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von PierrotLeFou

Vor 50 Jahren: Jodorowsky startet durch

Stichwörter: 1960er Abenteuer Arrabal Groteske Jodorowsky Jubiläum Klassiker Lateinamerika Mexiko Phantastik Spielfilm

Fando y Lis (1968)

Alejandro Jodorowsky, in Chile als Sohn einer aus der Ukraine ausgewanderten Familie geboren, unternahm seine ersten filmischen Gehversuche in Frankreich. Über die Zeit zuvor kursieren viele unglaubwürdige Anekdoten, die Jodorowsky oftmals - und je nach Gesprächspartner variierend - zum Besten gab: wahre Münchhausiaden, die sich teilweise sehr offen als Fiktionalisierungen und Übertreibungen zum Besten gaben. Insbesondere der autobiografische Roman "Donde mejor canta un pájaro" (1992) erklärt ex­pres­sis ver­bis, dass er seine Familiengeschichte zum Mythos, zur Heldensage überhöht hatte. Die letzten Filme Jodorowskys - das autobiografische Duo "La danza de la realidad" (2013) & "Poesía Sin Fin" (2016), welches er nach einem knappen Vierteljahrhundert der Leinwand-Pause herausbrachte - ergeben zumindest mit den vielen Anekdoten das Bild einer nicht gerade einfachen Kindheit unter einem schwierigen Vater - und das Bild eines jungen Mannes, der sich in Chile nicht künstlerisch frei entfalten kann und schließlich nach Frankreich übersiedelt (wo er sich unter Étienne Decroux mit der Pantomime beschäftigt).
In Frankreich dreht er 28jährig auch den Kurzfilm "La cravate" (1957) - diesselbe Geschichte sollte später von Fernando Birri und mit Terence Hill in der Hauptrolle als berüchtigter dreistündiger Avantgarde-Klassiker "Org" (1979) neuerlich verfilmt werden. Mit Fernando Arrabal, der sich seit 1956 im französischen Exil befand, und Roland Topor kreiert er dann das Mouvement Panique: Von einer Bühnenperformance aus dem Jahre 1966 sind teilweise Aufnahmen erhalten geblieben. Zu dieser Zeit lebte Jodorowsky bereits rund sechs Jahre in Mexiko, reiste aber immer wieder einmal nach Paris.
Im Filmgeschäft fasst er aber erst 1968 wirklich Fuß: mit dem 1967 begonnenen "Fando y Lis" nach einem Stück von Arrabal, der hocherfreut war, dass er es im faszinierenden Film nicht wiedererkannte. Im surrealistischen Road Movie suchen die Titelfiguren nach der Stadt Tar, wobei sie auf die sonderbarsten Gestalten treffen, derweil der mit Laien besetzte und ohne festes Drehbuch entstandene Film zu einer Revue von Happenings zu geraten scheint. Schon mit diesem blasphemischen Werk erregte Jodorowsky einen Skandal - und nimmt einiges vorweg, was er in seinen folgenden Filmen radikalisieren sollte: Surrealismus, Esoterik, Mystik und Mythen vermengend, angereichert mit fellinesken Einflüssen, avancierten "El Topo" (1970) und der daraufhin vom begeisterten John Lennon koproduzierte "Montana Sacra" (1973) zu großen Midnight Movie-Klassikern. Mit dem Scheitern seiner ambitionierten "Dune"-Verfilmung erlebte Jodorowsky - als größenwahnsinniger Egomane in Verruf gekommen - einen spürbaren Karriereknick: Einzig "Santa Sangre" (1989) konnte als einer von drei Filmen vor den 2010er Jahren noch auf Zuspruch stoßen.
"Fando y Lis", der 1970 in den USA nur geschnitten herauskam, verschwand hingegen mehr oder weniger von der Bildfläche; erst ab der Jahrtausendwende kursierten ein paar exotische DVD-Versionen.
Dank Bildstörung liegt der Film seit ca. vier Jahren auch hierzulande in einer schönen, auch als BluRay-Variante erwerblichen Jodorowsky-Edition vor, die weitestgehend den früheren britischen & amerikanischen Edition von Tartar bzw. Anchor Bay entspricht: Fassungseintrag von Guilala


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