Para recibir el canto de los pájaros (1995)
Jorge Sanjinés zählt als eine der Gründungsfiguren der Grupo Ukamau seit den 60er Jahren zu den wichtigsten Filmschaffenden Boliviens. Nachdem er sich schon Ende der 80er Jahre nach einem längeren Exil samt Versinken in die Vergessenheit mit "La nación clandestina" (1989) erfolgreich zurückmeldete und mit diesem Schlüsselwerk der nationalen Filmkultur international von sich Reden machte, lieferte er Mitte der 90er Jahre mit dem darauffolgenden "Para recibir el canto de los pájaros" einen seiner ambitioniertesten Filme ab, der dank Geraldine Chaplin in tragender Rolle auch einige Aufmerksamkeit des breiteren Publikums auf sich ziehen konnte, letztlich aber nicht gerade als einer seiner populärsten Filme in die Filmgeschichte eingegangen ist. Das mag daran liegen, dass die dramaturgische und ästhetische Ausrichtung auf das Zielpublikum der indigenen Minderheit, die für Sanjinés und die Grupo Ukamau so typisch war, hier von einem Topos des Autorenfilms verwässert wird, der das Denken der Filmkultur über sich selbst zum Thema hat. Dennoch gleicht der Film weniger den klassischen Metafilmen von Fellini ("8½" 81963), "Intervista" (1987)), Truffaut ("La nuit américaine" (1973)) oder Godard ("La mépris" (1963), "Passion" (1982)), auch nicht den selbstreflexiven Hommagen, die 1995 zur 100-Jahr-Feier der Kinokultur en vogue waren, oder den schärferen Satiren aufs Filmgeschäft wie Robert Altmans "The Player" (1992), sondern beschreitet eigene Wege, die später auch Icíar Bollaíns Bolivien-Metafilm "También la lluvia" (2010) einschlagen sollte: die Außenperspektive selbst wird am Beispiel des Filmbetriebs verhandelt. Ganz so wie sich ein Jean Rouch als Dokumentarfilmer dem Vorwurf ausgesetzt sah, mit dem Blick des Ethnologen seine afrikanischen DarstellerInnen zu filmen wie ein Insektenforscher seine Insekten beäugt, oder wie aktuell eine Soziologin wie Natasha A. Kelly bemängelt, dass sich in der hiesigen Afrikanistik kaum afrikanische ForscherInnen finden ließen, kritisiert auch Sanjinés den Blick seiner filmschaffenden Figuren, die breitenwirksam mit einem großen Spielfilm über die Konquistadoren in den diesbezüglichen Diskurs einsteigen wollen und dabei die eigenen Defizite im Umgang mit den Quechuas und Aymaras vor Ort schlichtweg nicht reflektieren. Herausgekommen ist ein spannender Beitrag zur Metafilm-Tradition, der vor allem im Doppelpack mit Bollaíns "También la lluvia" lohnt und wie dieser gelegentlich bemüht und berechnend wirkt, aber insgesamt jedoch fruchtbare, originelle Perspektiven eröffnet.
Worum es geht, verrät die Inhaltsangabe von PierrotLeFou
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