Kind Hearts and Coronets (1949)
Die Ealing Studios in West London, gegründet 1902, sind nicht nur das älteste ununterbrochen existierende Film- und Fernsehstudio der Welt, sondern prägten nach dem Zweiten Weltkrieg sogar einen bestimmten Schlag von Filmkomödien, die seither in die Filmgeschichte als Ealing Comedies eingegangen sind. „Kind Hearts and Coronets“, der am 23. Juni 1949 anlief, war der Beginn einer Reihe von Komödienerfolgen, die sich durch ihren sanft anarchischen, oft schwarzhumorigen Tonfall auszeichneten, unter anderem „Passport to Pimlico“ (1949), „The Lavender Hill Mob (1951) und schließlich der auch bei uns recht bekannte „The Ladykillers“ (1955).
„Kind Hearts and Coronets“ mutet nur im ersten Moment wie ein gediegenes, pittoreskes Kostümdrama an, das gegen Ende des ausgehenden 19. Jahrhunderts spielt. Schon sehr bald entpuppt sich der Film als scharfzüngige Gesellschaftssatire, die das unbarmherzige britische Klassensystem bloßstellt: Ein um sein Erbrecht gebrachter Adeliger, der nun seinen Lebensunterhalt selbst verdienen und daher einem bürgerlichen Beruf nachgehen muß, mordet sich zurück an die Spitze seiner Familie und seines Vermögens. Dennis Price spielt den äußerlich und in seinen Manieren makellosen, aber innerlich von Rache getriebenen Louis Mazzini, und der besondere Coup der Filmemacher besteht darin, sämtliche acht Gegenspieler (darunter eine Frau) von Alec Guinness verkörpern zu lassen, der ihnen verschiedene Grade und Ausprägungen der Arroganz und Schrulligkeit verleiht, wie sie für die Upper Class typisch sind. Das Drehbuch von Robert Hamer, der auch Regie führte, basiert lose auf der Romanvorlage „Israel Rank“ von Roy Horniman (1907) und hält vor allem am Ende noch einige überraschende Wendungen parat. Mit feiner Klinge und sardonischem Humor legt „Kind Hearts and Coronets“ die Bigotterie der (vermeintlich) besseren Gesellschaft bloß, die hinter eleganten Fassaden doch nur ihren allzu menschlichen Trieben freien Lauf läßt. Dabei schafft es das wohlformulierte, sanft vorgetragene Voiceover der Hauptfigur Mazzini, den Zuschauer moralisch auf seine Seite zu ziehen, so daß man bei den durchaus originell ausgeführten Beseitigungen der Familienmitglieder geradezu mitfiebert – ein Kniff, den u.a. Alfred Hitchcock später beherzigen sollte. Kameramann Douglas Slocombe schafft wohlkomponierte, gemäldeartige Einstellungen, in denen die prächtigen Kostüme und vor allem die ausladende Hutmode der Damen dem reich verzierten Mobiliar in nichts nachstehen, und es ist dieser ausdeklinierte Widerspruch von Schein und Sein, der „Kind Hearts“ auch heute zu einem besonderen Vergnügen macht.
Im Vereinigten Königreich (und darüber hinaus) erfreuen sich die Ealing Comedies ungebrochener Beliebtheit – als 1999 das British Film Institute eine Liste der besten britischen Filme kürte, landete „Kind Hearts“ auf Platz sechs. Diese Popularität führt dazu, daß der Film jenseits des Kanals sogar als 4K-Ultra-HD-Veröffentlichung zu haben ist. Hierzulande läßt sich der Klassiker in herrlicher, blitzsauberer Restaurierung immerhin auf der Blu-ray von Studiocanal bewundern (Fassungseintrag), die überdies mit Bonusmaterial prall gefüllt ist.
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