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von ratz

Vor 75 Jahren: Eine Familienchronik von Kurt Maetzig

Stichwörter: 1940er DEFA Deutschland Drama Hinz Jubiläum Klassiker Maetzig Spielfilm Spira Waterstradt


Die Buntkarierten (1949)

Der Regisseur Kurt Maetzig war bis zu seinem Tod 2012 ein gern interviewter Mitgestalter und Zeitzeuge des DDR-Films, hatte er doch zwischen 1947 und 1975 über 20 Spielfilme realisiert. Nicht zuletzt war er Gründungs- und Vorstandsmitglied der DEFA, der in der sowjetischen Besatzungszone etablierten Filmgesellschaft, die als staatliches Unternehmen die Filmproduktion der 1949 gegründeten DDR bestimmen sollte. Maetzig setzte sich wie viele seiner Mit-Filmschaffenden im Nachkrieg vor allem mit der Frage der deutschen Schuld und Verantwortung auseinander. Kurz nach Wolfgang Staudtes „Die Mörder sind unter uns“ (1946, Anniversary-Text) erschien Maetzigs bedrückendes Suizid-Drama „Ehe im Schatten“ (1947), beide Filme stehen programmatisch für die Ausrichtung der noch jungen DEFA, die sich vom NS-Filmerbe absetzen und Aufarbeitung betreiben wollte.

Maetzigs zweiter Spielfilm kam am 8. Juli in die Kinos und schlägt einen etwas leichteren Ton an. „Die Buntkarierten“, basierend auf einem Hörspiel von Berta Waterstradt, zeichnet die Chronik einer deutschen Arbeiterfamilie über drei Generationen, beginnend im Jahr 1883. Ein Ehepaar (Camilla Spira, Werner Hinz) und seine Kinder bzw. Enkel durchleben die bewegte deutsche Geschichte vom Kaiserreich über den Ersten Weltkrieg, die Weimarer Republik, leiden unter der Weltwirtschaftskrise, dem Faschismus und dem Zweiten Weltkrieg. Die Familiengeschichte kommt schließlich in Gegenwart des Nachkriegs an und präsentiert einen optimistischen Ausklang im nun demokratischen Deutschland.
„Die Buntkarierten“ kann natürlich seine ideologische Herkunft bzw. Stoßrichtung nicht verleugnen und mutet gelegentlich didaktisch an. Dies ist nicht verwunderlich, denn obwohl in dieser Zeit die offizielle Kulturpolitik gesamtdeutsch orientiert war und am Ziel der deutschen Einheit festhielt, gab es einen starken Einfluß der Kursbestimmung aus Moskau, die im Stalinismus mündete, der den gesamten Ostblock prägen sollte. So mußte auch Maetzigs Film der sowjetischen Militäradministration vorgelegt werden, und tatsächlich wurde die Figurenzeichnung bemängelt, da sich die Charaktere nach Meinung der Zensoren nicht heroisch genug verhielten. Doch trotz dieser Kritik wurde keine Änderung vorgenommen, und „Die Buntkarierten“ wurde aufgrund seines lebensnahen, volkstümlichen Tonfalls zum außerordentlichen Publikumserfolg.

Maetzig war während seiner langen Regiekarriere in vielen Genres tätig, selbst im Science-Fiction („Der schweigende Stern“, 1960). Berühmt wurde sein systemkritisches Drama „Das Kaninchen bin ich“, während der Tauwetterperiode nach Stalins Tod entstanden, das als Teil der Jahresproduktion 1965 auf dem berüchtigten 11. Plenum des ZK der SED verboten wurde (diese Verbotsfilme werden – nach Maetzigs Filmtitel – heute als „Kaninchenfilme“ bezeichnet). Trotz dieses Zwischenfalls blieb Maetzig der Parteilinie treu, bekleidete bedeutende Ämter in der DDR-Kulturpolitik und wurde von dieser vielfach geehrt. Sein Leben und Schaffen stehen beispielhaft für die oft sehr unterschiedlichen, manchmal schwer zu bewertenden Künstlerbiographien in der DDR.



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