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von PierrotLeFou

Vor 50 Jahren: Ein weiterer Jancsó-Klassiker

Stichwörter: 1960er Drama Historienfilm Jancsó Jubiläum Kézdi-Kovács Klassiker Krieg Mikhalkov Russland Sowjetunion Spielfilm Ungarn

Csillagosok, katonák (1967)

Miklós Jancsó hatte schon zu Beginn der 50er Jahre Filme gedreht. Von seinem Frühwerk ist im Ausland jedoch kaum etwas bekannt geworden: "Oldás és kötés" (1963) und "Így jöttem" (1965) zählen zu den frühesten Jancsó-Filmen, die auch außerhalb Ungarns einen größeren Bekanntheitsgrad genießen. "Így jöttem" gilt zugleich als der Film, mit welchem der ungarische Meisterregisseur ansatzweise seinen ureigenen Stil kreieren konnte. Noch im selben Jahr legte er "Szegénylegények" (1965) vor - sein großes Meisterwerk, welches ihm die internationale Aufmerksamkeit sicherte, mit welcher auch ein Interesse an Jancsós kurz zuvor entstandenen Werken einherging. Die stilisierten Plansequenzen, die erbarmungslos eine einzige Schilderung des Zermürbens & Brechens festgenommener Freiheitskämpfer festhielten, waren hier vollends unübersehbar; aber Jancsó wusste sie auch fortan noch zu radikalisieren: "Még kér a nép" (1972) und auch "Szerelmem, Elektra" (1974) lassen das erkennen. In all diesen Filmen sind manchmal historische, manchmal mythische Stoffe immer auch Spiegel einer Gegenwart oder jüngeren Vergangenheit: Durchstilisierte Allegorien, die konsequenterweise auch immer artifizieller ausfielen und sich in den 70er Jahren zunehmend Manierismus-Vorwürfe zuzogen.

Der am 4. November 1967 uraufgeführte "Csillagosok, katonák" (1967) mutet zwar im Vergleich mit "Szegénylegények" weniger streng an, ermöglicht vielleicht auch einen emotionaleren Zugang, insofern er zentralere Hauptfiguren anbietet (diese aber oftmals aus großer Distanz betrachtet), ist aber ebenfalls ein ausgesprochen stilisiertes Werk, in welchem Weißgardisten und Rotgardisten miteinander ringen und jeweils die eigenen Positionen vorübergehender Überlegenheit mit erbarmungsloser Härte auskosten. Beide Seiten üben Terror aus, es gibt keinen Sieg, der nicht mit Unmenschlichkeit einherginge. Rhythmische Plansequenzen machen aus diesem Reigen der Macht eine Art morbides Ballett, das ein äußerst pessimistisches Menschenbild entwirft und simplifizierende Vorstellungen von Gut & Böse zurückweist. Dass in dieser ungarisch-russischen Produktion, die eigentlich als Würdigung zum 50. Jubiläum der Oktoberrevolution entstehen sollte, sehr unheroisch die schlechte Seite der Macht ins Bild gesetzt wird, stieß in der Sowjetunion keinesfalls auf Begeisterung: Wohl auch wegen einiger ungarischer Figuren unter den Rotgardisten und wegen der ungarischen Aufführung ab dem 4. November (dem elften Jahrestag der Beendigung des Ungarischen Volksaufstandes durch die Sowjetarmee) stufte man den Film in der Sowjetunion dann auch als antirussisch ein und ließ ihn nicht zur Aufführung kommen. Im Westen hingegen wurde der Film vor allem auch in den USA und in Frankreich begeistert aufgenommen - wobei er auf dem 68er Cannes-Filmfestival aufgrund des Festivalabbruchs (als Reaktion auf die Maiunruhen) letztlich doch nicht zu sehen war. Aber 1969 wählte ihn dann das Syndicat français de la critique de cinéma et des films de télévision zum besten ausländischen Film des Jahres. Den mit "Szegénylegények" erworbenen Ruf konnte Jancsó mit "Csillagosok, katonák" daher nochmals untermauern und sich als einer der wichtigsten europäischen Filmemacher seiner Zeit etablieren. Und noch zwei weitere Regie-Größen waren an dem Film beteiligt: Jancsós ungarischer Kollege Zsolt Kézdi-Kovács, der Jancsó hier zum wiederholten Mal als Regieassistent zur Seite stand, und der Russe Nikita Mikhalkov, der 1967 gerade mit ersten Kurzfilmen seine Regie-Karriere begonnen hatte und hier als Weißgardist zu sehen ist.

Recht preiswert ist die englisch untertitelte DVD von Second Run zu bekommen, wobei die Bildqualität nicht ganz optimal ist und das (nicht direkt auf den Film selbst eingehende) Booklet kaum mit anderen Booklets der Reihe mithalten kann. Allerdings lohnt sich der Bonusfilm! (Fassungseintrag von pm.diebelshausen)


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