Le frisson des vampires (1971) & Vierges et vampires (1971)
Über den noch gar nicht als Langfilm geplanten "Le viol du vampire" (1968) und das Nachfolgewerk "La vampire nue" (1970) hatte Jean Rollin als Regisseur des erotischen und phantastischen Films auf sich aufmerksam machen können. Seinen Zenit erlebte er dann ab 1971, als zunächst am 21. April "Le frisson des vampires" in die Kinos gelangte, dem Rollin nach einigen Monaten "Vierges et vampires" nachschieben konnte. Mit diesen Filmen setzte Rollin die Linie der erotischen Vampirfilme fort, die nach seinem Debüt auch dank Jess Francos "Vampyros Lesbos" (1970), Hammers Karnstein-Trilogie "The Vampire Lovers " (1970), "Lust for a Vampire" (1971) und "Twins of Evil" (1971), Harry Kümels "Les Lèvres rouges" (1971) sowie Vicente Arandas "La Novia ensangrentada" (1972) einen wahren Boom erlebte, der im Grunde noch bis Ende der 70er Jahre wahrnehmbar blieb. Mit "La rose de fer" (1973), "Le démoniaques" (1974) und "Lèvres de sang" (1975) bilden die Filme den engsten Kern des rollinschen Schaffens, der zwischen und nach den kommerzielleren, wenngleich noch immer eigentümlich poetischen Arbeiten "Les raisins de la mort" (1978) und "La morte vivante" (1982) noch einige Male zu diesen typischen Motiven und Qualitäten zurückkehrte.
Die Motive: das sind natürlich Vampire und nackte Haut, aber es sind auch surreale Arrangements – in "Le frisson des vampires" auch durch Anspielungen auf René Magritte und Paul Delvaux bewerkstelligt –, hinter denen die Narration merklich zurücktritt. Unterlegt vom leiernden, kultigen Acanthus-Soundtrack verläuft die Mär eines Hochzeitspaares, das im Schloss der vampirisierten Cousins der Braut unterkommt, aus dem am Ende nur einer entkommen kann, derweil die Vampirisierten im Sonnenlicht verschwinden. Standuhren und Strände, Totenköpfe im Aquarium, blutende Wände mit Bisswunden im leeren Bilderrahmen, Holzschnitzereien mit Totenköpfen, exotische Fische als Wandschmuck, extravagante Kostüme zwischen Gegenkultur-Mode, Brautkleid und S/M-Fetisch... eingefangen aus teils extravaganten Perspektiven oder monochromen Einstellungen, hochstilisiert ausgeleuchtet, symmetrisch arrangiert, durchsetzt mit bemerkenswert simplen Trickeffekten, die 1971 bereits sechs Dekaden zu alt wirken mussten... Zu diesen formalen Freiheiten über lose-unverbindlicher Dramaturgie gesellt sich auch eine Art Rebellion gegen die bürgerlichen Werte aus dem Geist der Gegenkultur: da wird die Ekstase auf Kosten des Überlebens hochgehalten, da werden Bisexualität und Liebe zu Dritt als Alternative zur Ehe gefeiert und sadomasochistische Raffinesse zelebriert, da gerät der "Bourgeois" zum Schimpfwort, derweil die pikantesten Stellen von Rollin (nach eigenen Angaben) an der Zensur vorbeigeschmuggelt und erst nachträglich in den Film montiert worden sein sollen...
In Kürze erscheint ein weiteres Wicked-Vision-Media-Dual-Format-Mediabook des Films, limitiert auf 333 Exemplare: Eintrag von Dr. Kosh
"Vierges et vampires" setzt diese Linie fort, wobei sich Rollin nun einmal ganz deutlich auf seine Stärken besann und seine Vorzüge stärker herausstellte: Am Anfang standen reine Bilder – weibliche Clowns in freier Natur, verfallenen Häuser, kleinen Friedhöfen etwa –, um die Rollin dann innerhalb von zwei Tagen ein alles zusammenhaltendes Drehbuch strickte, das zwei Schulmädchen in das Schloss eines sonderbar müden Vampirs geraten lässt, der sich mit seiner Gefolgschaft an die Frauen heranmacht... Viel Leerlauf, zahlreiche monochrome Einstellungen in grün und rot, ausgedehnte Erotikszenen und Parodien von Genreversatzstücken reihen sich zu Rollin pur: für die einen war das langweiliger Trash, für die anderen ein beachtlicher Mix aus Kolportage, Erotik, eigenwilliger Poesie und sanfter Subversion – ansiedelbar irgendwo zwischen Georges Franju, Jacques Rivetter und Alain Robbe-Grillet...
Randolph C. findet in seinem Review passende Worte für diesen besonders radikalen Rollin, der ebenfalls als hübsches Wicked-Vision-Mediabook zu erhalten ist: Fassungseintrag von Freddy Krueger
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