6,5/10).

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