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von PierrotLeFou

Vor 50 Jahren: Lange unzugänglicher Durchbruch für Wenders

Stichwörter: 1970er Brauss Deutschland Drama Handke Jubiläum Klassiker Kriminalfilm Literaturverfilmung Neuer-Deutscher-Film Österreich Spielfilm Wenders

Die Angst des Tormanns beim Elfmeter (1972)

Wim Wenders und Peter Handke kennen sich seit Schulzeiten. Bei "3 amerikanische LP's" (1969) arbeiten sie erstmals miteinander an einem Filmprojekt. Es ist einer von acht Kurzfilmen, die Wenders von 1967 bis 1969 realisierte: seine erstern Arbeiten, die er 21- bis 24-jährig anfertigte. Zur Zeit von "3 amerikanische LP's" schrieb Handke bereits an seiner Erzählung "Die Angst des Tormanns beim Elfmeter" (1970) – und ihm wie Wenders war klar, dass daraus ein Film entstehen sollte. Mit "Summer in the City" (1971) hatte Wenders bis dahin schon sein Langfilmdebüt gegeben – aber seinen Durchbruch sollte er mit "Die Angst des Tormanns beim Elfmeter", seinem am 19. Februar 1972 erschienenen zweiten Langfilm erzielen. Für diesen wollte Wenders ursprünglich den Torwart Wolfgang Fahrian engagieren, aber letztlich schlüpfte dann Arthur Brauss in die Rolle des Torwarts, der eingangs untätig einen Torschuss zulässt, später eine Frauenbekanntschaft unmotiviert erwürgt und allerlei Spuren der Tat hinterlässt; später wird er zusätzliche Spuren legen, die zu seiner Person führen müssten. Bis zum Ende des Films wird er aber unbehelligt bleiben. Beim Betrachten eines Fußballspiels wird er sagen, wie schwer es sei, auf den Torwart und nicht auf den Stürmer zu achten. Ein Kriminaldrama ohne Thrill und ergreifende Tragik ist "Die Angst des Tormanns beim Elfmeter", oder eher: eine Gesellschaftssatire, die keinen pathologischen Einzelfall, sondern eher eine Form von Aufmerksamkeitsökonomie behandelt. Fast schon könnte man hier einen vagen Vorläufer der späteren Yuppie-Satire "American Psycho" (1991) samt Verfilmung (2000) sehen, die freilich US-Verhältnisse im Blick hat (und gänzlich andere Tonarten anschlägt). Kurioserweise blieb dieser Durchbruchsfilm dann aber recht bald für Jahrzehnte ein kaum zugänglicher Wenders: denn der Soundtrack des in Deutschland und Österreich angesiedelten Films war wiederum schon sehr stark geprägt von US-amerikanischer Rockmusik. Und Wenders hatte an eine internationale oder langfristige Verbreitung seines Films gar nicht zu denken gewagt und somit eine Auswahl persönlich geschätzer Rockmusik – von Roy Orbison bis The Tokens – getroffen, deren Musikrechte für den breiteren Vertrieb dann finanziell nicht mehr abzudecken waren. Erst 2014 wurde das Problem angegangen, sodass der Streifen 2015 mit neu erstelltem Soundtrack wider zugänglich gemacht werden konnte, der heute als Wenders' Durchbruchsfilm gilt: Zwar blieb "Die Angst des Tormanns beim Elfmeter" kommerziell hinter den Erwartungen zurück und erntete nicht ausschließlich positive Kritiken, aber Wenders hatte sich als vielversprechender Neuling empfohlen; sich einen Namen gemacht, zumal der Film auf den Internationalen Filmfestspielen von Venedig den Preis der Filmkritik erhielt und unerwartet doch weit größeres Interesse auslöste als gedacht – ohne dass man diesem dann aufgrund der problematischen Musikrechte nachkommen konnte.
Aber seit 2015 liegt der Film bei Arthaus auf Blu-ray vor: Fassungseintrag von Digby


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