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von PierrotLeFou

Vor 25 Jahren: Pedro Costa wählt sich seinen bevorzugten Drehort

Stichwörter: 1990er Costa Dänemark Dokumentarfilm Drama Filmreihe Fontainhas-Trilogie Frankreich Jubiläum Klassiker Portugal Spielfilm Trilogie

Ossos (1997)

In "O sangue" (1989), Pedro Costas Langfilmdebüt, gab es noch diese Spuren vom klassischen Kino, von Hollywood gar, vom film noir, auch vom Neorealismus, der für den humanistischen Film wohl prägendsten Schule bis heute. "Casa de Lava" (1994) ging da schon andere Wege, die endgültigen Pedro-Costa-Filme drehte Costa dann aber ab "Ossos": seinem am 2. September 1997 uraufgeführten Klassiker, der später als Beginn seiner Fontainhas-Trilogie gelten sollte, zu der noch "No Quarto da Vanda" (2000) und "Juventude em Marcha" (2006) gehören – wobei er sich Fontainhas auch später noch als Schauplatz wählte. Gekommen war dieser Schauplatz ursprünglich eher zu Costa als Costa zu ihm: Bei den Dreharbeiten zu "Casa de Lava" auf der kapverdischen Insel Fogo hatten ihn die Einwohner(innen) gebeten, Päckchen mit Kaffee, Tabak und dergleichen an ihre Verwandten in Lissabon mitzunehmen, wo die Emigranten aus der einstigen Kolonie im kapverdischen Viertel wohnten, in dem auch die Absteiger und Außenseiter der Gesellschaft unterkamen und das als Problem- und Armenviertel galt. Hier entwickelte sich ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Filmschaffenden und den Bewohner(inne)n, das es Costa ermöglichte, mit Schauspielern und Laien Gratwanderungen zwischen fiktionalem Sozialkino und dokumentarischer Form abzuliefern: "Ossos" machte den Anfang und trägt den Titel wegen der sichtbar hervortretenden Knochen der Armen. Im Mittelpunkt des Films steht eine junge Familie, wobei die Geburt eines Kindes für die Eltern vor allem eine Überforderung darstellt. Man hat keinen Weg vor Augen, Schweigsamkeit dominiert das Sein, die Mutter erweist sich als suizidal, der Vater erspäht im Verkauf des Kindes eine Lösung. Für den zweiten Teil der Trilogie sollte Costa später auf eine digitale Videokamera umsteigen, die ihm mehr Freiheiten verlieh; und das Dokumentarische sollte sich stärker in die Fiktion drängen. Die Richtung und der Tonfall waren indes, auch wenn der entscheidende Sprung zum zweiten Teil gut sichtbar ist, schon mit "Ossos" etabliert: Elend und Armut, eingefangen auf die minimalistische Weise, für die Costa heute unter Cineast(inn)en berühmt-berüchtigt ist; betrieben aber nicht als Elendstourismus, sondern als Produkt einer Solidarisierung. (Wobei freilich offen ist, welcher Beweggrund die jeweiligen Zuschauer(innen) zur Sichtung veranlasst.)
Bei Criterion ist die gesamte Trilogie vor 12 Jahren auf DVD veröffentlicht worden: Fassungseintrag von savethegreenplanet


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