Europa (1991)
Mit "Forbrydelsens element" (1984) legte Lars von Trier den Grundstein für seine Europa-Trilogie - und für eine bis heute erfolgreich anhaltende Kinokarriere. Vorausgegangen waren etliche erste Gehversuche: Amateurfilme, die bis in das Jahr 1967 zurückreichen; ein 12jähriger Lars von Trier drehte "Turen til Squashland", von dem man freilich nicht zu viel erwarten sollte. Im Rahmen eines filmwissenschaftlichen Studiums ab 1976 und eines Studiums an der Filmhochschule ab 1979 wurde aus dem Amateurfilmer allmählich ein Profi, der bisweilen vieles von dem erkennen ließ, was ihn noch lange Zeit später begleiten sollte: Sexualität & Nazi-Symbolik in "Orchidégartneren" (1977) - der von Trier später etwas peinlich sein sollte -, starke Tarkowski-Anklänge in "Befrielsesbilleder" (1982), von Triers nicht ganz einstündiger Abschlussarbeit. Tarkowski zog sich auch wie ein roter Faden durch "Forbrydelsens element", wenngleich von Trier hier wie schon in der Abschlussarbeit Tarkowskis Ästhetik durch seine ganz eigene Brille filterte. In "Medea" (1988), von Triers TV-Film nach einem Drehbuch des großen Dänen C. Th. Dreyer, in "Riget" (1994/1997) und seit "Antichrist" (2009) schimmert Tarkowsis Einfluss immer wieder durch. Einen eigenständigeren Stil kreierte von Trier dennoch bereits in seiner Europa-Trilogie am Beginn seiner Karriere: Einen semidokumentarischen, spröden Stil, der seine Dogma-Ausflüge vorwegnahm, in "Epidemic" (1987), einen betont artifiziellen, künstlichen Stil in "Europa".
"Europa" - der am 12. Mai 1991 auf den Internationalen Filmfestspielen von Cannes uraufgeführt worden ist und auf dem Festival gleich drei große Preise einheimsen konnte - bedient sich einer ausgefeilten mise en image und kommt in kontrastreichen s/w-Bildern daher, die an den film noir und dessen Vorfahren, den Expressionismus erinnern und gelegentlich von farbigen Einsprengseln durchzogen werden. Anders als Soderberghs "Kafka" (1991) - der andere kafkaeske Europa-Film des Jahres! - ist das Spiel mit s/w & Farbe weit eigenwilliger; auch extreme Perspektiven, Rückprojektionen und Doppelbelichtungen zeugen vom extremen Willen zur Stilisierung. Zur beachtlichen Ästhetik gesellt sich eine hervorragende Besetzung: Jean-Marc Barr, Barbara Sukowa, Udo Kier, Ernst-Hugo Järegård, Eddie Constantine, Max von Sydow und sogar Schlingensief-Kumpan & Oberstaatsanwalt Dietrich Kuhlbrodt zählen zu den bekannten Gesichtern des Films. Dass er darüber hinaus auch noch mit einer hochinteressanten Geschichte punkten kann - die sich übrigens in von Triers skandalträchtigen, aber keineswegs bedenklichen Umgang mit den Themen Nazismus & Antisemitismus einreiht -, macht ihn vollends zu einem großen Meisterwerk. Worum es geht, verrät Den2001 in seiner Inhaltsangabe. Und mit von Triers Abschlussarbeit liegt die gesamte Europa-Trilogie in einer hübschen Edition bei Legend/Universum vor: Fassungseintrag von jtip
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