Eyes Wide Shut (1999)
Seit 1987 hatte die Regielegende keinen Film mehr abgedreht. Und schon "Full Metal Jacket" (1987) war eine siebenjährige Abwesenheit Kubricks von den großen Leinwänden vorausgegangen: nach "A Clockwork Orange" (1971) geriet die Phase der Projektwahl, Planung und Vorbereitung von Film zu Film immer länger. Und auch wenn Kubrick nach seinen drei Science-Fiction-Filmen nicht mehr ganz an die meisterhafte Qualität dieser Werke heranreichen konnte, so blieben doch "Barry Lyndon" (1975), "The Shining" (1980) und "Full Metal Jacket" jeweils Highlights ihrer jeweiligen Genres. Und kurz vor der Jahrtausendwende sollte es wieder so weit sein: ein neuer Kubrick. Im Rückblick ein sonderbar kleiner, intimer Kubrick, wenn man ihn als Ehedrama nach Vorlage Arthur Schnitzlers betrachtet: selbst die inhärenten Thriller-Aspekte lenken nicht vom Kern des Beziehungsdramas ab; eines Genres, das im Vergleich mit Dystopien und Utopien, mit blankem Horror, mit historischen oder kaum verdauten Kriegen unter dem Gesichtspunkt des Spektakels klein und bedeutungsarm anmuten kann. Vielleicht wurde deshalb schon zum Zeitpunkt der Dreharbeiten der erotische Teil stärker betont und das Projekt über Gebühr skandalisiert: Tom Cruise und Nicole Kidman in einem Film voll nackter Brüste, fast nackte Frauen, einer geheimen Orgie, außerehelichen Verlockungen… Skandalös war "Eyes Wide Shut" schon damals, am Ende einer doch in jeder Hinsicht sehr gemäßigten Dekade, nicht, als er am 13. Juli 1999 uraufgeführt worden ist – als filmisches Testament des schon im März 70-jährig verschiedenen Regisseurs. Es ist trotz der üppigen Laufzeit tatsächlich ein kleines, intimes Drama geworden: aber auch diesmal wieder qualitativ und inhaltlich völlig auf der Höhe – und in Erinnerung rufend, dass das kleine, intime Drama keinesfalls den stärker oder breitenwirksamer affizierenden Genres unterlegen ist. Und als hätte Kubrick geahnt, dass "Eyes Wide Shut" nicht die Übergröße ausstrahlen würde, die man ihm – der sich unter anderem jahrelang mit einem "Napoleon"-Projekt herumgeschlagen hatte – erwartete, holt er den Kontrast zwischen Spektakel und Unscheinbarkeit direkt in den Film hinein: Die Geschichte eines Ehemannes, der einer nächtlichen Orgie beiwohnt, und seiner Gattin, die ihre geheimen Begierden im Traum verarbeitet, unterteilt sich sehr geplant in eine atmosphärische, prunkvolle Orgie voller faszinierender Masken und Kostüme zur betörenden Musik Jocelyn Pooks und in einen sehr zurückhaltenden, dialogreichen und unaufdringlich musikalisch untermalten Teil der Aussprache über den Traum der Partnerin im bläulich beleuchteten Schlafzimmer des Paares. Gerade das Traumgeschehen wird vergleichsweise nüchtern dargeboten, nur verbal wiedergegeben, derweil die sehr realen Auswirkungen auf die schambehaftete Frau und den fassungslosen ins Bild gerückt werden – wohingegen die nächtlichen Erlebnisse des Mannes in seltsam unwirklich, (alp)traumhafte Regionen gerückt worden sind. Es sind die gleichwertigen zentralen Momente eines Films, von denen das eine jedoch bombastisch, das andere zurückgenommen daherkommt. Und sowenig man die Schlafzimmer-Szene gegen Ende vernachlässigen oder unterschätzen sollte, sowenig sollte man "Eyes Wide Shut" innerhalb der kubrickschen Filmografie unterschätzen.
Worum es überhaupt geht, davon verschafft das Review von Cineast18 kurz und prägnant einen Eindruck…
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