Ein vielfach als „Frauenfilm“ gescholtenes Drama um drei weibliche Existenzen in zwei verschiedenen Zeitepochen, das ist „Grüne Tomaten“. Der Ruf kommt also nicht von ungefähr, werden hier doch größtenteils Themen angerissen, mit denen sich Alice Schwarzer und Co. ihr ganzes Leben beschäftigen. Nichtsdestotrotz ist die Adaption von Fanny Flaggs weltberühmtem Roman großes, tragisches Kino, das nicht nur Frauen begeistern dürfte.
Jon Avnet spannt dabei den Bogen im Rahmen einer Geschichte, welche eine betagte Dame im Krankenhaus einer frustrierten Frau erzählt, von der Gegenwart bis in die 30er Jahre zurück und präsentiert uns mit dem Einsetzen der Erzählung über Ruth und Idgie ein Südstaatendrama vom Allerfeinsten, dem es gelingt, den Zuschauer förmlich gefangen zu nehmen. Das Gefühl ist ähnlich wie etwa bei Frank Darabonts „Die Verurteilten“, wo man von der ersten Minute an die Zeit um sich herum vollkommen vergisst und nur noch die Handlung im Sinn hat.
Dabei ist die in der Gegenwart spielende Handlung kaum spektakulär: Rundliche, frustrierte Hausfrau lernt Dame älteren Semesters im Krankenhaus kennen und hat keine Ahnung, dass diese ihr Leben verändern wird. Dieser Prozess geht peu a peu vonstatten und kommt mit jedem Unterbruch der Geschichte von Ruth und Idgie ein Stück voran. Evelyn lernt, sich von ihrem Ehemann zu emanzipieren und ihre gesellschaftliche Rolle durch Ausfahren ihrer Ellbogen und dem Beweis von Selbstvertrauen zu festigen, gleichzeitig entsteht eine innige Freundschaft zur alten Ninny. Genauso verhält es sich mit Ruth und Idgie: Während Idgie sich niemals vom starken Geschlecht unterjochen ließ, befreit sie Ruth von ihrem gewalttätigen Ehemann, was beide unweigerlich zusammenschweißt. Die latente Homosexualität wird jedoch nur ein einziges Mal nach außen hin sichtbar, als beide eines Nachts betrunken in einem Fluss plantschen.
Die dominierende Männerschar bleibt für die Frauen nicht das einzige Problem im Film, da gibt es noch Verluste geliebter Menschen zu betrauern, der Ku-Klux-Klan bedroht die sympathischen farbigen Angestellten des Whistle-Stop-Cafes, Krankheiten nisten sich bei einer Hauptfigur ein und als Krönung gibt es dann auch noch einen Krimiplot, der Idgies Existenz bedroht. Der ist dann auch zwingend notwendig, um die Spannung bis zum Schluss aufrecht zu erhalten und bietet eine willkommene Abwechslung zu vielen, sich nahe am Kitsch bewegenden, Tränendrücker-Szenen. Man muss jedoch anerkennen, dass Jon Avnet einem nie mit übertriebenem Schwulst auf die Nerven geht, sondern es ihm auch mithilfe überragender Darsteller (v.a. Ruths Schicksal geht einem dank Mary-Louise Parkers großartiger Leistung sehr nahe) gelingt, den Taschentuch-Verbrauch gegen Ende ziemlich in die Höhe zu treiben.
Dazu mit einem tollen Südstaatenflair versehen, ist „Grüne Tomaten“ eine rundum gelungene Verfilmung eines Weltbestsellers, der es an nichts fehlt, wenn es darum geht, vor allem weibliche Zuschauer zum Schluchzen zu bringen. Aufgrund seiner darstellerischen und narrativen Klasse können jedoch auch Männer mit Idgie, Ruth, Ninny und Evelyn mitleiden und sich davon überzeugen, dass ein Drama, welches sich so zahlreich gesellschaftlich brisanter Themen annimmt, trotzdem ausgewogen und leichtfüßig inszeniert werden kann. Große Klasse!