Der gelbe Schein (1918)
Im Deutschen Kaiserreich als Propagandafilm gegen das Russische Kaiserreich geplant, ist "Der gelbe Schein", der am 22. November 1918 erstmals aufgeführt worden war, als einer der frühen Filme über Antisemitismus und als Dokument jüdischen Lebens im kollektiven Gedächtnis erhalten geblieben. Im deutschsprachigen Raum wurde der Antisemitismus zu Stummfilmzeiten immer wieder behandelt: Duponts "Das alte Gesetz" (1923), Breslauers "Die Stadt ohne Juden" (1924) und – wenn man so will – Wegeners "Der Golem, wie er in die Welt kam" (1920) zählen zu den bekannteren Beispielen; "Der gelbe Schein" zählt diesbezüglich zu den frühesten Filmen von Rang, stellt aber zugleich gewissermaßen eine Art freies Remake dar: Pola Negri hatte 1915 in einem ihrer letzten polnischen Filme unter Aleksander Hertz' Regie in "Czarna ksiazeczka" (1915) gespielt – und ebendieser Film bildete nun für den Drehbuchautoren Hanns Kräly und die Regisseure Eugen Illés, Victor Janson und Paul Ludwig Stein die Grundlage, um – wieder mit Pola Negri – "Der gelbe Schein" aus dem Stoff zu machen.
Erzählt wird die Geschichte der klugen und ehrgeizigen Lea, die nach dem Tod ihres Adoptivvaters nach St. Petersburg geht, um dort Medizin zu studieren. Doch als Jüdin ist ihr infolge der Maigesetze die Niederlassung außerhalb kleinerer Städtchen verboten und um im St. Petersburg des zaristischen Russlands zu wohnen, benötigt sie einen gelben Identifikationsschein, der zugleich an Prostituierte vergeben wird. Fortan schlittert sie in ein tragisches Doppelleben, das alsbald ihren Untergang zu besiegeln scheint, ehe es doch noch eine glückliche Wendung gibt.
Mit Außenaufnahmen im jüdischen Warschauer Viertel um die Nalewki-Straße ist der Film heute ein wertvolles historisches Dokument geblieben. Darüber hinaus ist "Der gelbe Schein" für Cineasten bereits mit den Auftritten von Pola Negri, Harry Liedtke und Guido Herzfeld ein Muss, zumal er dramaturgisch und inszenatorisch über dem damaligen Durchschnitt liegt. Regisseur Victor Jansen drehte in der Folgezeit noch viele Filme mit weiblichen Heroinen, darunter die wieder gut zugängliche Travestie-Komödie "Der Page vom Dalmasse-Hotel" (1933), wohingegen Eugen Illés am ehesten noch für die erste (deutsche) "Alraune"-Verfilmung (1918) bekannt ist; Paul Ludwig Stein wiederum ging 1926 als Filmemacher in die USA (wo er ebenfalls gelegentlich mit Pola Negri arbeitete) und 1933 nach Großbritannien, wo er seine größten Erfolge mit Titeln wie "Blossom Time" (1934) verbuchen konnte.
Mehr über den Film und jüdisches Lebens im frühen deutschsprachigen Film ist in Siegbert Salomon Prawers Publikation Between Two Worlds: Jewish Presences in German and Austrian Film, 1910-1933 (Berghahn 2007) zu erfahren.
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