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von PierrotLeFou

Vor 50 Jahren: Große Leinwand für den Schlächter von Afrika

Stichwörter: 1970er Dokumentarfilm Frankreich Idi-Amin Jubiläum Klassiker Mexiko Porträtfilm SChroeder Schweiz

Général Idi Amin Dada: Autoportrait (1974)

Zu den berüchtigsten Filmen Barbet Schroeders  gehören vermutlich drei seiner dokumentarischen Arbeiten, die zusammen eine lose Trilogie des Bösen bilden: die späten Arbeiten "L'avocat de la terreur" (2007) über Jacques Vergès, den strittigen Rechtsanwalt von Diktatoren und Kriegsverbrechern wie Klaus Barbie, Slobodan Milošević oder Gnassingbé Eyadéma, und "Le vénérable W." (2017) über Ashin Wirathu, den Anführer der 969-Bewegung, sowie die frühe Arbeit "Général Idi Amin Dada: Autoportrait" (1974), die am 22. Mai 1974 in Cannes Premiere feierte. Der Titelzusatz "Autoportrait" sensibilisiert das Publikum bereits für die schwierige Frage, wer Erschaffer, Darsteller, Regisseur und/oder Erzählinstanz des Films ist. Schon das Cinéma vérité hatte in den 60er-Jahren ein Bewusstsein dafür geschaffen, das Porträtierte vor der Kamera, die um die Anwesenheit dieser Kamera wissen, kaum so agieren, wie sie es ohne das Wissen um diese Kamera (bzw. ohne Kamera) tun würden. Diese grundsätzliche Problematik des Dokumentarfilms steigt dort noch an, wo die Porträtierten über ein beachtliches Maß an Macht verfügen und darüber hinaus auch keinerlei Skrupel haben, diese Macht auch für die eigenen Zwecke voll auszuspielen. Bei Schroeder gipfelte dass darin, dass der als Schlächter von Afrika berüchtigte Diktator Idi Amin Dada – der einige Zeit mit dem Gedanken spielte, Hitler ein Denkmal errichten zu lassen – eine Art Final Cut durch die Geiselnahme von etwa 150 französischen Staatsbürger(inne)n in Uganda erzwang. Zum Opfer fielen den Schnitten drei Sequenzen von ca. 140 Sekunden Länge, in denen eine öffentliche Hinrichtung mit Hinweisen zu Verschwundenen und Inhaftierten, ein Kommentar zur Ermordung eines Ministers sowie eine Kontextualisierung des Dikators vor dem Hintergrund des Kolonialismus. Als von Idi Amin Dada schließlich keine Gefahr mehr ausging, konnte Schroeder das entfernte Material wieder einfügen. Aber selbst die nach den Vorgaben des Diktators gekürzte Schnittfassung eines Films, in dem sich Idi Amin Dada stetig selbst nach eigenem Ansinnen darstellt und darüber hinaus auch Hinweise gibt, worauf die Kamera zu achten habe, reichte aus, damit die Kritik in dem Porträtfilm noch das Porträt eines verbrecherischen Clowns mit Hitler-Vorliebe erkannte.
Eureka hat den Film 2009 in der Masters of Cinema-Reihe veröffentlicht: Fassungseintrag von savethegreenplanet


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