The Postman Always Rings Twice (1946)
Viele Stoffe in der Filmgeschichte werden immer wieder verfilmt, aus ganz verschiedenen Gründen: um weiterentwickelte Tricktechnik zu präsentieren, weil Stars in bekannten Rollen die Kasse klingen lassen sollen, im Idealfall jedoch, weil eine Geschichte für die jeweilige Zeit eine neue Relevanz erhält. Der Roman „The Postman Always Rings Twice“ bietet eine perfekte Mischung aus Erotik, Ehebruchsdrama und Thriller, läßt seine Charaktere aus Leidenschaft zu Verbrechern werden und inspiriert damit die Filmemacher bis heute immer wieder, dieses Spannungsfeld in verschiedenen Kontexten zu erforschen. Eine der bekannteren Verfilmungen kam im April 1946 in die Kinos, wurde zum Kassenknüller und gilt als Klassiker des Film noir.
„The Postman Always Rings Twice“ war als Debütroman von James M. Cain 1934 in den USA erschienen und anschließend in Europa bereits zweimal verfilmt worden, 1939 in Frankreich als „Le dernier tournant“ und 1943 von Luchino Visconti als „Ossessione“ (Anniversary-Text). In Hollywood war das Drehbuch zunächst an der Production Code Administration gescheitert: ein Plot, in dem eine Ehefrau und ihr Geliebter den Ehemann ermorden und durch die schmutzigen Tricks ihres Anwalts zunächst davonkommen, war nicht mit den moralischen Vorgaben der Zensur vereinbar. Doch der bahnbrechende Erfolg von „Double Indemnity“ (1944, Anniversary-Text) – ebenfalls basierend auf einer Vorlage James M. Cain – ließ das Studio MGM aktiv werden, obwohl es eher auf Komödien und Musicals spezialisiert war. Man gab das entschärfte, aber immer noch pikante Drehbuch in die Hände des erfahrenen Regisseurs Tay Garnett, besetzte die weibliche Hauptrolle mit Lana Turner (die in der Tradition von Jean Harlow zur Blonde Bombshell aufgebaut worden war), lieh sich für die Darstellung des Geliebten den charismatischen John Garfield von Warner und brachte auch in den Nebenrollen markante Gesichter unter (vor allem Hume Cronyn glänzt als reptilienhafter Anwalt). Da genau wie in „Double Indemnity“ die Geschichte rückblickend von einem Mann kurz vor dem Tode erzählt bzw. gebeichtet wird, kommen auch in „The Postman…“ alle Zutaten eines aus heutiger Sicht typischen Film noir zusammen: Das Voiceover eines Mannes, der sich für schlauer hält, als er ist und der einer Femme fatale zum Opfer fällt, Sex und Amoral in nächtlichen Szenen, Zynismus und Gier als Triebfeder.
Neben Bob Rafelsons skandalträchtiger und starbesetzter Verfilmung von „The Postman Always Rings Twice“ aus dem Jahr 1981 ist der ungarische „Szenvedély“ (1998) von György Fehér erwähnenswert, der stilistisch einem Béla-Tarr-Film gleicht, obwohl Tarr nicht Regie geführt, sondern nur Cains Vorlage adaptiert hatte. Christian Petzolds „Jerichow“ (2008) verlegt den Stoff in die ostdeutsche Provinz und gibt ihm damit eine unerwartet aktuelle Dimension. Wer Tay Garnetts klassische Noir-Version nicht als Stream leihen oder kaufen möchte, kann die inzwischen vergriffene, jedoch mit gutem Bonusmaterial ausgestattete DVD (Fassungseintrag) oder Blu-ray (Fassungseintrag) auf dem Gebrauchtmarkt für akzeptable Preise erwerben.
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